Bayer Leverkusen Simon Rolfes: "Sollte Bellarabi abheben, greife ich ein"

Leverkusen · Nach einem Syndesmosebandriss steht Simon Rolfes vor der Rückkehr in die Werkself. Der 32-Jährige ist seit vergangener Woche wieder im Teamtraining. Der Kapitän von Bayer 04 spricht im Interview mit unserer Redaktion über Klubs, die nach oben drängen, seinen körperlichen Zustand und familiäre sowie berufliche Pläne.

Das ist Simon Rolfes
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Foto: dpa, Daniel Naupold

Herr Rolfes, Sie haben am Freitag den Startschuss zum 24-Stunden-Schwimmen im Calevornia gegeben. Wie wichtig ist es für Sie, Kinder zum Sport zu motivieren?

Rolfes Es ist enorm wichtig, dass Kinder Sport treiben. In unserer Gesellschaft fehlt das immer mehr. Der Sport hat nicht nur gesundheitliche Aspekte, es geht auch um soziale Integration, Teamgeist und Gemeinschaft. Zudem bekommen die Kinder ein Gefühl für ihren Körper. Mit Sport können Probleme, die im Erwachsenenalter kommen — wenn man keinen Sport treibt — beheben.

Sie hatten zuletzt eine schmerzhafte Beziehung zu Ihrem Körper: einen Syndesmosebandriss. Jetzt sind Sie wieder im Mannschaftstraining. Reicht es schon für das Spiel am Samstag in Hannover?

Rolfes Ich denke schon. Vergangene Woche habe ich große Fortschritte gemacht, werde nun weitere Fortschritte machen. Ich würde in einer guten Verfassung ins Spiel gehen.

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Hat Trainer Roger Schmidt Druck gemacht, dass Sie früh zurückkehren? Es gibt im defensiven Mittelfeld ja einige Ausfälle.

Rolfes Nein, das gar nicht. Es wurde wunderbar abgesprochen, wie der Zeitplan aussieht. Es war immer klar, dass bei gutem Verlauf das Hannover-Spiel das Ziel ist. Und es ist genauso gelaufen, wie ich es mir vorgestellt habe.

Sie mussten lange zuschauen, hatten dabei aber die Gelegenheit, das Team von außen zu analysieren. Warum hinkt Bayer 04 in der Liga hinterher?

Rolfes Teilweise haben wir euphorisch gespielt, aber dann die Punkte liegengelassen. Bei aller Euphorie: Der Ball muss auch rein. In der einen oder anderen Partie haben wir uns an unserem Spiel berauscht und die Effizienz verloren. International haben wir das besser gemacht. Gegen St. Petersburg im Heimspiel in der Champions League war es zum Beispiel richtig gut.

Läuft es besser, wenn Sie wieder eine ordnende Rolle einnehmen können?

Rolfes (lacht) Was soll ich da sagen? Natürlich! Ich hoffe sehr, dass ich der Mannschaft positive Impulse geben kann. Ich bin auch selbstbewusst genug, zu sagen, dass ich ein guter Spieler bin und der Mannschaft helfen kann. Wenn jetzt auch Gonzo [Gonzalo Castro, Anm. d. Red.] zurückkommt, haben wir wieder mehr Alternativen, können in den englischen Wochen rotieren. Das kommt dem ganzen Team zugute. Wir haben noch ein knackiges Programm bis Weihnachten mit sehr vielen guten Gegnern. Da wollen wir richtig Punkte machen.

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In der aktuellen Ausgabe von "11 Freunde" haben Sie ihr Finanzwissen unter Beweis gestellt. Wie viele Rolfes-Generationen sind denn finanziell abgesichert?

Rolfes Völlig unabhängig von diesem Interesse und meinem beruflichen Erfolg müssen meine Kinder selbst ihr Leben angehen und ihre Wege finden. Sie müssen sich auf eigene Beine stellen und sich nicht auf das verlassen, was Papa, Mama oder Oma und Opa irgendwann mal gemacht haben. Deshalb ist das irrelevant.

Man merkt, Sie machen sich zum Thema Vorsorge Gedanken. Kommen auch Spieler zu Ihnen und fragen Sie um Rat?

Rolfes Das ist vollkommen normal. Manche wissen, dass ich mich damit beschäftige und fragen mich unter vier Augen um Rat. Das bleibt dann auch unter vier Augen. Ich helfe gerne anderen Menschen.

Müssen Sie manchmal mit dem Kopf schütteln, wenn Sie merken, dass junge Kollegen die Bodenständigkeit verlieren?

Rolfes Dass die Verführung für junge Spieler im Profifußball eine latente Gefahr bedeuten kann, ist keine Frage. Da gibt es große Herausforderungen für 18-, 19-, 20-Jährige. Die kommen mittlerweile so früh ins Geschäft, und wenn sie gut sind, schießen sie vom Jugendplatz innerhalb eines Jahres direkt in die Nationalelf. Welcher 18-Jährige verkraftet so etwas so einfach in unserer Gesellschaft? Für viele Menschen ist das gar nicht zu beurteilen. Da sagen manche: "Wie kann der so bekloppt sein, wieso verliert der die Bodenhaftung?" Diese Leute würden es aber vielleicht genauso machen. Kein 18-Jähriger kommt von der Schule direkt in eine Führungsposition bei einem Unternehmen. Im Fußball geht das und ist nicht einfach. Deshalb sollte man das nicht abschätzig beurteilen. Meine Wertschätzung für diejenigen, die bodenständig bleiben, ist jedenfalls groß. Das zeigt einfach einen starken Charakter.

