Flugzeugabsturz in Kolumbien Wie geht es eigentlich den Überlebenden der Chape-Katastrophe?

Düsseldorf · Torwart Jackson Follmann überlebte zusammen mit fünf anderen Menschen den Flugzeugabsturz des brasilianischen Erstligisten Chapecoense. Inzwischen kämpft er sich zurück in den Alltag und für ein neues sportliches Ziel. Auch den anderen fünf geht es besser.

 Jackson Follmann erhält in der Arena Condá in Chapecó (Brasilien) den Sudamericana-Pokal.

Jackson Follmann erhält in der Arena Condá in Chapecó (Brasilien) den Sudamericana-Pokal.

Foto: dpa, pai fgj

Es sollte eine historischer Finaltag werden: Zum ersten Mal stand das Team von Chapecoense im Finale eines internationalen Vereinspokals. Die Mannschaft war am 28. November 2016 auf dem Weg zum Finale der Copa Sudamericana gegen Atletico Nacional in Kolumbien. Das Finale wäre das größte Spiel der Vereinsgeschichte gewesen. Es endete bereits bei der Anreise in einer Tragödie. Kurz vor der Ankunft stürzte das Flugzeug in der Nähe von Medellin mit 77 Menschen an Bord ab. 71 Menschen starben, sechs überlebten. Einer davon war Follmann.

Schwer verletzt wurde der Chapecoense-Profi von Rettungskräften ins Krankenhaus gebracht. Die Ärzte mussten ihm aufgrund der schweren Verletzung den rechten Unterschenkel amputieren. Nach 56 Tagen durfte der 24-Jährige die Klinik verlassen.

Im Januar wurde ihm, noch im Rollstuhl sitzend, der Pokal der Copa Sudamericana übergeben. Unter Tränen nahm er stellvertretend für seine verstorbenen Teamkollegen die Trophäe entgegen. Bei dem Absturz hatte er 19 Mitspieler und 17 weitere Teamitglieder verloren. Finalgegner Atletico Nacional bestand in einer großen Geste darauf, dass Chapecoense den Copa-Sudamericana-Titel erhält.

Anschließend setzte Follmann seine Reha in Sao Paulo fort, wo er eine Prothese an den teilamputierten rechten Unterschenkel angepasst bekam. Mit der Hilfe der Prothese kann Follmann wieder laufen. In in der Physiotherapie hält er sich fit und schmiedet sportliche Pläne.

Paralympics als großes Ziel

Denn Follmanns Wille ist ungebrochen, neue Ziele bestimmen seinen Weg zur Reha. "Ich kann nicht einfach in der Ecke sitzen und mich selbst bemitleiden. Es geht mir gut, es ist nicht viel passiert. Ich bin sehr glücklich", sagt er in einem Videointerview.

Die Verbundenheit und die Leidenschaft zum Sport treiben ihn an. "Ich möchte so viel tun. Ich werde nie aufhören, Sport zu treiben, ich liebe Sport." Er sehe sich mehr als Athlet als je zuvor. Die Bein-Amputation soll ihn davon nicht abhalten. Der ehemalige Ersatzkeeper ist voller Tatendrang. "Ich möchte so viel Neues kennenlernen", sagt er sichtlich berührt.

Unter "Neues" fällt auch die Herausforderung Paralympische Spiele, die sich der ambitionierte Sportler fest vorgenommen hat. In welcher Sportart Follmann bei den Paralympics antreten möchte, ist noch unklar. Auf Einladung traf er sich bereits mit dem brasilianischen Paralympics-Volleyballern.

Auf seinem Instagram-Account lässt er die Öffentlichkeit an seinem Weg zurück in die Normalität teilhaben. Seine Bilder zeugen vom harten Alltag in der Reha oder auf dem Laufband, zeigen aber auch einen jungen Mann, der lächelnd mit seiner Freundin am Strand posiert und als Gast in einer TV-Show auftritt. So wichtig die sportlichen Ziele scheinen, sind es doch die "normalen" Zukunftspläne, die nach dieser Tragödie noch viel wichtiger erscheinen. "Ich werde heiraten. Ich will wieder ein normales Leben führen."

Zwei weitere Chapecoense-Spieler überlebten

Neben Follmann, einem brasilianischen Journalisten und zwei bolivianischen Crewmitglieder überlebten zwei weitere Spieler des Klubs: Wie alle Überlebenden befanden sie sich im hinteren Teil der Maschine. Verteidiger Helio Neto lag nach dem Absturz lange Zeit im Koma. Er erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma und mehrere offene Brüche. Doch die Heilung macht inzwischen Fortschritte, auch Neto kann wieder laufen und schaut zuversichtlich in die Zukunft. "Ich denke, ich werde wieder spielen können." Wenn es mit dem Comeback klappt, dann natürlich für Chapecoense.

Teamkollege Alan Ruschel, der Rechtsaußen des Klubs, kam mit einer Operation an der Wirbelsäule verhältnismäßig glimpflich davon. Er postet bereits Videos, die ihn auf dem Laufband zeigen und fröhliche Bilder am Strand mit seiner Frau. Ruschel will im Mai wieder mit dem Training beginnen und ein Comeback im Profi-Fußball versuchen.

Radiomoderator Rafael Henzel ist die Rückkehr zum Fußball bereits gelungen. Der Journalist, der die Mannschaft zum Finale begleiten wollte, erlitt mehrere Rippenbrüche und eine Lungenentzündung im Krankenhaus. In der Klinik erholte er sich von seinen Verletzungen, seine Frau war bei ihm.

Seine Kollegen, die auf den Plätzen neben ihm gesessen hatten, starben. Mittlerweile ist der 43-Jährige wieder auf Sendung. Beim ersten Spiel der neu formierten Mannschaft Ende Januar saß er wie gewohnt auf der Tribüne und kommentierte das Spiel von Chapecoense. Ein Stück Normalität für ihn und den Klub.

(ems)
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