Bayer Leverkusen Das muss der neue Trainer mitbringen

Leverkusen · Nur als selbstbewusstes Gegengewicht zur sportlichen Führung kann ein Bayer-Trainer erfolgreich und langfristig arbeiten.

Sascha Lewandowski leitet Training als Chefcoach
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Die Sehnsucht nach einem Titel hat in Leverkusen Konkurrenz bekommen. Von der Sehnsucht nach einem Trainer, der auch dann noch da ist, wenn kurzfristige Arbeit in den Bereich des Mittel- und Langfristigen geht. Den Amtszeit-Rekord bei Bayer 04 in diesem Jahrtausend hält Michael Skibbe mit zwei Jahren und sieben Monaten. Doch was ist das entscheidende Etwas, das der nächste Trainer mitbringen muss, um erfolgreich und lange in Leverkusen arbeiten zu können? Antwort: Er muss sich von der Vita und vom Charakter her als selbstbewusstes Gegengewicht zur sportlichen Führung positionieren, eigene Einflusssphären abgrenzen, und er darf nicht zu allem "Ja und Amen" sagen. Jupp Heynckes hat vorgemacht, wie es gehen kann. Er konnte es. Weil er bereits ein prominenter Trainer war, kein Frischling. Weil er zuvor auch ein prominenter Profi war. Seine Brust war breit. Seine Schultern auch. Das nutzte er. Er wusste genau, wie er jeden Spieler anpacken musste.

Heynckes war beispielsweise kein Fan der Rückholaktion von Michael Ballack, und so ließ er sich auch von niemandem drängen, auf die prominente Personalie besondere Rücksicht zu nehmen — Name hin, Werbewert her. Als der damalige Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser im November 2010 kundtat, man müsse eine Zäsur im Kader vornehmen, wenn Platz drei am Saisonende verfehlt würde, konterte Heynckes: "Ich kann nicht verhindern, dass die Verantwortlichen im Verein Ziele ausgeben, aber ich lasse mich davon nicht beeindrucken."

Seine Nachfolger Robin Dutt, Sami Hyypiä oder Sascha Lewandowski präferierten dagegen ganz klar die Rolle des weisungsgebundenen, loyalen Angestellten, der Aspekte wie Kaderplanung in der Öffentlichkeit nur allzu freiwillig in den Bereich der sportlichen Leitung weiterschob. Die Bayer-Profis merken derweil schnell, ob ein Trainer seinen Claim absteckt oder ob er zulässt, dass von anderer Stelle reingeredet werden kann.

Nun wollen die Bayer-Verantwortlichen den perfekten Trainer finden, sie wollen den Kader unter die Lupe nehmen, Personal austauschen, die Mentalität der zu schnellen Zufriedenheit beenden. Neu sind diese Ziele allerdings nicht. Schon Bruno Labbadia erzählte davon in seinem berüchtigten Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" im Mai 2009. Es wurde "deutlich darauf hingewiesen, dass der Klub eine neue Mentalität in der Mannschaft will", sagte Labbadia damals. Und er sagte: "Ich habe mich auch deshalb für Bayer Leverkusen entschieden, weil ich das Gefühl hatte, alle wollen genau diesen Weg mitgehen. Ich hatte in den Gesprächen darauf hingewiesen, dass wir raus müssen aus der Komfortzone. Aber letztlich bin ich damit angeeckt." Dutt beschrieb denselben Auftrag vor zweieinhalb Jahren, im Oktober 2011, mit anderen Worten: "Mir wurden ein paar Punkte mit auf den Weg gegeben, die ich ändern sollte", sagte er. Letztlich scheiterte er am Ändern.

Was sämtliche Bayer-Trainer der jüngeren Vergangenheit überlebt hat, sind erstens die sportliche Führung und zweitens die Mentalität der Angestellten in kurzen Hosen. Auf beide wird der Neue ab dem 1. Juli treffen. Erfolg haben kann er nur dann, wenn er in seinem Kompetenzbereich genügend Distanz zu ersterer hält, um zweitere verändern zu können. Vielleicht ruft er einfach vor dem 1. Juli mal Jupp Heynckes an.

(RP)
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