Bayern München Pep Guardiola bleibt bei Dreierkette

Düsseldorf · Auf der Tribüne wurde lautstark getuschelt, Experten stießen sich gegenseitig mit den Ellenbogen an, und so manche Stirn fiel in ernste Falten. "Dreierkette", murmelte einer, "Fünferkette" ein anderer. Anschließend wurde Pep Guardiola mal wieder als ein großer Erneuerer des Fußballs gefeiert. Das muss wahrscheinlich so sein.

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Die Revolution liegt nun auch schon wieder zwei Monate zurück. Guardiolas FC Bayern München hatte das DFB-Pokalfinale mit einer runderneuerten Taktik 2:0 nach Verlängerung gewonnen und besaß damit erneut die Deutungshoheit über alle Fußball-Modelle. Auch das muss wahrscheinlich so sein.

Neu war und ist es allerdings nicht, was Guardiola in Berlin spielen ließ und was er wegen des großen Erfolgs jetzt auch in der Bundesliga aufführen will. Er setzt auf eine zentrale Dreierkette, die drei Innenverteidiger bilden. Einer von ihnen, im Pokalfinale war es Javi Martinez, spielt so etwas wie Libero. Auf den Außenpositionen wird diese zentrale Abwehr von zwei defensiven Mittelfeldspielern unterstützt, die im Verteidigungsfall aus der Dreier- eine Fünferkette machen. "Wie die deutsche Nationalmannschaft von 1966", urteilte der ehemalige Bundestrainer Berti Vogts, "mit Willi Schulz als Ausputzer."

Verkauft wird das Modell als Schritt in die Zukunft. Ganz sicher ist es unter gewissen Voraussetzungen sehr erfolgversprechend. Auf diese Art lässt sich nämlich ein Gegner, der das Konterspiel besonders gut beherrscht, ganz prima aus dem Spiel nehmen. Das Pokalfinale lieferte den Beweis. Und weil die Bayern im Champions-League-Halbfinale an der von Guardiola als "beste Kontermannschaft der Welt" geehrten Auswahl von Real Madrid zerschellt war, erklärt sich der Rückweg ins eher Deckungstreue nicht nur in Anbetracht der Dortmunder Qualitäten.

Systemänderung bei Ballbesitz

Bei Ballbesitz soll aus diesem 5-2-2-1-System ein 3-4-3 werden. Dazu bewegen sich die Mittelfeldspieler am Flügel weiter nach vorn. Vorteil für die angreifende Mannschaft: Das eigene Mittelfeld bleibt immer gut besetzt, dem Gegner werden die Räume bereits im Konteransatz verstellt. Und jeder Spieler findet in unmittelbarer Nähe einen Kollegen für das so geliebte Kurzpass-Spiel. Im Kern aber bleibt die Dreier- oder Fünferkette ein defensiver Entwurf. Das glaubt nur bei den Bayern niemand, weil ihr Trainer bislang lediglich als glühender Verfechter des offensiven Fußballs hervorgetreten ist. Dass es ihm auch mal um den schnöden Erfolg an sich gehen könnte, ist verhältnismäßig neu.

Noch frischer ist diese Erfahrung für die Holländer. Dort gehört es seit Jahrzehnten zum guten Ton, im 4-3-3 nach vorn zu stürmen, bereits der Rückpass steht bei den Anhängern des Voetbal totaal (Fußball total) auf dem Index. Deswegen traf Bondscoach Louis van Gaal eine Nation ins taktische Herz, als er bei der WM in Brasilien ebenfalls auf Fünferkette und Konterfußball setzte. Der Protest wurde entschieden leiser, als sich die Niederländer mit ihrer deutlich defensiveren Taktik bis auf den dritten Platz spielten.

In Italien gilt das Spiel mit einer zentralen Dreierkette seit vielen Jahren als unumstrittenes Erfolgsmodell. Dort hat die Abwehr ohnehin einen höheren Stellenwert. Alles eine Frage der Fußballkultur. Oder im (Neu-)Sportdeutsch: eine Frage der Philosophie.

(RP)
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