Bayer Leverkusen Kießling trifft nach 860 Minuten wieder das Tor

Leverkusen/Hannover · Den Moment seines Erfolges wollte Stefan Kießling am Samstagabend in Ruhe verbringen, jedenfalls nicht vor den Mikrofonen der wartenden Journalisten. So stapfte der Torjäger nach seinem Treffer zum 1:0 gegen Hannover, mit dem er seine Torkrise nach 860 Minuten beendet hatte, in Richtung Mannschaftsbus. "Ich sage heute nichts", so sein knapper Kommentar. Dabei hätte er einiges zu erzählen gehabt.

Hannover - Bayer: Einzelkritik
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Zum Beispiel, wie hervorragend Gonzalo Castro ihn in der 46. Minute angespielt hat und er den Ball nur noch an Ron-Robert Zieler vorbei ins Netz drücken musste. Er hätte sich auch der Frage stellen können, warum sein Team auswärts offenbar auf seine Treffer angewiesen ist. Denn seinen ersten Saisontreffer machte Kießling an Spieltag eins in Dortmund, als die Mannschaft von Roger Schmidt 2:0 gewann. Bis zur 46. Minute in Hannover hatte der 30-Jährige nicht getroffen und Bayer in der Fremde kein Spiel mehr gewonnen. Doch der Mittelstürmer überließ das Reden an diesem Abend den anderen.

Sportdirektor Rudi Völler sprang ein und machte sich Gedanken, wie es um das Befinden seines Spielers bestellt ist. "Jeder Stürmer tut immer so, als wäre das halb so wild. Aber da fällt natürlich eine Zentnerlast ab", sagte Völler. Torwart Bernd Leno gab zu, dass es innerhalb des Teams "nie ein Thema gewesen" sei. "Kieß hat immer Gas gegeben, jetzt wurde er belohnt", sagte Leno.

Tatsächlich war es in Hannover ein typisches Spiel des Mittelstürmers. Er lief Räume zu, führte wichtige Zweikämpfe und bot sich oft als Anspielstation an. Kießling füllt die Rolle des arbeitenden Stoßstürmers perfekt aus. Doch der aufopferungsvolle Spielstil des 1,91 Meter großen Stürmers scheint ein großes Manko zu haben - er kommt dadurch seltener zu eigenen Torabschlüssen. Die Außenstürmer Karim Bellarabi und Heung-Min Son haben ebenfalls in Hannover getroffen. Für die beiden war es das jeweils fünfte Saisontor. Immerhin konnte Kießling mit Spielmacher Hakan Calhanoglu und Abwehrspieler Tin Jedvaj nach Treffern gleichziehen.

Vielleicht war es exemplarisch, dass mit Gonzalo Castro keiner der Außenstürmer neben Kießling den Treffer in Hannover vorbereitet hat. Bellarabi und Son mussten sich zuletzt Kritik von Ex-Stürmer Erik Meijer gefallen lassen. Der Niederländer hatte gesagt, dass Kießling unter seinen egoistischen Mitspielern leide. Trainer Roger Schmidt gab ihm recht, sprach aber nicht von Egoismus. Vielmehr fehle es den Stürmern in den entscheidenden Momenten am Blick für den besser stehenden Mitspieler.

Den muss die Bayer-Offensive in den nächsten Spielen wieder unter Beweis stellen, wenn Kießling dauerhaft auch zum Toreschießen auf dem Platz stehen soll. Ersatzmann Josip Drmic wird das offenbar nicht zugetraut. Der Schweizer bekam trotz der Torkrise von Kießling selten die Chance, es besser zu machen.

(RP)
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