Leverkusens zwei Gesichter Gute Seiten, schlechte Seiten

Leverkusen · Nach dem 5:1-Sieg in Mönchengladbach gibt es aus Bayer-Sicht nur eine Frage: Warum eigentlich nicht gleich so? Nicht nur Bernd Leno sieht in der furiosen zweiten Halbzeit das wahre Potenzial der Werkself. Es muss nur konstant abgerufen werden.

Borussia - Bayer 04 Leverkusen: die Werkself in der Einzelkritik
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Borussia - Bayer 04: die Werkself in der Einzelkritik

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Foto: dpa, mb gfh

Nach dem spektakulären 5:1 (0:1)-Derbysieg in Mönchengladbach überschlagen sich die Lobeshymnen auf die Werkself. Das ist zumindest auf die zweiten 45 Minuten bezogen auch berechtigt. Heiko Herrlich wählte bei seiner Beschreibung der Partie dennoch eine betont ausgewogene Perspektive für die Nachbetrachtung: "Wir haben aus einem schlechten Spiel ein gutes gemacht", lautete das knappe Resümee des Trainers. "Riesenglück" habe sein Team gehabt, dass das 0:2 nicht falle.

Das ist korrekt. Hätte die Elf von Dieter Hecking eine weitere ihrer zahlreichen Chancen in der ersten Halbzeit genutzt, wäre ein Comeback in dieser Größenordnung wohl kaum möglich gewesen. "Der Dosenöffner war der Ausgleich über eine Standardsituation", sagte Herrlich mit Blick auf den Treffer von Sven Bender nach einer Ecke (48.). "Wir haben danach endlich die Chancen genutzt, die wir in den vergangenen Wochen noch liegengelassen haben." Als "ausgleichende Gerechtigkeit" bezeichnete er die plötzlich tödliche Effizienz vor dem Tor - eine Eigenschaft, die seit dem Saisonstart in Leverkusen schmerzlich vermisst wurde.

Die erste Halbzeit im Borussia-Park war zum Vergessen, aber genau das sollte niemand bei Bayer 04 tun. Im Gegenteil: Die erschreckend schwache Vorstellung vor dem Seitenwechsel sollte nach wie vor nachdenklich machen und für Bodenhaftung sorgen - auch, wenn das nach einem furiosen 5:1-Erfolg schwierig scheint, der nebenbei auch noch der erste Auswärtssieg in der Bundesligasaison 2017/18 ist.

Leno: "Haben den Gegner komplett getötet"

"Klar: Die erste Halbzeit war nicht gut", sagte Bernd Leno. "Aber wenn wir unser Potenzial abrufen, dann können wir auch solche Ergebnisse erzielen und in einer Halbzeit fünf Tore machen." Als Gastmannschaft in Mönchengladbach passiere sowas auch nicht allzu oft, merkte der Schlussmann spitz an. "Wir standen nach der Halbzeit tiefer, kompakter, haben unsere Konter perfekt ausgespielt und den Gegner komplett getötet." Das ist freilich eine extrem martialische Wortwahl, trifft aber im Kern den Spielverlauf. Die hilflosen Hausherren hatten dem Leverkusener Dauerdruck nichts mehr entgegenzusetzen.

Nicht nur aus spielerischer, sondern auch charakterlicher Sicht bewertet Jonathan Tah den Auswärtssieg als eminent wichtig. "Es ist natürlich sehr bitter, wenn man schon nach sieben Minuten zurückliegt, aber wir sind gut zurückgekommen. Das zeigt, was in der Mannschaft steckt", sagt der Innenverteidiger. "Wir müssen das im nächsten Spiel von Anfang an so machen, in beiden Halbzeiten. Dann stehen wir am Ende auch woanders", ist er sich sicher. Balsam für die Seele sei das Gefühl gewesen, auf fremden Platz zu gewinnen. "Wie befreit" habe Bayer 04 agiert. Das Sprachbild vom geplatzten Knoten war ein häufig bemühtes nach dem klaren Sieg.

Die anderen beiden Partien der mit dem Sieg in Gladbach begonnenen Englischen Wochen sind indes Heimspiele. Morgen Abend kommt im DFB-Pokal Union Berlin in die BayArena (18.30 Uhr), ehe am Samstag das zweite Rheinderby gegen das angeschlagene Schlusslicht aus Köln steigt. "Wir wollen beide Spiele gewinnen, aber dafür müssen wir immer so wach sein, wie in der zweiten Halbzeit gegen Gladbach. Wenn wir so weiter machen, wird es sehr schwer, uns aufzuhalten", betont Tah selbstbewusst.

Kevin Volland, Torschütze zum 4:1, ist sich der rätselhaften Ambivalenzen der Werkself ebenfalls bewusst: "In der ersten Halbzeit waren wir nicht in den Zweikämpfen und hatten keinen Zugriff. Danach haben wir ein geiles Spiel gemacht." Der Schlüssel seien die taktischen Umstellungen in der Pause gewesen - und die Hereinnahme von Julian Brandt für den bis dahin abgemeldeten Lucas Alario.

So wurde aus der schlechten Seite der Werkself doch noch die gute.

(RP)
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