Kurt Landauer Der vergessene Bayern-Präsident

München/Düsseldorf · Kurt Landauer legte in der Klubkultur die Wurzeln für den modernen Verein. Heute erinnert die ARD an ihn.

Zehn Jahre hat Karl-Heinz Rummenigge beim FC Bayern München gespielt - von 1974 bis 1984. Noch heute versichert er, dass er in seiner aktiven Zeit den Namen Kurt Landauer nie gehört habe. Inzwischen hat sich das geändert. Landauer ist vor einem Jahr posthum zum Ehrenpräsidenten gewählt worden. Und er war einer der wichtigsten Vereinsvorstände in der Geschichte der Bayern. Das würdigt die ARD heute Abend. Sie strahlt den Spielfilm "Landauer - Der Präsident" (20.15 Uhr) aus.

Seine Nachfolger in München haben sich lange schwergetan mit einem ehrenden Gedenken. Als der heutige Vereinschef Rummenigge noch in kurzen Hosen über den Platz hetzte, erklärte Präsident Willi O. Hoffmann: "Wir mussten damals kämpfen ums nackte Überleben, wir waren alle so eingespannt, dass für die Pflege der Tradition kein Raum mehr war."

Das klingt wie ein Skandal. Und es ist auch einer. Das verdeutlicht schon ein Blick in Landauers Geschichte. Er war Jude, er wurde von den Nazis verfolgt, saß in den 1930er Jahren im Konzentrationslager und verlor vier seiner Geschwister im Terror des Dritten Reichs. Landauer kam mit dem Leben davon, weil er in die Schweiz flüchten konnte. Und obwohl er nach dem Krieg in die USA gehen wollte, war die Liebe zum alten Verein größer. Er baute den Klub ab 1947 wieder auf, und er starb 1961. Landauer prägte einen Klub, der nicht so recht in die sich langsam entwickelnde deutsche Fußball-Landschaft zu passen schien. Die Bayern waren ein Verein der Schwabinger Künstler, Studenten, Literaten und Bildungsbürger. Natürlich hatte er jüdische Mitglieder. Die Nazis nannten ihn einen "Judenklub" - auch weil der erste Meistertitel in Landauers Präsidentschaft mit dem jüdischen Trainer Richard Dombi (1932) errungen wurde.

Damals waren die Bayern in ihrer Fußballkultur bereits ein internationaler Verein. Auch dafür hatte Landauer gesorgt. Er setzte auf Jugendarbeit, schaute sich den Fußball in England, Österreich und Ungarn an. Er holte in William Townley schon in den 1920er Jahren einen englischen Profitrainer, der einen vergleichsweise kultivierten Fußball pflegte. Und Townley ließ die Spieler - seinerzeit sensationell - Spielzüge und Balltechnik üben. Als der Klub nach englischem Vorbild auf dem Weg zur Professionalisierung war, kamen die Nazis. Lan-dauer wurde abgelöst.

Vielleicht wäre sein Verein in der Versenkung verschwunden, wenn Landauer ihn nicht in die Moderne geführt hätte. Er leistete sogar Wiederaufbauarbeit für den Lokalrivalen München 1860, weil er als Geschäftsmann früh die Bedeutung von Lokalderbys erkannt hatte. Das war wegweisend für die wachsende Fußball-Metropole München. Trotzdem schien die Zeit über Lan-dauer hinwegzugehen. Er hinterließ wenig - keine Briefwechsel, keine Reden, kein fußballerisches Vermächtnis. Auf alten Fotos kann man allein ahnen, dass er den schönen Dingen, dem guten Essen und der bayerischen Lebensart offenbar zugetan war. Im Verein war er viele Jahre kein Thema. Sein Neffe Uri Siegel sagte dem "Bayerischen Rundfunk": "Die Geschichte des FC Bayern beginnt nicht erst mit Beckenbauer, Hoeneß, Rummenigge. Aber es ist ein allgemeines Problem, dass man die Vergangenheit zu schnell vergisst."

Allein die Münchner Ultra-Gruppe "Schickeria" hat das Andenken gepflegt, sie ehrte Landauer mit einer Choreographie im Stadion, und sie wurde dafür vom Deutschen Fußball-Bund mit dem Julius-Hirsch-Preis ausgezeichnet. Auch deshalb wird im Klub nun anders über Landauer geredet als vor ein paar Jahren. Während Vizepräsident Fritz Scherer 2009 die jüdische Geschichte des Vereins herunterspielte ("wir sprechen alle Menschen und alle Religionen an"), betonte Präsident Uli Hoeneß 2013: "Landauer war eine der prägendsten Figuren des FC Bayern, die Ehrenpräsidentschaft war überfällig."

Hans Steinbichler, der Regisseur des ARD-Films, findet, dass Landauer den modernen FC Bayern erfunden hat. "Die große Gemeinsamkeit ist, dass der FC Bayern völlig undenkbar ist ohne die Vorarbeit von Landauer", erklärte er, "seine Themen Jugendarbeit, Professionalisierung, Leute aus dem Ausland hinzukaufen, Trainingsmethoden - das ist so fundiert und revolutionär, dass man glauben muss, dieser Gedanke sei irgendwie zu Uli Hoeneß durchgereicht worden." Heute Abend werden das wieder ein paar Menschen mehr verstanden haben.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort