Bayer Leverkusen Stefan Reinartz - Eigengewächs sagt nach 16 Jahren Tschüss

Leverkusen · Als Zehnjähriger kam er zu Bayer 04. Fortan sucht er eine neue Herausforderung. Sein Abschiedswunsch: Dass Jungs wie Lukas Boeder eine Chance bekommen.

Bayer 04 Leverkusen: Simon Rolfes und Stefan Reinartz verabschieden sich
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Rolfes und Reinartz verabschieden sich von den Fans

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Foto: dpa, fg jhe

Sportlerkarrieren wie die von Stefan Reinartz sind im professionellen Fußball seltener geworden. Talente, die es schafften, sämtliche Jugendteams bis hin zu den Profis in ein und dem selben Verein zu durchlaufen, sind gewiss bei einigen Bundesligisten zu finden. Was die sportliche Vita von Reinartz aber so besonders macht, ist die Tatsache, dass er seinem Klub insgesamt 16 Jahre lang die Treue hielt.

Nun ist der Mittelfeldspieler erst 26 Jahre alt - die Bezeichnung "Urgestein" muss er sich trotzdem gefallen lassen.

Reinartz, in Engelskirchen geboren, kam 1999 als Zehnjähriger zu Bayer 04. Und ihm gelang das, wovon viele kleine Jungs träumen. Er näherte sich Jahr für Jahr und Jugend für Jugend immer ein Stückchen mehr dem Bundesliga-Kader.

Zu seinen Erfolgen zählte 2007 der Gewinn der Deutschen Meisterschaft mit der U 19. Über den Umweg 1. FC Nürnberg schaffte er es 2009 zum Profi. In der Winterpause 2009/10 wurde er von Bayer 04 an den damaligen Zweitligisten ausgeliehen, um Spielpraxis zu sammeln. Er wurde als Innenverteidiger sofort Stammspieler und feierte mit Nürnberg über die Relegation den Aufstieg in die Bundesliga.

Trainer Jupp Heynckes holte ihn nach Leverkusen zurück. Für den 26-Jährigen zählt Heynckes neben Jugend-Coach Jörg Bittner und dem ehemaligen Kader-Manager Michael Reschke (jetzt bei Bayern München) zu den wichtigsten Förderern während seiner Zeit bei der Werkself. In seinen sechs Jahren als Profi hat Reinartz 147 Einsätze für Bayer absolviert. Dazu kommen drei Länderspiele in der A-Nationalmannschaft. Wenn er eine Partie als seine beste im Bayer-Trikot benennen soll, muss er nicht lange überlegen. "Das war wohl das 2:1 in München in der Saison 2012/13", entgegnet Reinartz. "Ich hatte eine hundertprozentige Passquote, bin Saisonrekord gelaufen. Das war schon richtig gut. In dieser Spielzeit gehörte ich sicher zu den Besten im Team."

Die Gefahr, abzuheben, bestand bei Reinartz jedoch nie, der sich von vielen seiner Kollegen auch deshalb abhebt, weil er stets seine eigene Sicht auf das Berufsfeld eines Profifußballers pflegt. Er ist Teamplayer, aber eben kein Mitläufer.

Während viele seiner jüngeren Kollegen im Trainingslager in ihrer Freizeit Playstation spielen, greift Reinartz zur Lektüre. Dass man ihn mit einer Tasse Kaffee und einem Buch antrifft, ist nicht ungewöhnlich. Fußball ist für ihn Beruf, aber er befolgt stets den Rat, schon während der Karriere nach rechts und links zu schauen und sich frühzeitig um die Zeit danach zu kümmern. Reinartz belegt einen Fernstudium der Psychologie.

Bevor er das beendet, wagt er sportlich aber die nächste Herausforderung. Noch hat er nicht offiziell gemacht, wo er in der neuen Saison spielen wird. Ein Wechsel zu Eintracht Frankfurt scheint sich aber anzubahnen.

Wehmut kommt in den letzten Tagen nicht mehr auf. Reinartz' Entscheidung steht seit Monaten fest. "Ich konnte mich ganz gut drauf vorbereiten", sagte der 26-Jährige, der auch in Folge seiner Augenhöhlenverletzung unter Roger Schmidt in dieser Saison nicht über 16 Einsätze hinaus kam. Reinartz will aber nicht von einer verlorenen Zeit sprechen. "Vielleicht werde ich mal Trainer oder Manager, dann ist es nicht so schlecht zu wissen, wie es sich anfühlt, wenig zum Zug zu kommen oder verletzt zu sein."

Erste Erfahrungen als Coach hat er in seinem Jahr als Co-Trainer der B-Jugend gesammelt. Zum Team gehörten Talente wie Lukas Boeder, Benny Henrichs oder Marc Brasnic, mit denen Reinartz zuletzt gemeinsam bei den Profis trainierte. "Es würde mich von Herzen freuen, wenn mindestens einer am Samstag spielt", wünscht sich der Mittelfeldspieler, der hofft, dass sich auch in Zukunft wie er Eigengewächse etablieren können und dürfen. Über all die Jahre, sagt Reinartz, sind ihm rund um das Jugendleistungszentrum und später in der Arena viele Leute ans Herz gewachsen. Er kennt die Mitarbeiter beim Vornamen. Nach dem letzten Spiel in Frankfurt verlässt er nach 16 Jahren den Verein. "Wenn ich jedem persönlich tschüss sagen möchte", sagt er mit einem Augenzwinkern, "muss ich langsam damit anfangen."

(RP)
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