Kolumne Gegenpressing 1860 München und das große Geschäft

Der Münchner Verein lebt von der Folklore. Aber ein Investor aus Jordanien arbeitet kräftig daran, dem Klub das Unverwechselbare zu nehmen. Er regiert nach Gutdünken und vergisst die Basis. Jetzt wird sogar schon hinter Sichtschutz trainiert.

Das ist 1860-Investor Hasan Ismaik
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Foto: dpa, geb nic hak

Es war einmal ein ziemlich uriger Verein. Er hieß 1860 München. In den 1960er Jahren gewann er die deutsche Meisterschaft. Und wenn er spielte, dann kamen die Münchner ins Stadion an der Grünwalder Straße. Bayerisch war die Amtssprache. Und vom FC Bayern, dem kleinen Nachbarn, redete kein Mensch.

Inzwischen redet alle Welt über den FC Bayern, der längst der große Nachbar ist. Damit zumindest ein paar Menschen noch über den Turn- und Sportverein 1860 reden, haben ein paar Funktionäre den jordanischen Geschäftsmann Hasan Ismaik auf die Bühne gerufen. Vor fünf Jahren ging es den 60ern mal wieder furchtbar schlecht, und sie nahmen dankbar Ismaiks großherziges Angebot zur Zusammenarbeit an. Der Jordanier wollte neben dem anstrengenden Öl- und Immobilienhandel auch ein bisschen im Fußballgeschäft mitmachen, und er erwarb 60 Prozent der Anteile an der aus dem Gesamtverein ausgegliederten Profifußball-Abteilung.

Die 60er sahen sich bereits auf dem Rückweg in die europäischen Wettbewerbe, und sie erzählten dem reichen Mann aus dem Nahen Osten lieber nicht, dass die Regeln der Deutschen Fußball Liga (DFL) eine völlige Übernahme eines ganzen Vereins (noch) verbieten. Vermutlich hätte es Ismaik nicht einmal interessiert.

Er behandelt den Klub nämlich sogar ohne rechtliche Befugnis wie sein Eigentum. Ismaik feuert Trainer und Manager, er stellt teure Funktionsträger von eigenen Gnaden ein. Er verpflichtet neue Spieler, und er setzt sich den Weltstar Clarence Seedorf als Berater auf die Tribüne.

Das alles werden die Münchner sich vielleicht noch gefallen lassen, weil es irgendwann mal zum Erfolg führen könnte. Doch die jüngste Baumaßnahme bringt das Fass zum Überlaufen. Der Zweitligist hat den Trainingsplatz mit Planen den neugierigen Blicken der Fans entzogen. Vom Löwenstüberl und vom angrenzenden Biergarten kann nun niemand mehr beim Weißbier oder bei der Maß die völlig unzureichenden fußballerischen Vorstellungen der Profis entsprechend kommentieren. Unerträglich.

Schließlich ist das Löwenstüberl nichts weniger als die Fortsetzung des Hofbräuhauses im Stadtteil Giesing. Es ist gelebte Folklore mit Gamsbart und Stammplätzen für die Urviecher aus dem Vereinsanhang. Wer das ausschließt, der hat den Verein nicht verstanden.

Aber auch das haben die "Löwen"-Funktionäre dem Investor nicht erklärt. Sie glauben immer noch, dass seine Millionen den großen Fußball zurückbringen an die Grünwalder Straße. Die Tabelle bildet einstweilen das Gegenteil ab. Zumindest das könnte mal einer dem Geschäftsmann aus Jordanien stecken, damit der sich bald wieder auf Öl und Immobilien konzentriert. Dann gibt es wenigstens wieder einen ziemlich urigen Verein.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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