Bayer 04 Leverkusen Der Star ist die Werkself

Leverkusen · Seitdem Trainer Heiko Herrlich die sportlichen Geschicke unter dem Bayer-Kreuz lenkt, hat sich in Leverkusen vieles zum Positiven gewandelt. Das liegt unter anderem an der Art des 46-Jährigen - aber auch an den Charakteren im Team.

 Ein oft gesehenes Bild in dieser Spielzeit: Die Werkself feiert einen Sieg mit dem eigenen Anhang.

Ein oft gesehenes Bild in dieser Spielzeit: Die Werkself feiert einen Sieg mit dem eigenen Anhang.

Foto: imago

Kaum ein anderer Satz wird derart mit dem Gewinn der Europameisterschaft 1996 in Verbindung gebracht, wie der des damaligen Bundestrainers Berti Vogts: "Die Mannschaft ist der Star." Der Spruch des heute 71-Jährigen für das Turnier in England sollte einer Mannschaft Respekt zollen, in der Spieler persönliche Interessen freimütig hinten anstellten - ganz im Sinne des Teamerfolgs. Das Credo des gebürtigen Kaarsters ließe sich mit wenig Fantasie auch auf die nach dem Erreichen des Pokal-Halbfinals auf Wolke sieben schwebende Werkself übertragen. Denn wer bei Bayer 04 nach den Gründen für den Aufschwung fragen würde, bekäme wohl kaum den Namen eines einzelnen Spielers genannt. Für diese Saison gilt: Bei Bayer 04 ist die Werkself der Star.

Freilich gibt es auch aktuell wieder Profis, die hervorstechen. Flügelstürmer Leon Bailey etwa, der sich auf die Spickzettel vieler Top-Klubs gedribbelt haben dürfte. Oder Kevin Volland, der sich dank seiner zehn Saisontore wieder Hoffnung auf ein WM-Ticket machen darf. Alles wird jedoch überstrahlt vom "überragenden Teamgeist", wie Bailey es umschreibt.

Denn der spiegelt sich nicht nur auf dem Platz im Sinne von Einsatz, Kampf und Leidenschaft für den Mitspieler wider, sondern auch am Spielfeldrand. Etwa wenn Routinier Stefan Kießling, der beim Pokal-Triumph gegen Bremen erstmals seit vielen Wochen wieder zum Kader gehörte, jungen Spieler wie Jonathan Tah und Bailey vor Beginn der Verlängerung Mut zuspricht und sich anschließend über das Weiterkommen freut, als wäre es seine erste Profisaison. Der wiedergefundene Zusammenhalt ist auch von Leverkusens Sportchef Rudi Völler mit Wohlwollen registriert worden. Er sagte: "Wir haben wieder eine gewisse Ruhe - und eine gewisse Gier."

Wenn dann doch ein Name genannt werden muss, der für den positiven Wandel der Werkself steht, ist es sicher der des Trainers Heiko Herrlich. Der 46-Jährige sammelte bei seinem TV-Auftritt im ARD-"Sportschauclub" am späten Mittwochabend erneut Sympathiepunkte - und gab Einblick in den Umgang mit seinen Spielern. "Ich habe einen Sohn, der ist 14 Jahre alt und ich stelle mir vor, wenn er jetzt ein paar Jahre älter und ein Teil dieser Mannschaft wäre: Wie würde ich mit ihm umgehen, wenn ich jetzt Trainer wäre und ihm klarmachen müsste, dass er nicht spielt? Diesen Respekt versuche ich jedem einzelnen Spieler zu geben, als wäre es mein eigener Sohn", erläuterte der Bayer-Coach im TV.

Der überaus menschliche Umgang mit seinen Profis, auch wenn diese zum Teil nicht mehr die erste Geige spielen, zeichnet Herrlich aus. Neben seiner taktischen Variabilität unterscheidet es ihn zudem von dem ein oder anderen seiner Vorgänger unter dem Bayer-Kreuz, zu deren Stärken nicht immer zwingend das Zwischenmenschliche gehörte.

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Gleichwohl Herrlich auch polarisieren kann, wie zum Beispiel mit seiner Schwalbe in Mönchengladbach, haben die vergangenen Wochen und Monate bewiesen, dass die Klubführung mit der durchaus risikoreichen Verpflichtung des ehemaligen Regensburgers einen Glücksgriff gelandet hat. Die Werkself versteht sich wieder als Mannschaft, als geschlossene Einheit, deren Zielen sich der Einzelne unterzuordnen hat. Führungsspieler wie der im Sommer neu hinzugekommene Sven Bender und sein Bruder Lars, der Kapitän ist wegen eines gegen Bremen erlittenen Faserrisses für mehrere Wochen ausfallen wird, sorgen zudem für eine klare Hierarchie in der Mannschaft.

All das ist jedoch freilich wenig wert, bliebe der Erfolg aus. Um den zweiten Platz in der Liga zu behaupten, muss Bayer 04 also weiter kontinuierlich punkten - im Idealfall besten schon morgen gegen den Hauptstadtklub Hertha BSC Berlin (15.30 Uhr, BayArena).

(sb)
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