RWE und Alemannia Gefangen im Amateurfußball

Düsseldorf · Am Freitag trifft Rot-Weiss Essen auf Alemannia Aachen - zwei ehemalige Bundesligisten mit großer Tradition. Heute sind sie Leidensgenossen in der vierten Liga. Die Befürchtung ist groß, dass der Zug zurück ins Profigeschäft abgefahren ist.

 1955 wurde Rot-Weiss Essen deutscher Meister.

1955 wurde Rot-Weiss Essen deutscher Meister.

Foto: Imago

Ab und an jubeln sie noch in Essen. Wie am Dienstag, als Rot-Weiss im Niederrheinpokal-Halbfinale beim Wuppertaler SV mit 3:2 siegte. Es war wohl der entscheidende Schritt in die erste Runde des DFB-Pokals in der kommenden Spielzeit. So lebt der Traum vom großen Los: Bayern München, Borussia Dortmund, Schalke 04. Der Traum von Duellen, die sie in Essen früher wöchentlich zu sehen bekamen. Spätestens am Freitag wachen sie aus dem Traum aber wieder auf. Die triste Realität heißt Regionalliga West - vierte Liga. Der Gegner ist der Leidensgenosse aus Aachen. Alemannia und RWE, zwei Traditionsvereine, die in der Versenkung verschwunden sind. Und - noch schlimmer - deren Weg zurück in den Profifußball verbaut erscheint.

Seit 2011 (Essen) und 2013 (Aachen) sind die Klubs viertklassig. Am Fanzuspruch liegt das sicher nicht. Beide haben einen Zuschauerschnitt um 7000 Besucher und stehen damit besser da als Zweitligist SV Sandhausen. Im Februar 2015 pilgerten gar 30.313 Fans zum Aachener Tivoli um die Partie gegen RWE zu verfolgen - Viertliga-Rekord. Am Freitag (19.30 Uhr) werden in Essen knapp 10.000 Anhänger erwartet. Die Probleme liegen vielmehr in den Vereinen und auch in der Regionalliga-Reform des Deutschen Fußball-Bundes (DFB).

Rot-Weiss Essen und Alemannia Aachen: Gefangen im Amateurfußball
Foto: Imago / Grafik: Ferl

In der vergangenen Woche hat die Alemannia Aachen Spielbetriebs-GmbH zum zweiten Mal nach 2012 Antrag auf Insolvenz gestellt. Neun Punkte sollen dem Tabellenfünften abgezogen werden. Das würde urplötzlich Abstiegskampf bedeuten. Ein großes finanzielles Problem ist das Stadion. Der 46 Millionen Euro teure Tivoli wurde 2009 eröffnet. Zwei Abstiege und eine Insolvenz später ist die für die Regionalliga völlig überdimensionierte Arena mehr Last als Lust. Zudem stellte der Hauptsponsor im Winter einen Teil seiner Zahlungen ein. Neue Investoren wollen erst einsteigen, wenn die drohende Millionen-Steuerschuld aus "Sanierungsgewinnen" der Insolvenz 2012 ausgeräumt ist. Von der Stadt Aachen, die seit 2015 nahezu alleine die Kosten des Tivoli (zwei Millionen Euro jährlich) stemmt, kann der Verein keine neuen Hilfen erwarten. Die Zukunft der Alemannia, die 1969 Vizemeister war, ist mehr als ungewiss.

In Essen kennen sie sich mit Insolvenzverfahren ebenfalls bestens aus: Anfang Juni 2010 musste der damalige Viertligist Zahlungsunfähigkeit beim Essener Amtsgericht anmelden. Misswirtschaft, falsche Personalentscheidungen und fehlender sportlicher Erfolg trieben den Traditionsverein, der 1955 mit dem legendären Weltmeisterstürmer Helmut Rahn Deutscher Meister wurde, in die Fünftklassigkeit.

Wie so oft in schweren Zeiten konnte sich der Verein aus dem Stadtteil Bergeborbeck aber auf die Unterstützung seiner treuen Anhänger verlassen. Selbst in der NRW-Liga strömten die Massen ins damalige Georg-Melches-Stadion (Zuschauerschnitt: 7081) und feierten am Saisonende den sofortigen Wiederaufstieg. Seitdem sind die Rot-Weissen allerdings auch nicht wirklich weitergekommen. Vier Trainer und zwei Interimstrainer halfen nicht. RWE dümpelt im grauen Tabellenmittelfeld der Regionalliga herum - ohne jegliche Aufstiegschance.

Um wieder bessere Zeiten an der Hafenstraße zu erleben, riefen die Verantwortlichen um den Vorsitzenden Michael Welling 2016 die Kampagne "Zusammen Hoch 3" ins Leben. Der Plan: Innerhalb von drei Jahren soll mit Unterstützung aus Wirtschaft, Politik, Kultur und Wissenschaft die Rückkehr in den Profifußball realisiert werden. "Wir sind wirtschaftlich konsolidiert, wir sind infrastrukturell gut aufgestellt, wir haben den Nachwuchs dahin geführt, wo er hingehört. Nun wollen wir den nächsten Schritt machen", sagte Welling.

Dabei gibt es aber einen weiteren Stolperstein: Denn der DFB hat durch seine Regionalliga-Reform im Jahr 2012 die Aufstiegsbedingungen deutlich erschwert. Aus drei wurden fünf Regionalligen, was zur Folge hat, dass die Meister der jeweiligen Landesstaffel nicht mehr automatisch in die dritte Liga aufsteigen, sondern erst an einer Relegation teilnehmen müssen. Heißt: Ein Team kann mit 34 Siegen Meister werden und im schlechtesten Fall, mit zwei Unentschieden in den Aufstiegsspielen scheitern. Kein Grund für Jubel in Essen - und Aachen.

(RP)
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