Bundesliga am Samstag Augsburg ist erfahren, bodenständig, klug

Augsburg/Düsseldorf · Der FC Augsburg geht als Tabellendritter ins Spitzenspiel gegen Bayern München. Mit einem Sieg ist der Rekordmeister Herbstmeister – das will der große Außenseiter verhindern.

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Der FC Augsburg geht als Tabellendritter ins Spitzenspiel gegen Bayern München. Mit einem Sieg ist der Rekordmeister Herbstmeister — das will der große Außenseiter verhindern.

Augsburg hat die Puppenkiste, ein römisches Museum, den Stadtpalast der Fugger und einen eigenen Feiertag. Das Augsburger Hohe Friedensfest wird jedes Jahr am 8. August gefeiert. Vielleicht gibt es in Kürze einen zweiten Feiertag. Die Mannschaft des Fußballclubs Augsburg schickt sich nämlich an, die Startberechtigung für die internationalen Wettbewerbe zu erreichen. Dritter in der Bundesliga ist sie, und heute spielt sie gegen den großen FC Bayern München.

Angst macht ihr das nicht. Denn sie hat im vergangenen Frühjahr schon mal gezeigt, dass der Rekordmeister nicht unbesiegbar ist. Mit 1:0 gewann der FCA sein vorerst letztes Heimspiel gegen die Bayern, als die eine Woche vorher den Meistertitel perfekt gemacht hatten. Für die Münchner endete eine Rekordserie von 53 Bundesligaspielen ohne Niederlage. Daran erinnern sich die Augsburger natürlich gern. Weil es gerade so gut läuft, weil alle gute Laune haben, weil sich aber trotzdem niemand findet, er müsse sich deshalb den ganzen Tag im offenen Wagen durch die Stadt fahren lassen, hat der Mittelfeldspieler Tobias Werner ein schönes Wort geprägt: "Wir sind euphorisch-bodenständig."

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Foto: dpa/Tim Rehbein

Das ist nur scheinbar ein Gegensatz. Es herrscht eine große Begeisterung für das eigene Produkt in dieser Mannschaft. Aber keiner in diesem Team aus meist älteren Spielern, die anderswo nicht so richtig klarkamen, deren Begabung vielleicht nicht so recht entdeckt worden war oder deren beste Zeit lange zurückzuliegen scheint, hat vergessen, wo er herkommt. Und jeder weiß, wo er spielt, dass Augsburg erst im vierten Bundesligajahr steht und vor fast zwei Jahren eigentlich abgestiegen war.

Damals beginnt die Erfolgsgeschichte. Wie viele schöne Geschichten beginnt sie an einem Tiefpunkt. Neun Punkte hat die Mannschaft mit ihrem neuen Trainer Markus Weinzierl in der ganzen Hinrunde geholt. Zwei Manager sind verschlissen worden, als Stefan Reuter mit der fragwürdigen Empfehlung kommt, beim TSV 1860 München in knapp drei Jahren kein bleibendes Lebenswerk hinterlassen zu haben. Alle warten darauf, dass der neue Geschäftsführer in seiner ersten Amtshandlung den unerfahrenen Coach ebenfalls in die Wüste schickt.

Wendepunkt in der Türkei

Aber Reuter, der Weltmeister von 1990, hat eine andere Idee. Er entscheidet Weihnachten 2012 gegen die ursprünglichen Klubplanungen, gemeinsam mit Trainer und Mannschaft nach Belek in ein Trainingslager zu reisen. Dabei lernt er Weinzierls Arbeit kennen, und er sagt heute: "Das hat vom ersten Tag an einen sehr guten Eindruck gemacht." Er verschweigt, was Spieler hinter vorgehaltener Hand erzählen: Reuter bringt dem im Profifußball mit all seinen Merkwürdigkeiten ein wenig irrlichternden Coach ein paar wesentliche Geheimnisse der Zusammenarbeit bei. Reuter steht auch jetzt noch gern mit auf dem Platz. Er sagt: "Im Grunde genommen führen wir die Mannschaft gemeinsam." Es wäre auch noch schöner, wenn nur einer den Ruhm genießen soll.

