Analyse zum Fall Uli Hoeneß Das undurchsichtige Geflecht des FC Bayern

München · Nach der Verurteilung von Uli Hoeneß raten Compliance-Experten dem FC Bayern zur Aufarbeitung. Die Verbindungen des Vereins zum Ausrüster Adidas und die Millionenzahlung des damaligen Konzernchefs an Hoeneß geben Raum für Spekulationen.

Rummenigge vermisst Hoeneß auf der Tribüne
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Im Stadion im Münchner Stadtteil Fröttmaning blicken alle auf diesen einen Platz oben in der Ehrenloge des FC Bayern München. Der Sitz neben Karl-Heinz Rummenigge bleibt in der Bundesligapartie gegen Bayer Leverkusen (2:1) indes erwartungsgemäß leer. Uli Hoeneß fehlt am Tag eins nach seinem Rücktritt als Aufsichtsratschef jenes Vereins, den er seit mehr als 40 Jahren in unterschiedlichen Funktionen maßgeblich geprägt hat. Der Patron ist verurteilt, doch es bleiben viele offene Fragen nach dem spektakulären Steuerprozess. Es geht dabei vor allem um ein Nummernkonto in der Schweiz, auf dem sich in Spitzenzeiten bis zu 150 Millionen Euro befunden haben sollen.

In dem Verfahren gegen Hoeneß wurde nicht tiefer nach den Hintergründen geforscht, gleichwohl konnte sich auch die Justiz keinen Reim darauf machen, wie es zu immensen finanziellen Sprüngen kommen konnte. Eine Erklärung könnte sein, dass dem Zocker Hoeneß wie vielen anderen kleinen und größeren euphorischen Investoren vor knapp eineinhalb Jahrzehnten zunächst die rasant wachsenden Börsen extrem zugute gekommen waren. Damals ließ sich ganz schnell an der Börse mit wenig Einsatz sehr viel Geld, mit viel Einsatz immenses Geld verdienen. Nachdem um das Jahr 2000 die Blase geplatzt war, erlebten die einst hochgestimmten Gewinner im Kleinen und Großen ihr Börsenkurs-Waterloo. Auch bei Hoeneß folgten den kurzzeitigen Erträgen im dreistelligen Millionen-Bereich ebenso dimensionierte plötzliche Verluste.

Fall Uli Hoeneß: "Man hat das Gefühl, seine Hand schütteln zu wollen"
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Foto: afp, iw

In der strafrechtlichen Aufklärung war keine Rede von Schwarzen Kassen, Korruption oder Bestechung im großen Stil. Im Mittelpunkt derartiger Überlegungen steht eine Verbindung von Hoeneß mit dem damaligen Adidas-Chef, dem verstorbenen Robert Louis-Dreyfus. Der Franzose hatte 2001 Hoeneß 20 Millionen Mark für private Börsenspekulationen geliehen. Das ist die offizielle Version. Es macht stutzig, dass ausgerechnet Adidas wenig später als Gesellschafter bei der FC Bayern AG aufgenommen wurde. Für den fränkischen Sportkonzern war die Partnerschaft von immenser Bedeutung, verbunden mit dem Ziel, den US-Konkurrenten Nike auszustechen. Aber auch dies kennzeichnet den Menschen und treuen Freund Uli Hoeneß: Der Franzose war sein Freund. Warum sollte man von einem schwerreichen Freund wie Louis-Dreyfus nicht (übrigens korrekt zurückgezahltes) Geld annehmen? Als der Freund an Blutkrebs erkrankte, war es Kumpel Uli, der ihn in eine US-Spezialklinik begleitete.

Dennoch sagte Wirtschaftsprofessor Stephan Grüninger der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", es habe eine angreifbare Nähe zwischen dem FC Bayern und Adidas wohl gegeben, wozu auch die 20 Millionen Mark an Hoeneß gehörten: "Darum muss eine Untersuchung an diesem Punkt ansetzen. " Strafbare Korruption in diesem Zusammenhang wäre verjährt.

Die Frankfurter Juristin Sylvia Schenk fordert im Gespräch mit unserer Zeitung, dass die Klubs der deutschen Profiligen sich sogenannte Compliance-Regeln geben sollten, um Verhaltensregeln im Geschäftsgebaren verbindlich zu definieren. "Es ist eine romantische Vorstellung, dass Fußballvereine automatisch sauber handeln würden", sagt die Sportbeauftragte von Transparency International. "Im Übrigen sind das Wirtschaftsunternehmen von zum Teil beträchtlicher Dimension. Natürlich gibt es Verlockungen." Die Europäische Kommission hat erst unlängst in einem Bericht auf die Gefahren in der Branche hingewiesen: Bestechung, Steuerhinterziehung, Schwarzgeld, Untreue, Spielmanipulationen.

Schenk selbst war lange Teil eines Sportsystems, in dem nicht gefragt wurde, ob Zahlungen zulässig sind und korrekt abgewickelt werden. "Auch ich habe Schwarzgeld von Adidas bekommen", sagt die frühere Leichtathletin, die 1972 an den Olympischen Spielen in München teilnahm. "Eine Vertreterin des Ausrüsters hat mir trotz Amateur-Paragraf 1000 Mark im Jahr als Unterstützung geboten, das war zu der Zeit viel Geld. Dazu kamen teure Geschenke. Damit war ich nicht die Einzige, und im Fußball werden ganz andere Summen geflossen sein." Die Funktionäre hätten von Verstößen gegen die bis 1981 geltende Amateurregel gewusst. "Diese Doppelmoral hat niemand als Problem empfunden", sagt Schenk. "In diesem System ist auch ein Hoeneß groß geworden. Er hat es nie anders gelernt und ist aus diesem System nicht herausgekommen."

(RP)
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