Ehemaliger Bayern-Trainer Heynckes lobt Lahms Entscheidung als "klug"

Philipp Lahm hat seinen Rücktritt nach dem Ende dieser Saison angekündigt. Sein ehemaliger Trainer Jupp Heynckes sieht darin ein "kluge Entscheidung" und findet, dass "der FC Bayern eine Identifikationsfigur verliert".

 Jupp Heynckes trainierte Philipp Lahm als Bayern-Trainer zwischen 2011 und 2013.

Jupp Heynckes trainierte Philipp Lahm als Bayern-Trainer zwischen 2011 und 2013.

Foto: dapd, Kerstin Joensson

Den Blumenstrauß hat Philipp Lahm (33) schon mal bekommen. Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge überreichte dem Kapitän das Gebinde vor dem DFB-Pokal-Achtelfinale gegen den VfL Wolfsburg. Es war als buntes Zeichen der Anerkennung für 500 Pflichtspiele gedacht. Doch es ist das erste Abschiedsgeschenk. Nach der Begegnung erklärte Lahm: "Ich habe den Verantwortlichen gesagt, dass ich nach der Saison aufhöre, Fußball zu spielen." Auch für das Amt des Sportdirektors stehe er nicht zur Verfügung.

Der kleine Sololauf des Spielführers hat nicht überall ungeteilte Begeisterung hervorgerufen. Rummenigge und Präsident Uli Hoeneß kannten Lahms Entscheidung, aber sie waren davon ausgegangen, dass es eine gemeinsame Erklärung geben würde. Der kam der Weltmeister zuvor. "Der FC Bayern ist überrascht über das Vorgehen", ließ Rummenigge über eine Pressemitteilung verbreiten, und man hörte förmlich, wie das aus schmalen Lippen hervorgepresst wird. Hoeneß sagte: "Das ist eine Marginalie. Philipp Lahm hat unseren größten Respekt verdient."

Diese Meinung teilt Jupp Heynckes. Er hat als Trainer mit Lahm zusammengearbeitet, gemeinsam gewannen sie 2013 die Champions League. Und er sagte unserer Redaktion: "Lahm ist ein konsequenter Mann, der ganz klare Vorstellungen von seinem Leben hat. Er hat eine kluge Entscheidung getroffen."

Lahm geht, bevor ihm junge Hundertmeter-Sprinter auf der Außenbahn davonlaufen, und er verlässt zum zweiten Mal eine sportliche Bühne auf ganz hohem Niveau. Vor zweieinhalb Jahren zog er sich aus der Nationalmannschaft zurück, auf dem Gipfel, unmittelbar nach dem WM-Titel von Rio. Nun wechselt er in "ein anderes Leben", wie Heynckes urteilt. Ob es ein besseres sein wird? Lahms ehemaliger Trainer glaubt, "es ist das schönste Leben im Sport, aktiver Spieler zu sein". Trotzdem ist er überzeugt davon, dass der Kapitän der Weltmeister-Elf von 2014 "eine sinnvolle Beschäftigung finden wird".

Dafür spricht bereits die Tatsache, dass die Lahm-Holding seit Jahren kräftig in Unternehmen der Gesundheitsvorsorge und Körperpflege investiert. "Ich will mein Leben nach der Karriere nicht auf der Couch verbringen", hat er voriges Jahr dem "Handelsblatt" gesagt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er in absehbarer Zukunft doch in der Funktionärslaufbahn beim FC Bayern landet. Ebenso klug wie die Entscheidung, die aktive Laufbahn zu beenden, findet Heynckes "die Entscheidung, nicht sofort einzusteigen". Für das Amt eines Sportdirektors in einem Weltklub sei Erfahrung nötig. Das glauben auch die Bayern, die dem Vernehmen nach eine Art Managerposten ohne Sitz im Vorstand angeboten haben.

Das allerdings entspricht nicht Lahms Anspruch. Er sieht zwar heute noch aus wie der nette ewige Junge, den man sich gar nicht anders als in kurzen Hosen vorstellen kann, aber er verfolgt einen ganz "klaren Plan" (Heynckes). Das hat er deutlich gemacht, als er vor acht Jahren am Verein vorbei der "Süddeutschen Zeitung" ein Aufsehen erregendes Interview gab, in dem er die Transferpolitik des Klubs kritisierte und das Fehlen einer Spielidee beklagte. Für diesen Alleingang musste er 50.000 Euro Strafe zahlen, dennoch trug er entscheidend zu goldenen Jahren des Klubs bei, weil große Trainer (Louis van Gaal, Jupp Heynckes, Pep Guardiola) für ein fußballerisches Konzept sorgten.

Lahm benötigt fast nie den lauten Auftritt, wenn er etwas bewegen will. So hat er die Kraftprobe mit dem alternden Platzhirsch Michael Ballack bei der Nationalmannschaft für sich entschieden, ohne mit ihm um die Wette röhren zu müssen. Er hat das Zeitalter der Kabinen-Schreihälse mit dem Verweis auf "flache Hierarchien" beendet. Und er war damit auf der Höhe der Zeit.

Das Gespür für die Situation hat Lahm nicht nur als Fußballer, der Fehlerfreiheit in 14 Jahren Profisport zum Programm erklärt hat. Er weiß auch, wann es Zeit wird, unbequem zu sein. Auf so einen können die Münchner auf Sicht gar nicht verzichten. Deshalb muss Rummenigge eingestehen: "Die Tür steht auch künftig offen."

Dem Klub wird Lahm zunächst mal fehlen. Heynckes betonte zu Recht, "dass der FC Bayern nach Bastian Schweinsteiger die nächste Identifikationsfigur verliert". In der Mannschaft bleiben nicht mehr so viele.

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