Bayer Leverkusen Kraftlos, mutlos, ratlos

Leverkusen · Nach dem 1:2 gegen den FC Ingolstadt überschütteten die Fans der Werkself das Team von Roger Schmidt mit Häme. Sportchef Rudi Völler zeigte dafür Verständnis. Die Dissonanzen unter dem Bayer-Kreuz sind inzwischen unüberhörbar.

Bayer 04 Leverkusen - FC Ingolstadt: Einzelkritik
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Leverkusen - Ingolstadt: Einzelkritik

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Es war in der Bundesliga noch nie ein gutes Zeichen, wenn Fans ihre Mannschaft mit Spott und Häme überziehen. Am Sonntagabend war dieses Phänomen in der BayArena zu begutachten. Als das 1:2 aus Leverkusener Sicht fiel, sangen die Anhänger der Werkself "Oh, wie ist das schön..." — gemischt mit Pfiffen und der Forderung, Trainer Roger Schmidt zu entlassen. Ungemütlicher könnte die Vorweihnachtszeit kaum sein. Am Mittwochabend steht für Bayer 04 das Derby in Köln gegen den erstarkten FC an. Die Leistung aus den vergangenen drei Partien sorgt nicht unbedingt für Optimismus unter dem Bayer-Kreuz — im Gegenteil: es kriselt gewaltig.

Gegen Freiburg, Schalke und nun Ingolstadt bot Leverkusen jeweils mindestens eine Halbzeit lang ein desolates Bild. Spielerisch fehlten die Ideen, klare Torchancen zu kreieren und taktisch gab es einige zumindest rätselhafte Entscheidungen des Trainers. Hinzu kommt das Mentale: Die Mannschaft wirkte zuletzt verunsichert, gehemmt und bisweilen gar lustlos.

"Wir haben nicht das gezeigt, was uns stark macht", kritisierte Sportchef Rudi Völler. Bayer habe Ingolstadt nicht attackiert und zu Fehlern gezwungen. Insgesamt sei das viel zu passiv gewesen. "Wir machen gar nichts und warten nur ab, was der Gegner macht. Das ist grottenschlecht", analysierte Völler die schauderhaften 90 Minuten.

Die Frage, warum die Mannschaft nicht mehr die Tugenden zeigt, die sie einst auszeichnete, ließ er unbeantwortet. "Das ist die Frage des Tages", entgegnete Bayers Sportchef, ohne ein Hehl aus seiner Ratlosigkeit zu machen. Für die hämischen Fangesänge habe er "totales Verständnis". Dass nach den schwachen Leistungen Unmut aufkomme, sei normal. Seine Unterstützung für Roger Schmidt sei "natürlich" nach wie vor gegeben, betonte Völler.

Schmidt will nicht "resignieren"

Bei Schmidt liegt die Verantwortung für Taktik und Einstellung. Der Trainer der Werkself flüchtete sich nach der Heimniederlage in gewohnte Erklärungsmuster, räumte aber auch eine "sehr, sehr schlechte erste Halbzeit" ein — und warb um Verständnis. "Ich weiß nicht, ob man erwarten kann, dass die Mannschaft immer vorne weg auf dem zweiten oder dritten Platz marschiert", sagte der 49-Jährige mit Blick auf den Etat, der auf Platz fünf oder sechs in der Bundesliga liege. Außerdem sei die Lage nicht so dramatisch und es gebe keinen Anlass, von den Saisonzielen abzurücken: "Wir liegen sieben Punkte hinter einem Champions-League-Platz und sind im Achtelfinale vertreten", befand Schmidt. "Das ist keine Situation, in der wir resignieren."

Der Trainer erklärte die anhaltende Schwächephase damit, dass der Kader noch sehr jung und seit seinem Amtsantritt 2014 drastisch umgebaut worden sei. Solche Phasen seien demnach normal. Bis zum 34. Spieltag wolle er in die Champions-League-Ränge kommen: "Vielleicht gelingt es uns diese Saison nicht, aber vielleicht doch." Kampfgeist hört sich anders an — zumal vor der Saison immer wieder betont wurde, dass es der stärkste Bayer-Kader seit vielen Jahren sei.

Schmidt hat seinen Anteil an der Niederlage gegen Ingolstadt. Die Entscheidung, den Rechtsverteidiger Danny da Costa links spielen zu lassen, erwies sich als Fehlgriff. Das gilt auch für die Auswechslung von Julian Baumgartlinger zur Halbzeit — statt des mit Gelb vorbelasteten Charles Aránguiz, der wenige Minuten nach dem Wiederanpfiff Gelb-Rot sah. Kevin Kampl sowie Hakan Calhanoglu waren auf den Halbpositionen zudem weder schnell, noch effektiv und Chicharito agierte aufreizend lustlos. Kurz gesagt: Taktik und Einstellung der Mannschaft passten vorne und hinten nicht. "Wir hatten keine gute Anfangsformation auf dem Platz und haben in allem, was wir gemacht haben, nicht geschlossen gewirkt", sagte ausgerechnet Schmidt, der originär dafür zuständig ist, dass Anfangsformation und Geschlossenheit optimal sind.

Jonathan Tah — einer der wenigen, die gegen Ingolstadt passabel spielten — fasste es so zusammen: "Wir hatten keine Männer auf dem Platz und waren keine Mannschaft." In Köln müsse Bayer 04 anders auftreten, "mental da sein und Eier zeigen." Rudi Völler formulierte es eleganter: "Wir müssen machen, was die Zuschauer gefordert haben: alles reinlegen, aggressiv sein, attackieren — also das zeigen, was uns stark macht."

(RP)
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