"Auf Augenhöhe mit Overath" Kinofilm huldigt tragischen Helden Flohe

In Köln ist er ein Held, im Rest der Republik scheint er vergessen: In Köln erlebt am Sonntag ein Film über Heinz Flohe seine Kino-Premiere.

Die Karriere des Heinz Flohe
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Für Franz Beckenbauer gehörte er "zu den größten Technikern der Welt", in den Augen von Günter Netzer hat er "Dinge gemacht, die keiner von uns konnte" und für Jupp Heynckes war er schlichtweg ein "Artist": Für die Kollegen seiner Zeit war Heinz Flohe ebenso wie für die Fans des 1. FC Köln ein Ausnahmekönner, fast ein Genie. Bundesweit gilt der einzige bisher verstorbene Weltmeister von 1974 bisher als einer unter vielen.

Der Film "Der mit dem Ball tanzte", der am Sonntag in Köln seine Kino-Premiere erlebt und anschließend auf Festivals gezeigt und via DVD vertrieben wird, soll das nun ändern. Für Regisseur Frank Steffan und seinen Rechercheur Ralf Friedrichs ist Flohes "Bedeutung für den deutschen Fußball völlig unterbewertet." Für sie ist er "mindestens auf Augenhöhe mit Wolfgang Overath".

Mit privaten Bildern, Super-8-Filmen und vielen Spielszenen und Interviews wird das Leben Flohes nachgezeichnet. Dabei schwärmen Overath ("Hätte in jeder Mannschaft der Welt seinen Platz") oder Toni Schumacher ("Ein echtes Juwel") über ihn, doch auch die weniger glorreichen Seiten werden beleuchtet. Seine Beziehung zum Kölner Boxer-"Miljö" wird erläutert, Mitspieler Jupp Kapellmann erklärt, dass Flohe "mal einen Rhetorik-Kurs hätte machen sollen".

Flohe machte andere zur Legende

Die Karriere Flohes war auch immer von einer gewissen Tragik begleitet. Hätte er im legendären DFB-Pokalfinale 1973 nicht die Latte getroffen, hätte Netzer nach seiner Selbst-Einwechslung nicht zum Helden werden können. Hätte er bei der WM 1974 nach wenigen Minuten ein paar Zentimeter weiter links gezielt, wäre die Legende um den späteren DDR-Torschützen Jürgen Sparwasser nie entstanden.

Als er bei der EM 1976 im Halbfinale wie im Endspiel durch seine Einwechslungen beim Stande von 0:2 und 1:2 die Wende einleitete, verhinderte Uli Hoeneß mit seinem Schuss in die Wolken im Elfmeterschießen den Titel. Und bei der WM 1978 spielte er als Kölner Double-Kapitän zunächst groß auf und erlitt dann einen komplizierten Muskelfaserriss: Seine Länderspiel-Karriere war beendet und Deutschland erlebte zwei Spiele später die Cordoba-Pleite gegen Österreich.

Die Verletzung war der Anfang vom Ende: In der darauffolgenden Saison war Flohe außer Form, wurde nach einer Roten Karte 1979 von dem ihm eigentlich wohlgesonnenen Trainer Hennes Weisweiler suspendiert und vom FC zu 1860 München verkauft. Nach einem halben Jahr dort erlitt er bei einem üblen Foul des späteren Weltmeisters Paul Steiner einen Unterschenkelbruch. Nerven im Fuß starben ab, und "von da an war es nur noch ein Leidensweg", wie sein Berater Rüdiger Schmitz erzählt. Weggefährten stellen einen Zusammenhang her zwischen Morphium und Cortison und einem späteren Herzanfall. Im Mai 2010 erlitt Flohe einen Gehirnschlag, nach drei Jahren im Wachkoma starb er im Alter von 65 Jahren.

Der FC ehrt ihn mit einer Bronze-Statue vor dem Stadion und hat die Fußballschule nach ihm benannt. Das letzte Vermächtnis "Flockes" ist übrigens die Klatschminute. Der FC zelebrierte sie nach seinem Tod im Jahr 2013 erstmals in Deutschland, seitdem hat sie die Schweigeminute größtenteils abgelöst.

(sid)
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