Bayer Leverkusen Jedvaj - der Wiedergutmacher

Wolfsburg · Weil Jonathan Tah kurzfristig ausfiel, rutschte Tin Jedvaj in die Startelf gegen Wolfsburg. Dass er den 2:1-Siegtreffer erzielte, ist eine Genugtuung für den Kroaten. Er wurde nach zuletzt schwachen Auftritten von Roger Schmidt öffentlich kritisiert.

Das ist Tin Jedvaj
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Das ist Tin Jedvaj

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Foto: Bayer 04 Leverkusen

Irgendwie hat es Aleksandar Dragovic geschafft, den Ball im Strafraum zum völlig frei stehenden Tin Jedvaj zu spielen. Der nutzte die erstaunliche Passivität der Wolfsburger Defensive und erzielte aus sechs Metern das 2:1. Die Szene der beiden Innenverteidiger aus der 84. Minute des Krisengipfels in Wolfsburg ist mehr als ein schnödes Bundesligator. Sie ist eine Beruhigungspille für die zuletzt wankende Werkself. Dass ausgerechnet der 20-jährige Kroate seinen oft gescholtenen Trainer vorerst aus der Schusslinie nimmt, dürfte vor allem einer Person gefallen: Tin Jedvaj selbst.

Ein "Charakterspiel" sei die Partie gegen den VfL gewesen, sagte Jedvaj nach dem Schlusspfiff. "Wir lagen 0:1 zurück und haben trotzdem gut weiter gespielt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis wir wieder zurückkommen." Der Kroate meinte das nicht nur auf das Spiel bezogen, sondern auch auf die Situation von Bayer 04 in der Bundesliga insgesamt. "Wir haben viel Qualität in der Mannschaft - und viel Charakter."

Das hatte Schmidt allerdings zuletzt in Frage gestellt. Der Trainer kritisierte seine Abwehrtalente öffentlich - allen voran neben Wendell auch Jedvaj. "Tin bot in Frankfurt ein schwaches Spiel, das nicht akzeptabel war. Wir wissen, dass er ein großes Talent ist, aber man muss Bereitschaft haben, sich weiterzuentwickeln. Daran arbeiten wir", sagte der Coach. Dass nun ausgerechnet der Kritisierte das Siegtor schießt, lässt zwei Lesarten zu: Der 20-Jährige hat sich die Aussagen zu Herzen genommen und verstanden, oder sie haben ihn an der richtigen Stelle gekitzelt und ihn zusätzlich motiviert. Gegen Wolfsburg rückte Jedvaj kurzfristig in die Startelf, weil Jonathan Tah mit muskulären Problemen ausfiel. An der Seite von Aleksandar Dragovic bildete er das Abwehrzentrum - eine Aufgabe, die er aus der kroatischen Nationalmannschaft und seiner Zeit beim AS Rom kennt. Bei Bayer 04 hingegen bekleidet er meist den Posten des rechten Außenverteidigers. Ihm selbst ist beides recht. "Ob zentral oder rechts, ist mir egal", sagte er. "Wichtig ist, dass mein Tor die Mannschaft wieder näher an unsere Ziele bringt."

Zu der Kritik seines Trainers fiel dem Nationalspieler nicht viel ein. Er habe die Schlagzeilen in den Zeitungen nicht weiter verfolgt. "Ich bin der gleiche Spieler, wie in den vergangenen zwei Jahren, trainere gut und gebe immer 100 Prozent." Die Leistung gegen Wolfsburg sei Bestätigung genug für seine Motivation.

Tatsächlich hat Jedvaj seine Sache weitgehend gut erledigt - nicht nur wegen des Tores. Beim Gegentreffer (37.) sah er allerdings nicht gut aus. Anstatt das Zentrum abzusichern, ließ er sich von Wolfsburgs Daniel Caligiuri nach außen locken. Der wiederum konnte Maximilian Arnold bedienen, der freistehend vollstreckte. Auch Dragovic sah in der Szene nicht gut aus. Insgesamt war Bayer 04 zu weit aufgerückt. Zwei präzise gespielte Bälle reichten aus, um die Abwehr zu düpieren. Dragovic warb nach der Partie um Verständnis für die Szene. Immerhin hätten er und Jedvaj "nur ein paar Minuten" als Innenverteidiger-Duo trainiert, geschweige denn gespielt. "Wolfsburg ist ja auch keine Kreisliga-Truppe. Sie haben es einfach gut gespielt. Das kann passieren."

Ebenfalls treffend ist eine weitere Einschätzung des Österreichers: "Auch danach hat jeder für den anderen gekämpft. So muss das in jedem Spiel sein." Zudem hätte Wolfsburg keine zwingenden Chancen mehr gehabt - auch das ein Verdienst der Innenverteidiger. Zu den Personen des Spiels gehörte auch Nachwuchsmann Kai Havertz. Der betrat in seinem zweiten Bundesliga-Duell mit seinen erst 17 Jahren nach 70 Minuten wie ein alter Hase den Rasen. Mit einer unglaublichen Präsenz gewann er Zweikämpfe und sorgte für frischen Wind. Eine mutige Einwechslung beim Stand 0:1 - die sich aber auszahlte.

Ob Jonathan Tah am Mittwoch in London wieder fit ist, ist unklar. Auch hinter Ömer Toprak und Lars Bender (Fersenprellung mit Einblutung) stehen Fragezeichen. Gut möglich, dass Jedvaj gegen Tottenham die nächste Gelegenheit erhält, seine Qualität zu beweisen - und seinen Charakter. Sport Seite

(RP)
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