Bayer Leverkusen Kai Havertz — nur noch kurz die Werkself retten

Nach der Sperre von Hakan Calhanoglu war fraglich, ob und wie Bayer 04 den Ausfall seines Spielmachers verkraften würde. Doch ein Teenager schickt sich an, in die Rolle hereinzuwachsen.

Kai Havertz bei der EM 2021: Das deutsche Ausnahmetalent im Porträt
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Das ist Kai Havertz

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Foto: AP/Jose Coelho

Für Tor Nummer 50.000 in der Historie der Bundesliga gab es für Karim Bellarabi nach dem Schlusspfiff eine Trophäe und viele Glückwünsche. Der Nationalspieler eilte von Interview zu Interview, um zu berichten, wie sich die Szene in der 23. Minute anfühlte. Seine Gedanken zu dem Moment, in dem er Bundesliga-Geschichte schrieb, kommentierte der 26-Jährige vergleichsweise routiniert: "Ich freue mich sehr, im Vordergrund stehen aber die drei Punkte." Er widme den Treffer seiner Familie und "meinem Freund Hakan, der leider nicht dabei sein kann."

Die viermonatige Sperre von Hakan Calhanoglu war zweifellos ein herber Rückschlag für Bayer 04. Manche sprachen gar von einem Schock. Dass der Ausfall des Spielmachers inwischen kaum noch ins Gewicht fällt, liegt unter anderem an dem jungen Mann, der hinter Bellarabi schweigend an den Mikrofonen vorbei Richtung Mannschaftsbus ging: Kai Havertz.

FC Augsburg - Bayer 04 Leverkusen: Einzelkritik
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Foto: dpa, puc hpl

Der 17-Jährige spielte von Beginn an, bereitete Bellarabis Tor und das vorentscheidende 3:1 durch Chicharito (65.) vor und war nahezu an jeder gefährlichen Aktion vor dem Augsburger Tor beteiligt. "Das ist unglaublich", formulierte Bellarabi seine Anerkennung für die bemerkenswerte Leistung des Youngsters. "Wenn man sieht, wie er letzte Woche und heute wieder gespielt hat, muss man sagen: Respekt." Er hoffe, dass es so für Havertz weiter gehe. Diese Hoffnung dürfte nicht nur der immer besser in Form kommende Angreifer haben, sondern auch sein Trainer Roger Schmidt, der das gesamte Team auf dem richtigen Weg wähnen kann. Der Coach erinnerte unter der Woche daran, dass sich Havertz mitten im Abi-Stress befinde und der Verein sowohl die sportliche als auch die schulische Entwicklung des Talents im Auge behalte. "Er ist ein wichtiger Faktor in unserer Mannschaft. Das hat sich so ergeben. Er hat sich das erarbeitet", sagte der Coach.

Schon beim 3:0-Sieg gegen Frankfurt überzeugte Havertz, der 2010 von Alemannia Aachen zu Bayer 04 wechselte, seitdem die Jugendteams durchlief und in der Saison 2015/16 mit der U17 Deutscher Meister wurde. Im August letzten Jahres unterschrieb er seinen ersten Profi-Vertrag. "Er ist technisch sehr versiert, sehr schnell im Kopf und kann Dinge gut umsetzen", lobte Schmidt seinen Schützling. Seit seinem Amtsantritt 2014 kenne er den Namen Havertz. "Wir wussten, dass er ein sehr außergewöhnliches Talent ist." Die explosionsartige Entwicklung kombiniert mit der Unbekümmertheit des Protagonisten überrasche allerdings auch ihn.

Karim Bellarabi erzielt das 50.000 Tor der Bundesliga-Historie
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Bellarabi erzielt 50.000 Tor der Bundesliga-Historie

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Foto: dpa, puc

Freilich ist es übertrieben, dem 17-Jährigen die Hauptverantwortung für den seit zwei Spieltagen anhaltenden Aufschwung der Werkself zuzuschreiben. Zumal es, wie Rudi Völler betonte, auch immer einen Trainer geben müsse, der so junge Spieler aufstelle und ihnen vertraue. Keine Frage: Schmidt hat sich einmal mehr als versierter Krisenmanager erwiesen, der ein gutes Händchen für die Entwicklung hochveranlagter Spieler hat. Neben Havertz, Bellarabi und Chicharito, der in den vergangenen beiden Spielen vier Tore erzielte, gibt es aber noch einige weitere Erfolgsgaranten: Bernd Leno, der zuletzt mehrfach stark parierte, Kevin Kampl, der das Mittelfeld unermüdlich beackerte, Tin Jedvaj, der als Ersatz von Jonathan Tah (Faserriss) eine gute Figur machte — oder Lars Bender, der erneut in der Startelf stand und dem Spiel seines Teams sichtlich gut tat.

Bender allerdings musste kurz vor der Halbzeit mit muskulären Problemen im Oberschenkel ausgewechselt werden. Vorsichtshalber, wie er betont. Nach der langen Verletzungspause sei er noch nicht voll "in der Spur." Der Muskel habe im Laufe des Spiels zugemacht. "Dann bin ich aus Erfahrung lieber vom Platz." Subtext: bevor es eine ernstere Verletzung wird. Dabei dürfte auch der Blick auf das Champions-League-Achtelfinale zu Hause gegen Atlético Madrid am Dienstag (20.45 Uhr) eine Rolle gespielt haben.

Der Kapitän hatte jedenfalls viel Lob für einen bestimmten Mitspieler übrig. "Sagenhaft" sei es, wie Havertz es jetzt schon schaffe, einem Spiel seinen Stempel aufzudrücken. Er habe aber schon früh geahnt, was da kommen könnte: "Ich glaube, ich habe schon in seiner ersten Trainingswoche gesagt, dass das so ziemlich der kompletteste 17-Jährige ist, den ich je erlebt habe." Aus Havertz, ist sich Bender sicher, könne "noch richtig was werden."

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