Red Bull gegen Bayer Leipzig gegen Leverkusen - kein Spiel für Fußballromantiker

Leverkusen · Rein sportlich gesehen klingt es nach einem heißen Duell zweier Spitzenteams im Kampf um einen Platz in der Champions League. Aus emotionaler Sicht ist das Montagsspiel hingegen eine eher abgekühlte Veranstaltung.

Wendell und Leipzigs Timo Werner tauschen Nettigkeiten aus.

Wendell und Leipzigs Timo Werner tauschen Nettigkeiten aus.

Foto: rtr, saw

Leipzig spielt am Montagabend gegen Leverkusen - zwei Teams, deren Vereinswappen im Wesentlichen aus den Markenzeichen von Weltkonzernen bestehen: Red Bull gegen Bayer.

Für Fußballromantiker und Traditionalisten ist die Begegnung ein Graus. Auch wenn Bayer 04 eine 114-jährige Geschichte voller Höhen und Tiefen hinter sich hat, gilt der Verein für viele als Produkt des Mutterkonzerns. Noch krasser ist die Lage in Leipzig, wo der österreichische Aufputschbrausehersteller zu 99 Prozent Gesellschafter ist. Der eigentliche "Verein" macht den Rest aus. Die wenigen stimmberechtigten Mitglieder sind dem Getränkekonzern freilich eng verbunden.

Zu allem Überfluss findet die Partie an einem Montagabend statt. Vor allem bei organisierten Fans ist der Termin verhasst. Sie empfinden die Spiele am Wochenanfang als Affront. Für Berufstätige seien Auswärtsfahrten kaum noch möglich, argumentieren sie. Zudem seien die zerrissenen Spieltage ein Beleg für die kommerzielle Ausschlachtung des Fußballs. Der Zuschauer im Stadion diene nur noch als stimmungsmachende Folklore, die notfalls verzichtbar ist. Das Geld für die astronomischen Summen im Profifußball wird längst nicht mehr am Ticketschalter generiert, sondern durch Übertragungsrechte.

Leipzig-Fans wollen eine Halbzeit schweigen

Protestaktionen gegen die Montagsspiele gab es bereits in vielen Stadien. Die Anhänger von Bayer 04 hatten schon vor Wochen angekündigt, dem Spiel in Leipzig fernbleiben zu wollen. Auf der Gegenseite ist heute 45-minütiges Schweigen geplant, um ein Zeichen zu setzen. "Ich kann die Fans verstehen", sagt Nationalspieler Julian Brandt. Der 21-Jährige hat seinen Vertrag bei Bayer unlängst bis 2021 verlängert. "Wenn man in der Mannschaft fragt, würden, glaube ich, alle lieber am Freitag, Samstag oder Sonntag spielen." Man könne demonstrieren und protestieren, sagt er. "Die Frage ist, ob es am Ende etwas bewirkt." Gewisse Dinge ließen sich nicht aufhalten.

Dazu gehört wohl auch die Vermarktungsspirale im Profifußball. Kritiker warnen, dass diese Schraube in nicht allzu ferner Zukunft überdreht sein könnte. Doch nach wie vor verkünden die Deutsche Fußball-Liga (DFL) und die Vereine Rekordumsätze. Der Markt scheint noch nicht gesättigt. Das zeigt auch ein Blick nach England, wo die Premier League in Sachen Kommerz noch zwei, drei Schritte voraus ist. Dennoch ist sie weltweit die Liga mit der höchsten Strahlkraft.

Bayers Trainer Heiko Herrlich äußerte ebenfalls Verständnis für den Unmut auf den Rängen - obwohl der Kerngedanke nicht verkehrt sei, Europa-League-Teams durch die Montagsspiele zu entlasten. "Wenn das von den Fans komplett boykottiert wird, muss man sich Gedanken machen und darüber sprechen. Wir als Mannschaft leben ja auch von der Atmosphäre in den Stadien", betont der 46-Jährige.

"Das wird ein Spiel auf Augenhöhe, in dem alles möglich ist", sagt Brandt mit Blick auf das Duell gegen den direkten Konkurrenten. Das klingt nach einer Partie, die sich Fußballfreunde nicht entgehen lassen sollten. Dennoch werden die Quoten und Ticketverkäufe wohl überschaubar bleiben.

Die Kommerzspirale dreht sich trotzdem weiter - und die Kluft zwischen Fans und ihrem Sport wird größer. Das Kapital killt den Kult.

(RP)
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