Rainer Koch über die Regionalliga "Es trifft meist Vereine, die sich als Profi-Vereine sehen"

München · Der zuständige DFB-Vizepräsident Rainer Koch wehrt sich im dpa-Interview gegen den Vorwurf, die finanziellen Probleme vieler Regionalligisten lägen in der Liga-Struktur begründet. Sie seien von den Vereinen hausgemacht, sagt er.

 DFB-Vizepräsident Rainer Koch.

DFB-Vizepräsident Rainer Koch.

Foto: dpa, cch jhe hak nic

Angesichts mehrerer Insolvenzen und Überschuldungen haben Vereine die Struktur der Fußball-Regionalligen kritisiert. Nun reagiert der im DFB zuständige Vizepräsident Rainer Koch im dpa-Interview.

Herr Koch, in den Regionalligen haben einige Vereine finanzielle Probleme, Alemannia Aachen hat sogar Insolvenz angemeldet. Viele von ihnen sehen das System der 4. Liga als Grund für ihre Sorgen. Haben sie Recht?

Rainer Koch: Wenn ein Verein finanzielle Probleme hat, liegt es unabhängig von der Liga vorrangig fast immer daran, dass er planmäßig mehr Geld ausgibt als er einnimmt. Wenn es am System der Regionalliga liegen würde, hätten vor allem die Vereine Probleme, die einen geringen Etat haben. In Wahrheit sind es aber fast immer die Vereine mit dem höchsten Etat. In den Regionalligen Nord, Nordost und Bayern, wo die Etats im Durchschnitt am niedrigsten sind, haben viel weniger Vereine wirtschaftliche Probleme als in der dichter besiedelten Westhälfte Deutschlands, wo die Zuschauerzahlen und damit auch die Budgets naturgemäß höher sind.

Also haben sich die betreffenden Vereine in Ihren Augen schlichtweg übernommen?

Koch: Diese Schlussfolgerung erscheint naheliegend. Alemannia Aachen hat mit den höchsten Zuschauerschnitt aller Regionalligisten. Wenn ich mit mehr als 6500 Zuschauern pro Spiel nicht auskomme, kann es nicht an der Regionalliga als solcher liegen, wenn andererseits viele Vereine mit 1000 Zuschauern im Schnitt auskommen können.

Das Problem der Regionalliga ist aber, dass viele Vereine einfach nur aus ihr herauswollen.

Koch: Richtig, bei manchen Vereinen ist es offenkundig, dass sie nichts mit der Regionalliga zu tun haben wollen. Nur: Genau deshalb können die Wünsche dieser Vereine nicht alleine maßgeblich für den Zuschnitt der Regionalligen sein. Die Regionalliga ist eben auch für viel mehr Vereine die höchste machbare Amateurspielklasse, die Champions League der Amateure. Ihre Wünsche gilt es bei der Gestaltung der Ligastruktur genauso zu respektieren.

Trifft es deshalb vor allem Traditionsvereine?

Koch: Es trifft meist Vereine, die sich als Profi-Vereine sehen, ihre Etats nicht an die Struktur der Regionalliga anpassen und sich dabei wirtschaftlich übernehmen.

Gibt es denn in Ihren Augen ein grundsätzliches Strukturproblem? Vor allem die Tatsache, dass die Regionalliga-Meister nicht automatisch aufsteigen, wird immer wieder kritisiert.

Koch: Auch ich finde das nicht optimal. Das Strukturproblem besteht allerdings darin, dass wir oberhalb der Regionalligen keinen Pyramidenaufbau mehr haben, weil es keine zweigleisige 3. Liga gibt. Hätten wir die, könnten alle Regionalliga-Meister aufsteigen. Aber es gibt sehr gute sportliche und wirtschaftliche Gründe für die eingleisige 3. Liga. Deshalb müssen wir leider bis auf weiteres mit der Relegation für die fünf Regionalliga-Meister und den Südwest-Zweiten leben. Das ist beileibe nicht ideal, aber eine bessere und vor allem mehrheitsfähige Alternative wurde bislang noch von niemandem vorgeschlagen. Eine Rückkehr zur dreigleisigen Regionalliga kommt nicht in Betracht, denn sie wurde abgeschafft, weil viele vor allem kleine und mittlere Vereine pleitegegangen oder vor wirtschaftlich unlösbare Probleme gestellt worden sind. Über das Modell, wie man aus sechs Qualifizierten bestmöglich drei Aufsteiger macht, kann und sollte man hingegen weiter diskutieren.

Also wird das Modell in absehbarer Zukunft nicht verändert?

Koch: Jedenfalls wurde die Regionalliga-Struktur in den letzten Jahren ausführlich diskutiert, ohne dass auf dem letzten DFB-Bundestag auch nur ein einziger Änderungsantrag gestellt worden wäre. Fakt ist: Bis heute ist noch niemand mit einem besseren, umsetzbaren Vorschlag gekommen, der kompromissfähig wäre und Aussicht auf die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit beim DFB-Bundestag hätte.

Hoffen Sie darauf, dass Beispiele wie das von Aachen oder anderen prominenten Schulden-Clubs als Warnung taugen und ein Umdenken bewirken?

Koch: Ich hoffe sehr, dass alle Vereine ihre Budgets vernünftig, das heißt finanzierbar gestalten und zwar auch für den Fall des Abstiegs oder des Nicht-Aufstiegs. Zwei Insolvenzen in fünf Jahren sind völlig inakzeptabel und Negativwerbung für den Fußball! Die überwiegende Mehrzahl der Vereine kommt in der Regionalliga trotz aller wirtschaftlichen Herausforderungen vernünftig zurecht, das belegen alle Untersuchungen. Es gibt durchaus zahlreiche und immer mehr werdende Vereine, die nur das ausgeben, was sie zur Verfügung haben. Und die eben auch lieber mit dem Risiko leben unter Umständen mal absteigen zu müssen, als sich hoch zu verschulden und dann womöglich doch nicht aufzusteigen oder abzusteigen. So wie das zum Beispiel der SC Freiburg jahrelang in der Bundesliga gehandhabt hat. Wenn dieses Prinzip gewahrt wird, funktioniert das System, das gilt von der Bundesliga bis in die Amateurklassen und eben auch, wie zahlreiche Vereine beweisen, in der Regionalliga.

Ist das Problem vergleichbar mit dem im Doping? Wenn einige anfangen mit dem Wettbieten, glauben andere mitmachen zu müssen, um überhaupt halbwegs mithalten zu können.

Koch: Mit Doping ist nichts vergleichbar, denn Doping zerstört den Sport! Richtig aber ist, dass man nicht um jeden Preis um jeden Spieler mitbieten oder mitpokern darf und den Spielern nicht nur um des angestrebten sportlichen Erfolges willen jedes geforderte Gehalt zahlt. Die vierte Liga ist allenfalls eine Halbprofi-Liga, für nicht wenige Vereine sogar nur die oberste Amateurfußballliga. Und wer sich dort Vollprofitum leistet, kann nicht erwarten, dass ihm das andere finanzieren. Das kann auf Dauer nicht gut gehen.

(dpa)
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