Jubeln verboten 1860-Investor Ismaik bringt das Fass zum Überlaufen

Düsseldorf · 2011 stieg Hasan Ismaik als Investor bei Zweitligist 1860 München ein. Durch absurde Maßnahmen landet der Milliardär seitdem immer wieder in den Schlagzeilen. Nun finden viele: Der Punkt der Folklore wurde längst überschritten.

Das ist 1860-Investor Hasan Ismaik
11 Bilder

Das ist 1860-Investor Hasan Ismaik

11 Bilder
Foto: dpa, geb nic hak

Vor fünf Jahren stieg Ismaik bei dem klammen Verein als Investor ein. Der Jordanier, der sein Geld durch Öl- und Immobiliengeschäft gemacht hat, wollte auch ein bisschen im Fußballgeschäft mitmachen. Er erwarb 60 Prozent der Aktien an der aus dem Gesamtverein ausgegliederten Profifußball-Abteilung. Der Erfolg blieb seit seinem Einstieg aus, doch die Schlagzeilen sind den Löwen sicher.

Erst wollte er ein neues Stadion mitsamt angrenzendem Löwen-Zoo bauen, dann machte er die Menge der Freikarten für ein "großes, finanzielles Loch" in der Vereinskasse verantwortlich: Die Skurrilitäten um Ismaik und die Löwen nahmen zuletzt solche Ausmaße an, dass die Zeitschrift "11Freunde" auf ihre Internetseite ein Chaos-Quiz anbot. Dort konnten Leser raten, welche Absurditäten rund um den Verein wirklich der Wahrheit entsprachen und welche sich die Redaktion nur ausgedacht hat. Und bei Twitter wurde gewitzelt, die Führungsetage der Löwen sehe aus wie aus einem Film von Quentin Tarantino.

Doch vielen ist das Lachen mittlerweile im Halse stecken geblieben. Nicht zuletzt Andreas Rettig, Geschäftsführer des FC St. Pauli, gegen den die Sechziger am Wochenende 1:2 verloren. Laut Rettig waren in der Allianz-Arena Aufsichtsratsmitglieder des Kiezklubs aufgefordert worden, ihre Plätze zu verlassen, weil ihr Jubel angeblich den Löwen-Investor gestört habe.

"Das Verhalten der Löwen-Verantwortlichen der letzten Wochen sollte auch dem letzten Fußballfan in Deutschland die Augen geöffnet haben und sollte all denen, die nach Investoren schreien, Mahnung und Warnung zugleich sein", sagte Rettig: "Wenn auf dem Altar des vielen Geldes Meinungsfreiheit und respektvoller Umgang mit Mitarbeitern, Medien und anderen Klubs auf der Strecke bleiben, dann gute Nacht Fußballdeutschland."

Pressestreik und Hausverbot

Meinungsfreiheit scheint für Ismaik tatsächlich ein krativ interpretierbarer Begriff zu sein. Im November des vergangenen Jahres erteilte der Verein einigen Medienvertretern Hausverbot. Der Grund: die Journalisten seien laut Ismaik "despektierlich, unverschämt und verlogen". Das Hausverbot wurde wenig später wieder aufgehoben, dafür trat der Klub in einen Pressestreik.

Im Januar entzog er drei Zeitungen die Dauerakkreditierungen. Der Bayerische Journalisten-Verband (BJV) zitierte aus einer E-Mail des ebenfalls umstrittenen 1860-Geschäftsführers Anthony Power wie folgt: "Wir haben uns für diesen Schritt entschieden, da wir aufgrund der Berichterstattung in den letzten Wochen und Monaten derzeit keine Basis für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit sehen. Selbstverständlich werden wir Ihnen im Sinne der Pressefreiheit die Möglichkeit geben, über den TSV 1860 München zu berichten. Zu diesem Zweck können Sie Antrag auf Tagesakkreditierungen stellen." Zuletzt sperrte 1860 München eine Reporterin der "Bild" aus.

Die Fachzeitschrift "kicker" entschied sich deshalb nun zu dem Schritt, vorerst auf Interviews mit Klubverantwortlichen und Spielern zu verzichten, um ein Zeichen zu setzen. "Wer unabhängige Berichterstattung verhindern will, dem gehört auch im Profifußball genau auf die Finger geschaut", schreibt Jörg Jakob aus der Chefredaktion in einem Kommentar, der am Montag veröffentlicht wurde.

