Bayerns Mini-Meisterfeier "Wie wenn jemand in der Kreisklasse aufsteigt"

Augsburg · Der FC Bayern ist zum 28. Mal insgesamt und zum sechsten Mal in Serie deutscher Meister. Trainer Jupp Heynckes sendet danach ein eindeutiges Signal.

FC Bayern holt Meistertitel Nr. 28: Reaktionen
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Foto: dpa, shp nic

Nein, sagte Jupp Heynckes kaum hörbar auf dem Weg zur Tür hinaus, "nein, gefeiert wird nicht". Kurze Freude, ja, die erlaubte der Trainer des FC Bayern selbstverständlich, aber so richtig die Sau rauslassen, das wollen die Münchner erst am 26. Mai, nicht früher, wenn es denn geht. Die Meisterschaft ist klargemacht, bereits zum 28. Mal insgesamt und zum sechsten Mal nacheinander, aber: Die Trophäen im DFB-Pokal und vor allem in der Champions League sind ja auch noch zu vergeben.

Und so ging beinahe alles seinen gewohnten Gang. In der Kabine kreisten ein paar Sektflaschen, es wurde auch kurz laut, als die Spieler "campeones, campeones" sangen. Ansonsten sei es gewesen, "wie wenn jemand in der Kreisklasse aufsteigt, nur ein bisschen gedämpfter", berichtete Kapitän Thomas Müller mit einem Grinsen. Danach ging es mit dem Bus an die Säbener Straße, wo allenfalls zwei Dutzend Unentwegte warteten. Am Sonntagmorgen dann: 10.00 Uhr Dienstbeginn, Training der Reservisten.

Was Heynckes seit dem 7. Oktober 2017 sagt, das wird gemacht. Wer mag ihm schon widersprechen. "Wir wollen weitermachen, wir wollen dranbleiben, wir wollen in den ausstehenden Wettbewerben ganz weit kommen. Wir haben schon das Gefühl, dass da was drin ist", versicherte Müller nach dem 4:1 (2:1) beim FC Augsburg. Folglich ergänzte er: "Es wird schon noch gefeiert werden. Aber wir wollen dann auch vielleicht erst im Mai feiern. Der Hunger ist sehr groß. Wir haben noch ein bisschen was vor."

Ein paar bemerkenswerte Szenen gab es freilich schon am Samstag mit den Männern in roten T-Shirts und einer "6" vorne drauf: Zunächst bildeten die Spieler ein Spalier vor der Ecke ihrer Anhänger - durch das sie dann Heynckes schreiten ließen. Danach umarmte der Trainer alle Spieler - und er setzte ein Zeichen: Aus der Mannschaft zog er Franck Ribery und Arjen Robben nach vorne, ließ sie feiern. Er habe, sagte er hernach, den beiden die "verdiente Anerkennung" verschaffen wollen.

Nein, große Feierlichkeiten sollten nicht sein, aber es sollte auch nicht alles wie "business as usual" rüberkommen. "Was wir jetzt seit sechs Jahren erleben, ist einfach ein Traum", sagte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge mit Stolz in der Stimme, um sogleich zu ergänzen: "Das Karussell dreht sich ja weiter, wir wollen noch was mitnehmen in diesem Jahr." Zunächst wollen die Münchner am Mittwoch, nach dem 2:1 im Hinspiel beim FC Sevilla, ins Halbfinale der Champions League einziehen.

Es gab am Samstag niemanden beim FC Bayern, der nicht auf den eigenartigen Saisonverlauf hinwies. "Als ich und Peter Hermann am 7. Oktober anfingen, haben wir überhaupt keinen Gedanken an die deutsche Meisterschaft verschwendet", behauptete Heynckes. Fünf Punkte lagen die Münchner damals hinter Borussia Dortmund, was danach kam, bezeichnete Sportdirektor Hasan Salihamidzic als "große Leistung". Der erneute Meistertitel, ja, der komme "selbstverständlich rüber - aber es war harte Arbeit".

Harte, seriöse Arbeit, vorgelebt und vorgeschrieben von einem Trainer, der sich mit seinem Assistenten Hermann als Glücksfall erwiesen hat. Und der am Samstag unaufgefordert über seinen nach sieben Bundesliga-Spieltagen geschassten Vorgänger sprach. Carlo Ancelotti, sagte Heynckes, "hat aus meiner Sicht auch Anteil an der deutschen Meisterschaft. Er ist für mich ein Gentleman, ein absoluter europäischer Toptrainer, er hat meinen allergrößten Respekt". Ancelotti schickte artig Glückwünsche zurück.

Respekt hin oder her, Mann dieser Saison beim Dauermeister ist Heynckes. "Jupp", betonte Salihamidzic, "hat eine Riesenarbeit geleistet, er hat aus dem FC Bayern wieder das gemacht, was er sein muss". Auch die Mannschaft ist voll des Lobes, einer wie der weitgereiste Sandro Wagner sagte: "Der Spirit, den der Jupp Heynckes jeden Tag vorlebt, das ist ein Wahnsinn, das habe ich so noch nicht erlebt. Ich hoffe, dass wir viele Titel holen - die Grundlage ist da."

Begleitet von einem Anflug von Arroganz, dessen sich vor allem Jerome Boatang schuldig machte, ließ sich der ewige Meister am Samstag aber zunächst fast überrennen von den hyperaggressiven Augsburgern. Erst nach dem 0:1 durch ein Eigentor von Niklas Süle (18.), dem Torhüter Sven Ulreich den Schuss von Sergio Cordova ins Gesicht gelenkt hatte, wurden die Münchner seriös. Corentin Tolisso (32.), James (38.), Arjen Robben (62.) und Wagner (87.) schossen die Bayern zum Titel.

(sid)
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