Ob die Aussagen im Vorfeld der Partie nun nur ein öffentlicher Bluff waren, oder etwa dafür sorgten, dass die Mannschaft völlig befreit aufspielen konnte, ist Makulatur. Fest steht: Mit einer taktisch einwandfreien Leistung eroberte Bayer 04 das ehemalige Westfalenstadion und siegte verdient mit 2:0 (1:0).

Angestellte beider Teams gaben nach der Partie zu Protokoll, dass das schnellste Tor der Bundesliga-Geschichte durch Karim Bellarabi nach nur neun Sekunden entscheidenden Anteil am Spielverlauf hatte. Was aber viel entscheidender war, waren die 45 Minuten nach dem frühen 1:0. Bei Dortmunder Ballbesitz verwandelte sich das 4-2-2-2 der Bayer-Elf in ein 4-2-4. Die vordere Viererkette mit Heung-Min Son, Hakan Calhanoglu, Stefan Kießling und Bellarabi stand hoch aufgerückt in der gegnerischen Hälfte.

Den Dortmunder Innenverteidigern blieb somit entweder die Möglichkeit eines langen Balles in die Tiefe - was aber nicht der Klopp'schen Spielidee entspricht - oder ein Pass auf einen der beiden Außenverteidiger. Sobald dieser Ball aber den Fuß des Innenverteidigers in Richtung Seitenlinie verließ, hieß es bei Bayer: Auf sie mit Gebrüll! Dabei attackierte auch der jeweilige Leverkusener Außenverteidiger, Sebastian Boenisch oder Tin Jedvaj, mit. Gelang es der Borussia dennoch einmal auf Außen durchzubrechen, störte einer der Innenverteidiger, Emir Spahic oder Ömer Toprak, den nächsten Dortmunder bereits bei der Ballannahme - meist entscheidend.

Kam der Vizemeister mal durch die Mitte, verteidigten der extrem zweikampfstarke und giftige Gonzalo Castro oder Simon Rolfes mit Vehemenz, notfalls auch per taktischem Foul. Die Dortmunder wussten nicht, wie ihnen geschah. Trainer Jürgen Klopp gestikulierte von Minute zu Minute heftiger an der Außenlinie, betonte später auf die Frage, ob Bayer so gespielt hätte, wie Borussia eigentlich spielen wolle: "So aggressiv spielen wir nicht. Das ist dermaßen ballorientiert. Wären wir einmal mit einem Flankenwechsel auf die andere Seite gekommen, wären zwei Mann durch gewesen." Kamen sie aber nicht.

Bayer-Geschäftsführer Michael Schade gab zu: "In der Halbzeit habe ich mich schon gefragt, ob wir das Tempo 90 Minuten durchhalten." Die Antwort gab sein Team mit einem "Jein". Die Werkself blieb aggressiv, verteidigte aber nicht mehr so weit in der gegnerischen Hälfte, attackierte in der 4-2-4-Formation etwas später und auch nicht mehr ganz so entschlossen wie im ersten Durchgang. Ohne dabei allerdings nennenswerte Gelegenheiten zuzulassen.

Nach einer Stunde brachte Schmidt dann Stefan Reinartz für Rolfes, zehn Minuten vor dem Abpfiff Kyriakos Papadopoulos für Calhanoglu. Die kräfteraubende Spielweise zeigte leichte Verschleißerscheinungen, Dortmund kam noch einmal auf. Torhüter Bernd Leno wurde in den letzten fünf Minuten drei Mal richtig gefordert, ehe der lauffreudige Kießling mit dem Abpfiff die mitgereisten Bayer-Anhänger erlöste.

Kapitän Rolfes: "Wir haben wieder ein Stück mehr Selbstvertrauen für das neue System gesammelt." Er warnte aber auch: "Es ist wichtig, dass jeder seine Aufgabe erfüllt. Bei diesem System müssen wir als ganzes Team verteidigen. Wenn einer aus der Rolle fällt, wird es schwierig." Am Mittwoch wartet das Rückspiel der Champions-League-Play-offs gegen Kopenhagen. Die Heimpremiere für Schmidt und seinen hemmungslosen Offensivfußball.