Bayer Leverkusen Bayers Elan gegen Bayerns Erfahrung

Leverkusen · Vor dem Topspiel heute Abend in München gibt sich Roger Schmidt selbstbewusst. Seine Devise für die Partie beim zuletzt angeschlagen wirkenden Rekordmeister: "Wir sind immer gut genug, jeder Mannschaft in Europa wehzutun."

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Das ist Roger Schmidt

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Foto: AFP/PATRICIA DE MELO MOREIRA

Bevor sich Bayers Trainer Roger Schmidt dem Spitzenspiel beim FC Bayern München widmete, stand zunächst Vergangenheitsbewältigung im Vordergrund. Die Werkself hat am Dienstag durch das 1:1 in Moskau das Achtelfinale der Champions League erreicht - nicht nur sportlich ein Erfolg. Er könne sich noch sehr gut an eine Szene nach dem Heimspiel gegen den Hamburger SV im September erinnern, sagte Schmidt. Er habe in der Kabine gestanden und der Mannschaft gesagt, dass es nun einen sehr guten Grund gebe, in der Königsklasse des europäischen Fußballs zu überwintern. Sein Name: Karim Bellarabi.

Der Nationalspieler hatte sich im Spiel gegen den HSV einen Muskelbündelriss mit Sehnenbeteiligung im Bereich der rechten Adduktoren zugezogen. Für den 26-Jährigen war es das Aus bis zur Winterpause - und für Schmidt ein Grund für ein Versprechen. "Wir haben uns fest vorgenommen, dass Karim in dieser Saison noch Champions League spielt - und so wie es aussieht, wird er das." Der Heilungsprozess verlaufe gut. Vor Weihnachten soll Bellarabi wieder ins Mannschaftstraining zurückkehren. "Ich freue mich, dass wir das Versprechen halten konnten", betont der 49-Jährige. "Karim hat in der vergangenen Saison alles dafür gegeben, dass wir in die Champions League einziehen konnten."

Heute in München (18 Uhr) gehe es darum, die Ausgangslage von Bayer 04 in der Bundesliga zu verbessern. "Wir wollen näher rankommen an die Bereiche, in denen wir am Ende stehen wollen." Freilich sei das Spiel beim Rekordmeister die denkbar schwerste Aufgabe. Immerhin spiele man gegen "das Gerüst der deutschen Nationalmannschaft - plus internationaler Topspieler im besten Fußballalter."

Dennoch sei nicht undenkbar, Zählbares aus München mitzunehmen - zumal der FC Bayern nach zuletzt zwei Pflichtspielniederlagen in Dortmund und Rostow angeschlagen wirkt. "Wir versuchen, es mit unserer Jungen Mannschaft hinzukriegen", kündigt Schmidt an. "Mutig und mit Elan" wolle Bayer 04 auftreten. Von den jüngsten Ergebnissen des Meisters lasse er sich nicht beeindrucken. Er wisse um die Stärken der Münchner. Es werde vor allem darum gehen, die Balance aus Jugendlichkeit und einer gewissen Abgeklärtheit zu finden. In der Allianz-Arena treffen heute Abend zwei Fußballwelten aufeinander. Auf der einen Seite Bayer 04, gespickt mit jungen Spielern, die wie etwa Benjamin Henrichs, Kai Havertz, Jonathan Tah oder Julian Brandt, mehr oder weniger am Anfang ihrer Karriere stehen. Auf der anderen Seite das Team von Carlo Ancelotti, das national wie international unfassbar erfahren ist. Alleine Arjen Robben hat 92 Spiele in der Champions League hinter sich - und insgesamt weit über 300 Ligaspiele bei seinen Vereinen. Bei Philipp Lahm (109/366) sieht es ähnlich aus. Das gilt auch für Franck Ribéry oder Xabi Alonso , die wie die meisten ihrer Teamkollegen im europäischen Fußball schon alles gewonnen und erlebt haben. Schmidt umschreibt es so: "Sie sind mit ihrer Erfahrung nach schlechten Ergebnissen immer in der Lage, auf Knopfdruck eine Topleistung zu bringen."

Elan gegen Erfahrung lautet also das Motto des Abends. Trotz ihres "extrem jungen" Alters attestiert Schmidt seiner Mannschaft etwas überraschend eine klare Weiterentwicklung - und macht das an dem glücklichen Remis in Moskau fest. Es sei nicht so, dass man als Bayer Leverkusen "mal eben" nach Moskau fahre und mit einem 4:0 locker drei Punkte mitnehme, betont der Coach der Werkself und spricht von einem "sauschweren" Spiel. "Als es wirklich darum ging, sich mit Leidenschaft zu wehren, immer einen Fuß dazwischen zu kriegen und physisch dagegen zu halten, hat die Mannschaft es gemacht." Das sind für mich Indizien, dass wir uns entwickeln." Bayer 04 sei überdies gut genug, jeder Mannschaft in Europa wehzutun. "Das wollen wir auch am Samstag versuchen."

Das ist eine Einschätzung, die an guten Tagen zutreffen mag.

Das schmeichelhafte Unentschieden in Moskau als Beleg einer Weiterentwicklung zu sehen, ist aber zumindest gewagt.

Bayers Kader wird laut Schmidt ähnlich aussehen, wie am Dienstag. Einige haben demnach leichte Blessuren in Moskau erlitten, aber nichts Gravierendes. Lars Bender wird indes weiterhin ausfallen. Seine Genesung verzögert sich zunehmend. Eine Prellung der rechten Ferse nebst Einblutung macht ihm seit dem Spiel in Wolfsburg zu schaffen. "Es wird noch ein bisschen dauern", kündigt Schmidt an, der diesen Zeitraum auf zwei bis drei Wochen schätzt - mit der Hoffnung, ähnlich wie bei seinen vorangegangen Prognosen rund um die Genesung des Kapitäns erneut daneben zu liegen, nur diesmal umgekehrt. "Ich hoffe, dass er früher fit wird, aber im Moment muss man das einfach so einschätzen."

Der Ukrainer Vladlen Yurchenko ist hingegen wieder voll im Mannschaftstraining. Auch Joel Pohjanpalo und Stefan Kießling, der zuletzt zehn Tage nicht trainieren konnte, sind wieder an Bord. Ansonsten scheinen alle Spieler trotz einiger Blessuren aus der Partie in Moskau für das Topspiel einsatzbereit.

Dass die Bayern ihre Dominanz (vorläufig) eingebüßt haben, Dortmund noch nicht außer Reichweite ist und es Überraschungen gibt, findet Bayers Coach trotz der bisher dürftigen Saison (16 Punkte, Platz neun) nicht verkehrt: "Es macht die Bundesliga spannender, wenn es nicht nur um die Plätze hinter Dortmund und Bayern geht." Heute können er und sein Team dazu beitragen, dass es vorerst dabei bleibt.

(RP)
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