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Bayer Leverkusen Schlusspfiff für den Meister der Materialien

Leverkusen · Klaus Zöller ist seit rund 40 Jahren Teil von Bayer 04. Erst war er Hausmeister und Platzwart im Verein - und dann drei Jahrzehnte Zeugwart.

 Trikots zu beflocken ist eine der vielen Aufgaben des Zeugwarts. In seiner Werkstatt in den Katakomben der BayArena wird noch von Hand gearbeitet.

Trikots zu beflocken ist eine der vielen Aufgaben des Zeugwarts. In seiner Werkstatt in den Katakomben der BayArena wird noch von Hand gearbeitet.

Foto: Miserius Uwe

Der Weg zu Bayer 04 war kurz für Klaus Zöller - und unkompliziert. "Reiner Zufall" sei das gewesen, sagt er mit Blick auf die Ereignisse vor knapp 40 Jahren, die ihn zu einem beständigen Teil des Werksklubs werden ließen. Im kommenden Jahr geht der Zeugwart des Vereins in den Ruhestand. Das Anfang Januar anstehende Trainingslager in Orlando (Florida) wird sein letztes sein. Wenn die Rede von dem Bayer-Urgestein ist, fällt häufig das Wort "Materialmeister". Zöller ist im Verein für weit mehr als das Waschen und Sortieren von Trikots zuständig. Er ist auch nah an der Mannschaft - und eine Art Vertrauensperson für viele Spieler.

Eigentlich sei er gelernter Kaufmann und habe in einem Autohaus gearbeitet, erzählt er. Dann kam Anfang der 1980er Jahre Heinz Heitmann auf ihn zu. Er war nicht nur ein Kunde, sondern auch der damalige Manager von Bayer 04. "Wir brauchen noch einen Hausmeister. Hättest du nicht Lust?", sei dessen beiläufige Anfrage gewesen. Zöller überlegte nicht lange und sagte zu. "Neugier", sei dabei die entscheidende Triebfeder gewesen. Damit war er plötzlich nicht nur Hausmeister, sondern zeitgleich auch Platzwart und ein Mann für etwaige Arbeiten. "Damals war alles noch nicht so durchprofessionalisiert", sagt er. Es seien andere Zeiten gewesen. "Die Abläufe kannte ich damals natürlich noch nicht. Ich bin da reingewachsen."

Im Grunde habe er zunächst klassische Greenkeeper-Arbeiten übernommen - zum Beispiel die damals noch vorhandenen Ascheplätze abkreiden oder Rasenpflege. Nach einigen Jahren sei dann der neue Manager des Klubs auf ihn zugekommen, während er den Trainingsplatz mähte. Sein Name: Reiner Calmund. Er fragte, ob Zöller sich nicht vorstellen könnte, spontan den Zeugwart zu vertreten. Der damalige Kollege Harald Wohner sei überraschend erkrankt und könne nicht mit in das anstehende Trainingslager kommen. Zöller sagte zu - und wenige Stunden später saß er mit der Mannschaft im Flugzeug nach Guatemala. Auch danach sei seine Vertretung weiterhin gefragt gewesen. "Ich bin dann einfach dabei geblieben", erinnert sich der gebürtige Leverkusener.

Dass er in das Team der Zeugwarte rutschte, ist nun etwa 30 Jahre her. Es war eine Entscheidung, die sein Leben nachhaltig prägte. Seitdem ist er für die Bereitstellung aller möglichen Dinge zuständig, die für das tägliche Training und die Spieltage notwendig sind: Trikots, Stutzen, Schuhe, Schienbeinschoner, Unterziehhosen und vieles mehr. Er beflockt Trikots, reinigt sie und stellt unter anderem sicher, dass bei Auswärtsreisen alles dort ist, wo es hingehört. Die Spieler bezeichnet er schlicht als "Arbeitskollegen". Der alltägliche Wahnsinn eines Bundesliga-Vereins inklusive der vielen Reisen ins In- und Ausland sei für ihn "normaler Arbeitsalltag".

Wie viele Kilometer er im Laufe der Jahre insgesamt mit Bayer 04 rund um die Welt gereist ist, kann er nichtmals schätzen. "Ich glaube, ich war in fast jedem Land der Erde", sagt der Zeugwart. Im Grunde fehle nur Neuseeland. Er freue sich über alles und denke oft über die vielen Erfahrungen nach, die er machen konnte. Aber besonders gerne denkt er demnach an die Spiele in England zurück. "Das Publikum ist anders", sagt Zöller. "Die sind sensationell. Wenn du da als Gegner hinfährst und gut spielst, honorieren die das." Die Partien auf der Insel seien mit seine schönsten Erinnerungen.

Zöllers Arbeitstag beginnet meist gegen 7 Uhr. Sein Kollege, ein Frühaufsteher, fange bereits um 5 Uhr an - "fast wie in einer normalen Firma", sagt er. Insgesamt besteht sein Team aus vier Personen. "Dann bereiten wir die Wäsche vor und fahren alles in die Kabine." Um 10 Uhr sei dann meist die erste Trainingseinheit angesetzt. Danach gehe seine Arbeit von vorne los - nur umgekehrt. An Spieltagen hingegen ist der Ablauf ganz anders. Bei einem Spiel am Abend oder Heimspielen gebe es vorher meistens noch ein Training. Danach müsse vor dem Anpfiff alles wieder fein säuberlich sortiert in der Kabine liegen.