Am Montagabend kündigten die Münchner an, ihre "restriktive Medienpolitik" fortzusetzen. "Damit beziehen wir uns explizit nicht auf kritische Berichterstattung im Allgemeinen, sondern auf falsche und tendenziöse Wiedergabe von Sachverhalten", hieß es in einer Stellungnahme. Ziel sei ein "professioneller, fairer und von gegenseitigem Respekt geprägter Umgang". Darauf hätten sich die Sechziger bereits bei einem Schlichtunsgtermin unter Führung Verbandes Deutscher Sportjournalisten (VDS) mit den betroffen Zeitungen geeinigt. "Das damalige Ergebnis war ein Konsens aller Beteiligten", teilte die DFL mit. Verbessert hat sich die Situation aber nicht.

Seit seinem Einstieg bei den Löwen 2011 soll Ismaik rund 60 Millionen Euro in das Profiteam investiert haben. Der angestrebte Aufstieg in die Bundesliga ist bislang dennoch nicht gelungen. Ismaik fordert die Abschaffung der 50+1-Regel, da er noch mehr Anteile an den Sechzigern erwerben möchte. Aufgrund der aktuellen Regelung dürfen derzeit Investoren oder Konsortien keine Stimmenmehrheit bei Klubs der Deutschen Fußball Liga (DFL) übernehmen.

Martin Kind hat Mitleid

Hannover-Präsident Martin Kind, ebenfalls ein Gegner von 50+1, hat Mitleid mit Ismaik. "Bei 1860 tut mir der Investor leid. Er hat das deutsche Recht nicht verstanden und verbrennt jetzt jede Menge Geld, das er nie wiedersieht", sagte Kind Anfang des Jahres bei einem Kongress in Düsseldorf. Dass der jordanische Geldgeber an der Grünwalder Straße das Sagen hat und Vereinsvertreter nicht gegen den unberechenbaren Geschäftsmann ankommen, wurde in der Vergangenheit jedoch immer wieder offensichtlich.

Er behandelt den Klub nämlich sogar ohne rechtliche Befugnis wie sein Eigentum. Ismaik feuert Trainer und Manager, er stellt teure Funktionsträger von eigenen Gnaden ein und verpflichtet neue Spieler. Nicht offiziell natürlich, aber es gibt wenig Zweifel, wer in München das Sagen hat. Im November 2016 wollte die Deutsche Fußball Liga (DFL) vom Verein deshalb auch ganz genau wissen, wie es zur Beurlaubung von Trainer Kosta Runjaic kam.

Vor allem der Rückzug von Karl-Christian Bay ist bezeichnend für die Entwicklungen bei den Sechzigern, wo immer mehr Willkür zu herrschen scheint. Bay war Ismaiks Stellvertreter als Chef im Aufsichtsrat, außerdem Vorsitzender des Verwaltungsrats und Mitglied im Beirat — also neben Präsident Peter Cassalette der wichtigste Vertreter von Vereinsseite in den Gremien der ausgegliederten Profi-Abteilung. Im Herbst schmiss er hin. "Mein Ziel einer Stabilisierung, Professionalisierung und Weiterentwicklung der KGaA einerseits sowie der Umsetzung einer Zukunftsvision für unseren Verein andererseits ist in den derzeitigen Strukturen nicht umsetzbar und erfordert neue Kräfte und Ideen", wurde er damals in der offiziellen Pressemitteilung zitiert.

Für den ehemaligen DFL-Geschäftsführer Rettig hat der Vorfall am Wochende das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht. Er forderte seinen früheren Arbeitgeber und den Deutschen Fußball-Bund (DFB) dazu auf, einzuschreiten. "Hier würde ich mir auch ein konsequenteres Eingreifen der Verbände wünschen. Jedes Spruchband wird sanktioniert, und hier ist man auf beiden Augen blind", sagte der 53-Jährige. Die DFL kritisierte zwar den Umgang der Löwen mit der Presse, verwies aber auf das Hausrecht. Die "11Freunde" schrieb derweil am Montag: "Schluss mit lustig!"

(areh)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort