Bayer Leverkusen "Ich kaufe keinen 33-jährigen Weltklassespieler"

Leverkusen · Der Geschäftsführer von Bayer 04 spricht über den Fall Teldafax, die Erwartungen an Trainer Roger Schmidt und ambitionierte Ziele.

 Nicht generell unzufrieden, aber doch selbstkritisch: Bayer-04-Geschäftsführer Michael Schade in der BayArena.

Nicht generell unzufrieden, aber doch selbstkritisch: Bayer-04-Geschäftsführer Michael Schade in der BayArena.

Foto: Ralph Matzerath

Herr Schade, Ihr erstes komplettes Kalenderjahr als Geschäftsführer von Bayer 04 Leverkusen endet heute.

Sind Sie mit dem sportlichen Fazit zufrieden?

Schade Jein. Auf den ersten Blick können wir zufrieden sein: Platz drei in der Bundesliga, außerdem überwintern wir in beiden Pokalwettbewerben. Aber wir müssen auch selbstkritisch feststellen, dass wir ein wenig hinter unseren Erwartungen geblieben sind. Insgesamt bin ich positiv gestimmt für die Rückrunde. Es ist einfacher, einen Porsche auf 100 km/h zu bremsen als eine Ente auf 100 zu beschleunigen. Will sagen: Die Voraussetzungen für erfolgreiche Spiele sind gegeben - und irgendwann kommen auch die positiven Ergebnisse in Serie.

Wenn Sie alle Bereiche zusammennehmen. Was war der größte Erfolg 2014?

Schade Wir waren sehr zufrieden mit der Qualifikation zur Champions League in der vergangenen Saison. Nun wird es wichtig sein, dass wir 2015 die sportlichen Ziele erreichen. Wie der Aktienkurs bei einem Unternehmen, so ist der Tabellenplatz für uns maßgeblich. Und wir wollen auch diese Saison einen der ersten vier Plätze erreichen.

Was war das Negativerlebnis 2014?

Schade Die Entlassung von Sami Hyppiä war für mich menschlich der schwierigste Moment. Wir hätten gerne der Öffentlichkeit bewiesen, dass Langmut und Geduld sich auszahlen. Aber: Fünf Spieltage vor Schluss war es eine Minute vor Zwölf. Und wir waren dabei, alles zu verspielen. Ich würde heute wieder so handeln. Wir konnten auch nur so lange damit warten, weil wir in Sascha Lewandowski eine Alternativ-Lösung schon im Haus hatten. Wenn Sie einen externen Trainer holen müssen, der erst Tage braucht, bis er weiß, wo in der BayArena die Toiletten sind, dann kann man nicht so lange zögern.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihrem Vorgänger Wolfgang Holzhäuser?

Schade Ich bin sehr dankbar, dass er mir ein hervorragend bestelltes Haus hinterlassen hat. Er hat sich große Verdienste erworben, diesen Verein während seiner Amtszeit zu konsolidieren. Ich war mit ihm einig, dass eine Vielzahl von Dingen verändert werden muss, um Bayer 04 für die nächsten Jahre konkurrenzfähig aufzustellen.

Wie ist der Stand der Dinge im Fall Teldafax?

Schade Wir haben ein Urteil bekommen, was uns extrem überrascht hat. Alle vorherigen Äußerungen und Mutmaßungen ließen einen anderen Ausgang erwarten. Wir haben das Urteil geprüft und sind der Meinung, dass wir große Chancen haben, in einem neuen Verfahren zu einem anderen Ergebnis zu kommen - und deswegen haben wir Berufung eingelegt.

Gibt es da einen Zeitrahmen?

Schade Das kann Ihnen niemand genau sagen. Vermutlich wird man vor Ende 2015 mit nichts rechnen können.

Ärgert Sie es, dass Sie sich mit diesem Fall herumplagen müssen, da er nichts direkt mit Ihrer Amtszeit zu tun hat?

Schade Es gehört zu jeder Aufgabe, die man im Beruf übernimmt, alles damit Verbundene zu bewältigen. Man kann nicht immer nur die Schokolade bekommen, man bekommt auch manchmal schwere Kost, die weniger angenehm zu verdauen ist. Dieser Fall gehört in diese Kategorie. Teldafax ist ein Erbe, um das man sich nicht reißt, welches es aber professionell abzuwickeln gilt.

16 Millionen Euro Rückzahlung wären ins Sportliche umgerechnet ungefähr ein Hakan Calhanoglu. Was würde diese Zahlung - sollte sie vor Gericht Bestand haben - für den sportlichen Bereich bedeuten?

Schade Darüber denke ich heute nicht nach. Wir gehen in Berufung. Wenn wir dann eine endgültige Entscheidung haben, werden wir sehen, was zu tun ist.

Wenn wir gerade schon etwas in die Zukunft schauen: Auf welchem Tabellenplatz wollen Sie Bayer 04 denn in den kommenden Jahren sehen?

Schade Es gibt den Begriff "Vizekusen", den ich zwar nicht mag, der sich aber eingebürgert hat. Ich habe immer deutlich gemacht, dass "Vizekusen" nicht der Deckel für unser Denken sein darf. Aber es wäre momentan vermessen, mit einer internationalen Ausnahmemannschaft in Deutschland von Titeln zu reden. Dennoch dürfen wir nie aufhören, danach zu streben und werden alles dafür tun, dies irgendwann auch zu erreichen. Im DFB-Pokal kann man in nur sechs Spielen erfolgreich sein. Und ich glaube, dass man an einem Tag - an einem besonders guten Tag - auch die Münchener mal gefährden könnte. Ich glaube jedoch nicht, dass es über 34 Spieltage derzeit diese Möglichkeit gibt.

Und wo ordnen Sie sich da ein?

Schade Unser erklärtes Ziel muss sein, möglichst jedes Jahr in der Champions League zu spielen. Das ist für Bayer schon ein ambitioniertes Ziel, welches aber erreichbar ist. Und vielleicht stecken wir uns in ein oder zwei Jahren auch mal ein Ziel, das dann höher gesteckt ist als das Achtelfinale in der Königsklasse.

Macht sich Bayer 04 manchmal selbst etwas zu klein?

Schade Das glaube ich nicht. Aufgrund der Tatsache, dass dieser Verein in entscheidenden Momenten entscheidende Spiele verloren hat und deshalb in jüngerer Vergangenheit keinen großen Titel gewonnen hat, versucht man uns immer einzureden, dass wir uns klein reden würden. Dabei schätzen wir unsere Möglichkeiten realistisch ein. Wir sagen: Wir wollen einen Champions-League-Platz. Das ist ambitioniert. Alles was über das Ziel hinausgeht, wäre aufgrund der Münchener Dominanz vermessen. Wenn ich jetzt sagen würde, wir wollen Deutscher Meister werden, hätten Sie zwar eine Schlagzeile, aber ganz Deutschland würde ulken: Der Schade hat einen an der Waffel. Und das mit Recht.

Ist die Bundesliga wegen der Bayern-Dominanz in Gefahr?

Schade Ich bin kein Verfechter dieser Aussage. Momentan ist mir um die Verkaufsware Bundesliga, auch als internationales Fernsehprodukt, nicht Bange. Es mag sein, dass nach drei, vier Jahren dieser Dominanz eine gewisse Langeweile einkehrt. Im Moment sehe ich das noch nicht, weil der Kampf um die Plätze dahinter unheimlich eng ist. Spannung ist genug da, die Stadien sind voll, die Leute sind begeistert, obwohl wir keine Spannung an der Spitze haben.

Der große Konkurrent Dortmund scheint aus dem Rennen um internationale Plätze zu sein. Wie ärgerlich ist es, jetzt nicht Platz zwei inne zu haben?

Schade In dieser Saison hätten wir in der Tat die Chance gehabt, mit einigen Siegen mehr, uns schon deutlicher von der Konkurrenz abzusetzen. Wir haben zu viele Spiele nicht gewonnen. Ich bin aber der Überzeugung, dass wir trotz der Rückschläge auf dem richtigen Weg sind.

Sie scheinen von dem Trainer vollends überzeugt zu sein.

Schade Ja, das bin ich. Roger Schmidt hat bei unserem ersten Treffen in Lüdenscheid gesagt: ,Es wird Spiele geben, die wir nicht gewinnen werden, aber die Leute werden dennoch zufrieden nach Hause gehen.' Ich habe damals lange darüber nachgedacht. Gegen Bremen und Mönchengladbach waren aber jetzt solche Beispiele. In der vergangenen Saison haben wir viele, viele Punkte geholt, wo man aber ein ungutes Gefühl hatte und sich fragen musste: Wie haben wir das heute wieder gemacht? Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Die Spielanlage stimmt. Aber: Ich will nichts schönreden. Es fehlen die Punkte, da haben wir zu wenige.

Finanzstarke Klubs mit großen Geldgebern wie Ingolstadt und Leipzig, drängen in die Bundesliga und werden den Spielermarkt verändern. Welchen Weg wird Bayer gehen?

Schade Wir werden ganz konsequent den Weg fortsetzen, dass wir gute, auch teure Spieler verpflichten - aber nur solche, die eine Perspektive haben, sportlich und wirtschaftlich wertvoller zu werden. Ich würde keinen 33-jährigen Weltklassespieler kaufen, damit er hier seine Karriere beendet. Das ist nicht unser Modell. Wir setzen auf die Calhanoglus dieser Welt. Spieler zwischen 18 und 22, die ein paar Jahre hier spielen und uns weiterhelfen. Wir sind uns bewusst, dass sie ihre Karrieren bei noch größeren Klubs fortsetzen wollen, aber dann bitteschön mit dem entsprechenden finanziellen Erfolg für uns.

PATRICK SCHERER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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