Bei Auswärtsreisen hingegen muss das Equipment des Teams vollständig und makellos am Zielort ankommen - in dreifacher Ausführung. "Zur Sicherheit", wie Zöller betont. Mit 15 Kisten Material reist die Werkself an. An Pannen oder grobe Schnitzer kann er sich nach eigenem Bekunden nicht erinnern. Einmal in München habe er sich für einen Spieler Schuhe bei seinem Pendant leihen müssen. Ansonsten sei nichts vorgefallen - "Fehlerquote gleich null", sagt er stolz.

Bum-kun Cha, Franco Foda, Andreas Thom, Zé Roberto, Lúcio, Michael Ballack, Bernd Schneider, Bernd Schuster, Arturo Vidal, Jens Nowotny, Paolo Sergio, Rudi Völler - der 64-Jährige hat viele Spieler kommen und gehen sehen. Das gleiche gilt auch für die vielen Trainer, die in den vergangenen rund 40 Jahren auf der Bayer-Bank Platz genommen haben. Insgesamt waren es rund 20. Einer hat es Zöller besonders angetan: Jupp Heynckes. Von 2009 bis 2011 war er Coach der Werkself, bevor er zu Bayern München ging und etwas später das historische Triple gewann.

Zöller hat in seinem Arbeitsbereich eine Wand mit Autogrammkarten von allen möglichen Spielern und Trainern der Werkself. Es ist eine imposante Sammlung. Heynckes jedoch hat er als Ölgemälde - nicht selbst gemalt, wie er unterstreicht - an der Wand hängen. "Das ist einfach ein besonderer Typ mit einer besonderen Aura. Bei dem hatte man immer das Gefühl, ein Teil des Ganzen zu sein." Zudem habe der Trainer eine "natürliche Autorität" ausgestrahlt und eine spezielle Art, mit Menschen umzugehen. "Der war Weltklasse. Das muss man einfach sagen."

Die beiden großen Höhepunkte in der Vereinshistorie hat Zöller aus nächster Nähe miterlebt. 1988 gewann Bayer 04 den UEFA-Cup im eigenen Stadion. Nachdem im Halbfinale Werder Bremen mit 1:0 und 0:0 aus dem Wettbewerb geworfen wurde, traf Leverkusen im Finale auf den spanischen Vertreter Espanyol Barcelona. Das Hinspiel ging am 4. Mai 1988 im Estadi Sarrià 0:3 verloren. Im Rückspiel am 18. Mai siegte Bayer ebenfalls 3:0. Das Spiel ging ins Elfmeterschießen und Leverkusen setzte sich mit 6:5 Toren durch. 1993 gewann Bayer 04 zudem das DFB-Pokalfinale gegen die Amateure von Hertha BSC - Ulf Kirsten erzielte das einzige Tor im Finale. "Der Schwatte" ist freilich auch auf Zöllers Wand verewigt. "Man erlebt so viele tolle Momente - irgendwann wird das fast zur Normalität", sagt der scheidende Zeugwart, der im August 2017 offiziell den Ruhestand antritt. Allerdings geht er nicht so ganz: "Danach komme ich noch stundenweise."

Das Fußballgeschäft hat sich in den vergangenen 40 Jahren ebenso nachhaltig wie rasant verändert. Dessen ist sich auch Zöller bewusst. "Es ist alles professioneller geworden. Zu meiner Zeit sind die Spieler auch mal aus einem Trainingslager abgehauen", sagt er und lacht. "Das ist heute gar nicht mehr möglich. Inzwischen kann man ja medizinisch nachweisen, was ein Spieler nachts getrieben hat." Hinzu komme das riesige öffentliche Interesse, die großen Geldsummen, die im Umlauf sind, und vieles mehr. Auch die schwierigen Zeiten hat er miterlebt: Die Kokain-Affäre um Christoph Daum im Jahr 2000, das verlorene Champions-League-Finale gegen Real Madrid 2002, der Fast-Abstieg 2003 - auch das gehört dazu.

Zu den Spielern hatte und hat der Materialmeister stets ein gutes Verhältnis. Klar wisse er einiges, auch Geheimnisse, sagt er. Aber er sei nicht der Beichtvater für die meist noch jungen Spieler. "Da gibt es andere für." Dennoch schätze er auch an der Schwelle zum Rentenalter den dauernden Kontakt zur Jugend. "Das macht einfach Spaß. Die fordern einen anders und man bleibt immer auf dem neusten Stand." Er kenne Gleichaltrige, sagt Zöller, die wissen gar nicht mehr, was los sei auf der Welt. Er hingegen habe sich auch durch seinen Job eine gewisse Jugendlichkeit bewahrt.

Seinem Nachfolger wünscht er lakonisch "viel Glück". Er selbst will sich in seinem Ruhestand verstärkt seinen Hobbies widmen. Trotz der unzähligen Flugkilometer, die er mit Bayer 04 gesammelt hat, reist er nach wie vor regelmäßig in die USA - genauer gesagt: nach Kalifornien. Dem Verein wünscht er nach fast vier Jahrzehnten Arbeit nur das Beste. "Die Möglichkeiten, die man hier hat, die Ausstattung und die Infrastruktur, sind einmalig", ist sich Zöller sicher. Er freue sich dennoch auf den (Teilzeit-)Ruhestand, sagt er: "Irgendwann müssen auch mal die Jungen ran."

(RP)
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