Die ersten Früchte ernten die Augsburger zum Rückrundenauftakt 2013. Unter gütiger Mithilfe schlafmütziger Düsseldorfer, die ihnen kuriose Tore schenken, gewinnen sie am 19. Januar 2013 bei der Fortuna mit 3:2. Für die Düsseldorfer ist das der Anfang vom Ende, sie steigen ab, obwohl sie vor dieser Begegnung noch zwölf Punkte Vorsprung auf Augsburg hatten. Der FCA dagegen wird von Woche zu Woche stärker, selbstbewusster, erfolgreicher. Er sichert den Klassenerhalt, weil er sagenhafte 24 Punkte in der Rückrunde sammelt.

Viele Experten halten das für ein Wunder und deshalb für einmalig. Aber die Augsburger machen einfach weiter. In diesem Jahr haben sie saisonübergreifend 52 Punkte eingefahren - und noch sind drei Spiele zu spielen. Es ist also kein Zufall, dass Augsburg oben mitmischt.

Aber ist es auch zu erklären? Der 37 Jahre alte Torwart Alexander Manniger glaubt schon. "Wir haben im Grunde die Form aus dem Frühjahr in den Herbst rübergeholt", sagt er dem "Münchner Merkur", "und wir sind trotz des Fehlstarts in die Saison ruhig geblieben." Das ist eine Frucht der Erfahrung. So schnell bringt niemand diese Truppe aus der Ruhe. Auf Rückstände reagiert sie zuverlässig ohne Hektik, und weil ihr Trainer in Ermangelung von Alternativen überhaupt nichts von der Rotation hält, sind alle Abläufe perfekt eingespielt.

"Es kommt auf die richtigen Wege an"

Das Feld ist gut aufgeteilt, und obwohl es so aussieht, als renne das Team mit extremen Laufleistungen seine Gegner nieder, liegt es in der Bundesliga-Lauftabelle auf dem vorletzten Rang. Das zeigt mal wieder, dass Fußball zwar ein Laufspiel, aber kein Wettbewerb für Leichtathleten ist. Halil Altintop, neben Daniel Baier und Tobias Werner eine der wesentlichen Größen beim FCA, hat das gerade mal wieder bestätigt. "Wenn's nur um die zurückgelegten Kilometer geht, würde der FC Bayern nie deutscher Meister", sagt er. Es kommt auf die richtigen Wege an. Weinzierl scheint sie seiner Mannschaft eingeschrieben zu haben. "Es sind Automatismen im Spiel, die einfach greifen", erklärt Reuter.

Und die Augsburger wissen inzwischen um ihre Qualitäten. Sie lassen sich nicht einmal von dem Umstand beeindrucken, dass 16 von 17 Konkurrenten in der Liga Mannschaften mit einem zum großen Teil deutlich höheren Marktwert ins Rennen schicken, nur Paderborn (24,95 Millionen Euro) liegt hinter Augsburg. Die Fachleute von "Transfermarkt" schätzen den Marktwert des Tabellendritten auf 43,25 Millionen Euro, rund sieben Millionen weniger, als für Robert Lewandowski vom heutigen Gegner Bayern München allein veranschlagt werden.

Auch aus solchen Zahlen leiten sich die Ziele der bayerischen Schwaben ab. Reuter spricht trotz des Höhenflugs nur vom Klassenerhalt. Er weist darauf hin, dass alle Spiele "ganz eng waren". Und er lässt sich nicht aus der Reserve locken. Der Manager bleibt bodenständig, die Euphorie überlässt er den Spielern. Die wiederum vertrauen einfachen Wahrheiten. Eine hat ihr Trainer nach dem in letzter Minute herausgeschossenen 2:1-Erfolg in Köln vor einer Woche ausgesprochen. Sie lautet: "Wenn's läuft, läuft's." Und im Moment läuft's.

(RP)
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