Sie haben in Karim Bellarabi einen Spieler im Kader, der in dieser Saison der Senkrechtstarter ist. Ihm wurde nachgesagt, er hätte früher etwas die Bodenhaftung verloren und ist nun als 24-Jähriger ein Vollprofi. Ist er endgültig geläutert?

Rolfes Ich glaube schon, dass ihm auch negative Erfahrungen gut getan haben. So etwas hilft jungen Spielern, wenn sie daraus richtig lernen und einen realistischeren Blick bekommen. Wenn man an Negativerlebnissen arbeitet — so wie Karim — und dann gestärkt und vielleicht sogar verbessert herauskommt, ist das klasse. Ich denke, er hat an Stabilität gewonnen, weil er weiß, dass es auch negative Erlebnisse gibt.

Wenn Sie merken, Karim oder irgendein anderer Akteur hebt ab, greifen Sie da ein?

Rolfes Natürlich ist das als Kapitän und erfahrener Spieler auch meine Rolle — und gerade zu Karim habe ich einen guten Draht. Wenn mir auffallen würde, dass er nach meinem Empfinden auf einem falschen Weg ist, würde ich ihm das auch sagen.

Wenn wir über Reifeprozesse sprechen: Ist die aktuelle Werkself schon reif für einen Titel?

Rolfes Man kann auch sehr jung einen Titel holen. Das Momentum ist manchmal entscheidend, nicht die Reife einer Mannschaft. Wir haben viele Spieler im Kader mit Potenzial, sich zu verbessern. Das heißt aber nicht automatisch, dass man jetzt auch den richtigen Moment hat, einen Titel zu holen.

Ihr Vertrag läuft zum Saisonende aus. Sie sind dann 33 Jahre alt. Wie weit ist die Ziellinie Ihrer aktiven Karriere noch entfernt?

Rolfes (lacht) Mit Sicherheit bin ich nicht mehr am Anfang. Die Hälfte habe ich wohl auch schon überschritten. Jetzt ist die Frage, wie lange der Lauf ist. Natürlich bin ich mir bewusst, dass das Ziel in absehbarer Ferne ist.

Können Sie sich nur bei Bayer 04 eine Zukunft als Aktiver vorstellen?

Rolfes Ich habe ausgeschlossen, dass es USA oder Katar werden. Ich bin seit 2005 hier, dem Verein auch verbunden und kann mir vorstellen, hier die Karriere zu beenden.

Hat der Verein schon konkrete Pläne mit Ihnen für die Zeit nach der aktiven Karriere?

Rolfes Bei der letzten Vertragsverlängerung gab es von Wolfgang Holzhäuser [ehem. Geschäftsführer, Anm. d. Red.] das Ansinnen, ob man in den Spielervertrag einen Anschlussvertrag mit einbaut. Aber es war nie mein Bestreben, da etwas zu vermischen. Das sehe ich getrennt.

Aber es wäre schon sträflich vom Verein, eine Bayer 04-Ikone, die Sport-Management studiert, gehen zu lassen, oder?

Rolfes Das muss der Verein für sich entscheiden. Das kann und will ich nicht beurteilen.

Welche Aufgabe würde Sie denn reizten?

Rolfes Im Sport-Management gibt es verschiedene Ausgestaltungen. Langfristiges, strategisches Arbeiten reizt mich. Das bereitet mir Freude. Deshalb bin ich in meiner Karriere auch nicht jedes Jahr woanders hin. Mir hat es immer Spaß gemacht, Dinge mitaufzubauen.

Ich nehme Sie als Spieler wahr, der auch über den Trainingsplatz hinausschaut. Auf welchem Weg sehen Sie Bayer 04 mittel- und langfristig?

Rolfes Ich denke, der Verein ist gut aufgestellt und wir haben eine junge, entwicklungsfähige Mannschaft. Es warten aber mit Sicherheit auch Herausforderungen. Man darf nicht unterschätzen, dass es neben Bayern, Dortmund, Schalke und uns Vereine gibt, die mit aller Macht nach oben drängen: Wolfsburg, RB Leipzig. Die Dichte bei den Teams, die die Champions League erreichen wollen, wird größer. Das wird ein großer Kampf in den nächsten Jahren.

Was muss passieren, um sich da dauerhaft zu behaupten?

Rolfes Wolfsburg und Leipzig kommen natürlich mit enormer Finanzkraft. Man muss gute Arbeit machen und versuchen, mehr herauszuholen als andere.

Würde es Sie denn mehr reizen, im Sport-Management einen Verein wie Bayer 04 oben zu halten oder einen kleineren nach oben zu bringen?

Rolfes Sport-Management reduziert sich ja nicht nur darauf. Ich will eine Aufgabe mit langfristigen Zielen und dafür arbeiten. Es ist irrelevant, wie die Konstellation ist, die Aufgabe muss mich packen.

Zum Abschluss: Wie bewerten Sie die Nationalelf nach dem WM-Gewinn? Macht Jogi Löw Fehler?

Rolfes Es war zu erwarten, dass es eine schwierige Phase gibt. Der Herbst ist die anstrengendste Zeit des Fußballjahres. Und mittlerweile ist die EM-Qualifikation, dadurch, dass auch die besten Dritten reinkommen, quasi ein Selbstläufer. Die Spannung nach so einem WM-Triumph lässt bei den Spielern natürlich nach, auch wenn das keiner zugibt. Das ist völlig normal. Im Winter muss Kraft gesammelt und nach vorne geguckt werden. Der WM-Triumph? Wunderbar! Aber für den Erfolg von gestern kannst du dir heute nichts mehr kaufen.

(RP)
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