Barca-Keeper nutzt Chance Ter Stegen: Beflügelt von der großen Bühne

München · Er kommt "nur" in der Champions League und im spanischen Pokal zum Einsatz, in beiden Wettbewerben winkt jetzt der Titel: Barcelonas Torhüter Marc-Andre ter Stegen hat die große Bühne eindrucksvoll genutzt.

Marc-Andre ter Stegen verhindert Ausgleich gegen FC Bayern München
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Ter Stegen kratzt Ball von der Linie

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Marc-Andre ter Stegen war eigentlich schon auf dem Weg in die falsche Ecke. Robert Lewandowski hatte alles in diesen Schuss gelegt, aus fünf Metern, dazu noch volley. Ter Stegen riss die linke Hand hoch und nahm dem Schuss so einen Großteil seiner Wucht. Doch der Ball trudelte trotzdem in Richtung Torlinie. Ter Stegen rappelte sich auf, hechtete hinterher und kratzte ihn noch von der Linie. Maßarbeit, wie so vieles von ihm an diesem Champions-League-Abend.

Ter Stegen stand auf, riss die Faust in die Höhe und brüllte seine Freude hinaus. Er dürfte in diesem Moment, in dieser 40. Minute, gewusst haben: Das könnte sein Abend werden: Der FC Barcelona beim FC Bayern, Halbfinale-Rückspiel, die große Fußball-Bühne. Am Ende wurde es sein Abend, auch wenn er bei der 2:3-Niederlage dreimal hinter sich greifen musste. Gleich reihenweise hatte er sich ausgezeichnet, mit spektakulären Paraden diese Königsklassen-Kulisse eindrucksvoll für sich genutzt.

"Wir haben noch ein Spiel, alles andere ist unwichtig. Ich bin froh, dass wir im Finale sind. Jetzt geht's um den Pokal", sagte er nach dem Spiel nur. Fokussiert, konzentriert, auf Abende wie in München. Auf diese besonderen Momente.

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Momente, die der 23-Jährige in dieser Saison ganz besonders genießt. Ja, zwangsläufig genießen muss, denn ter Stegen kann sich seit seinem Wechsel im vergangenen Sommer von Borussia Mönchengladbach nach Katalonien nur im nationalen Pokal beweisen, und eben in der Champions League. In der Liga ist er "nur" die Nummer zwei hinter seinem Konkurrenten Claudio Bravo.

Keine Fehler erlauben

"Wenn ich die Champions-League-Hymne höre, bekomme ich Gänsehaut. Das sind super Spiele. Man darf sich keine Fehler erlauben", sagt ter Stegen. Er erlaubte sich in dieser Saison nur wenige. Nach seinem Patzer in der Vorrunde beim 2:3 in Paris kam die Kritik gleich kübelweise. Ter Stegen steckte das weg, kann mit der manchmal extremen medialen Maschinerie in Spanien, die nur Gewinner oder Verlierer, Versager oder Helden kennt, umgehen. Nach seinem Auftritt in München gab es die gewohnt etwas überzeichneten Lobeshymnen. "Er wehrte mit der Hand eine Granate von Lewandowski ab und kratzte anschließend mit der Gewandtheit eines Raubtiers den Ball von der Torlinie", schrieb zum Beispiel "El Periódico". Auch das wird ihn wohl kaum näher beschäftigen.

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Foto: FC Barcelona/Instagram

Ganz im Gegensatz zu seiner sportlichen Situation, denn an der hat er zu knabbern. "Die Situation ist nicht schön", gab er jüngst in einem Interview mit dem Magazin "11Freunde" zu. "Ich sehe mich nicht als Ersatztorwart. Ich habe jedenfalls noch keinen zweiten Keeper gesehen, der konstant in der Champions League spielt", sagte er und formulierte eine Kampfansage, die ihn wohl am besten beschreibt. "Auch wenn ich ihm nie etwas Schlechtes wünschen würde, muss ich ihn am Ende ausschalten."

Auf der einen Seite freundlich, umgänglich, "ein wunderbarer Kerl", wie sein Teamkollege Andres Iniesta ihn jüngst beschrieb. Dafür aber auch gnadenlos ehrgeizig und zielorientiert, wenn es um das Sportliche geht. "Ausschalten" — ein Begriff, der die hohen Ambitionen ganz besonders unterstreicht.

Bei allem Ehrgeiz tritt ter Stegen jedoch abgeklärt, schon nahezu mit einer stoischen Ruhe auf. Er besticht vor allem durch sein fußballerisches Können. Seine Pässe kommen oft in den Fuß, er macht das Spiel schnell, ist im Passspiel des FC Barcelona die verlässliche elfte Anspielstation, überzeugt mit kluger Spieleröffnung. "Ter Stegen ist derjenige, der unserer Philosophie in der Nationalelf am nächsten kommt", sagt dann auch Bundestorwarttrainer Andreas Köpke.

"Ich habe ihm direkt nach dem Spiel gratuliert", sagte Nationalmannschaftskapitän Bastian Schweinsteiger, "er ist noch so jung, aber er hat ein absolut hohes Niveau. Er wird auch in der Nationalmannschaft noch eine große Rolle spielen." Das letzte seiner vier durch zum Teil unerklärliche Aussetzer geprägten A-Einsätze absolvierte er kurz vor der WM, für die er jedoch nicht nominiert wurde. Wohl auch, weil sich jemand wie der gebürtige Gladbacher kaum in der Rolle der im Grunde abkömmlichen Nummer drei sieht wie Ron-Robert Zieler, der die Rolle dankbar und ohne zu murren ausgefüllt hat.

Drei Titel im Visier

Doch auch das hat ter Stegen lange abgehakt, er konzentriert sich nun auf den Saisonendspurt mit dem Pokalfinale (30. Mai gegen Bilbao) und dem Champions-League-Endspiel (6. Juni in Berlin), anschließend hat er mit der U21 bei der EM in Tschechien gleich noch einen Titel im Visier.

Spätestens danach wird ter Stegen in seiner jetzigen Form auch in der Nationalmannschaft gegen Manuel Neuer um die Nummer eins kämpfen. Beziehungsweise versuchen ihn auszuschalten, wie er es wohl nennen würde.

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