Wie groß ist Guardiolas Anteil am Weggang? Kein Platz mehr für "Fußballgott" Schweinsteiger

Mönchengladbach/München · Bei Manchester United will Bastian Schweinsteiger zurück zu alter Stärke finden. Der FC Bayern bedauert seinen Abgang, ist jedoch weit entfernt von Trauerstimmung.

Fragen und Antworten zu Schweinsteigers Wechsel
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Der ewige Bayer ist dann mal weg. Am Sonntag beim Telekom-Cup im Mönchengladbacher Borussia-Park konnten sich die Münchner schon mal daran gewöhnen, dass sie nun eine Mannschaft ohne Bastian Schweinsteiger sind. Tags zuvor bei der Saisoneröffnung hatten sie das üben müssen. Die Begleitmusik dazu kam von den Rängen. 70.000 Bayern-Fans murrten, viele pfiffen, als Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge ihnen die Nachricht überbrachte. Er habe "durchaus versucht, ihn zu überzeugen, zu bleiben", sagte Rummenigge, aber Schweinsteiger habe sich für Manchester United entschieden.

Das ist die offizielle Lesart. Wahr daran ist, dass der Spieler die Entscheidung getroffen hat. Die Bayern hätten es nicht gewagt, den Kapitän der Nationalmannschaft vom Hof zu jagen — vor Ablauf seines Vertrages, der immerhin noch ein Jahr gültig ist. Aber sie haben ihm die Entscheidung auch nicht sehr schwer gemacht.

Natürlich bestreiten alle Führungsfiguren im Klub, dass Schweinsteiger geht, weil er sich von Trainer Pep Guardiola nicht ausreichend respektiert fühlt. Rummenigge erklärte: "Dass er wegen unseres Trainers gegangen oder gar geflüchtet wäre, muss ich ins Reich der Fabel verweisen." Guardiola hatte zuvor festgestellt: "Über den Verlauf einer großen Karriere entscheiden große Spieler, nicht Pep." Den Verdacht, dass es sich dennoch um eine Flucht handelt, zerstreuen sie damit nicht. Vielleicht erhärten sie ihn nur.

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Die Tatsachen sprechen nämlich gegen die Darstellung des Vereins. Schweinsteiger ist nach (wieder mal) überstandener Verletzung zwar in Guardiolas Team zurückgekehrt, nie aber auf jene Position, auf der er ein Weltklassespieler wurde. Der katalanische Trainer setzte auf den spanischen Strategen Xabi Alonso in der zentralen defensiven Mittelfeldrolle, Schweinsteiger mühte sich wie zu Beginn seiner internationalen Karriere auf dem Flügel oder im vorgezogenen Mittelfeld, jedenfalls eher vor dem Ball, wie das so schön heißt. Dort ist er seiner großen Stärken beraubt. Und dort haben die Bayern das größte Angebot an Klasseleuten wie Thiago, Philipp Lahm und David Alaba, die Schweinsteiger Konkurrenz machen.

Guardiola hat nicht erkennen lassen, dass er auf Schweinsteiger als Fixpunkt seiner Mannschaft setzt. Das hat nicht nur der Spieler gemerkt, es teilte sich auch den Kollegen mit. Sie haben deshalb das größte Verständnis für den Abgang des vermeintlich ewigen Bayern. "Ich glaube, dass wir sehr traurig sind", sagte Verteidiger Jerome Boateng auf seine manchmal so unnachahmliche Art. Torwart Manuel Neuer beteuerte: "Ich bin sehr traurig, weil wir befreundet sind."

Schweinsteiger erhält in Manchester Drei-Jahres-Vertrag

Zu einer tristen Gedenkfeier wird es trotzdem nicht kommen. Schließlich wird Schweinsteiger auch künftig keine Sozialhilfe beantragen müssen. Er erhält bei Manchester United einen Drei-Jahres-Vertrag, der ihm wie in München ein auskömmliches Jahresgehalt von zehn Millionen Euro garantieren soll. Viel wichtiger aber ist ihm, dass Trainer Louis van Gaal sehr wohl eine zentrale Rolle für ihn vorgesehen hat. "Man kann vieles entwickeln", erklärte der Holländer, "aber wenn man etwas holt, muss es besser sein als das, was man hat."

Van Gaal ist überzeugt davon, dass er sich "etwas Besseres" geholt hat. Denn der Stratege Schweinsteiger ist ein bisschen seine eigene Erfindung. Der Holländer hat vor fünf Jahren nicht nur den Stil der Bayern entscheidend renoviert, er war es auch, der Schweinsteiger vom Flügel in die defensive Mitte versetzte. Damit trug er zu Münchens Aufstieg in die fußballerische Spitze Europas ebenso bei wie zum deutschen WM-Titel von Brasilien. Im Finale machte Schweinsteiger das Spiel seines Lebens.

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Bedenken, dass der Mittelfeldmann mit 30 Jahren im Herbst seiner Karriere durch längere Verletzungspausen nicht mehr auf sein Topniveau kommt, hat van Gaal nicht. Die Bayern schon, obwohl sie es nicht verraten. Sie reden jedoch verdächtig häufig vom "verdienten Spieler" und möglichen Anschlussjobs im Verein.

Kritiker der Münchner Vereinspolitik finden, dass der Klub dabei ist, sein bayerisches Herz zu verlieren, das Familiäre, für das vor allem der langjährige Manager und Präsident Uli Hoeneß stand. Dessen Einfluss ist durch die Haftstrafe offenkundig geringer geworden. Der von Guardiola wuchs dagegen. Er hat Kraftproben wie die mit dem Ärztestab um Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt gewonnen, und er hat Trainerteam und Kader eine starke spanische Note verpasst.

Für die "Ikone" Schweinsteiger, den die Fans als "Fußballgott" preisen, ist da kein Platz. Nach 17 Jahren verlässt ein Gesicht des Vereins den FC Bayern. Eine Rückkehr ist allerdings wahrscheinlich. Auch der große Franz Beckenbauer floh einst in die Staaten — weniger wegen eines Trainers, vielmehr wegen der Steuern. Er paar Jahre später war er führender Funktionär und immer mal wieder Interimstrainer. Die Fans müssen die Hoffnung auf ihren "Fußballgott" also nicht aufgeben.

(RP)
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