Der SC Paderborn reist zum FC Bayern Mehr David gegen Goliath geht nicht

Paderborn/Düsseldorf · Der SC Paderborn fährt als Tabellenführer zum Auswärtsspiel beim FC Bayern, ist dort aber auch als Überraschungsteam in jeder Hinsicht der große Außenseiter. Einzig bei den Ticketpreisen liegen die Ostwestfalen vorne.

 Die Bayern-Bank in Hamburg hatte einen deutlich höheren Marktwert als der gesamte Paderborner Kader.

Die Bayern-Bank in Hamburg hatte einen deutlich höheren Marktwert als der gesamte Paderborner Kader.

Foto: dpa, ah nic

In Paderborn ist alles etwas kleiner. Wenn nicht sogar vier, fünf, sechs Nummern. Viel stärker als heute Abend zum Auftakt des 5. Spieltags könnte der Kontrast jedenfalls nicht sein. Die Ostwestfalen reisen zum Auswärtsspiel beim FC Bayern. Es liegen Welten zwischen diesen beiden Vereinen: Etat, Mitglieder, Marktwert und, und, und. In einem entscheidenden Punkt hat der SC Paderborn die Nase aber derzeit vorn: in der Tabelle.

Der Paderborner Hauptbahnhof ist ein recht übersichtlicher Ort. Fünf Gleise, ein gemütlicher Bäcker, gegenüber ein enger Kiosk, ein Laden für Zeitschriften am Bahnhofsausgang und ein Fastfood-Restaurant mit vielleicht 20 Plätzen — mehr braucht es für eine Stadt, die mit 146.000 Einwohnern zwar als Großstadt gilt, eigentlich nicht. Bislang zumindest. Seit dem Bundesliga-Aufstieg des SC Paderborn droht der Bahnhof als Durchlaufstelle nun aber gerne mal zu überhitzen.

Immerhin, Abhilfe schafft ein Ordner mit einem Schild in der Hand, das den Gästefans den Weg zur nur 15.000 Zuschauer fassenden Benteler Arena weist. Wie nett, dachten sich also am vergangenen Spieltag die langjährig bundesligaerprobten Fans von Hannover 96, und empfanden den kleinen Service scheinbar eher als Gag. Ungläubig schossen sie Fotos von dem auskunftsfreudigen Ostwestfalen — und machten sich lustig über diese unkonventionelle Handhabe des Bundesliga-Neulings.

Bundesliga: Unsere Tipps zum 6. Spieltag
2 Bilder

Unsere Tipps zum 6. Spieltag

2 Bilder
Foto: rpo

Spätestens nach den 90 Minuten hatten sie nichts mehr zu lachen. Mit 2:0 schickte der SC Paderborn die Hannoveraner auf die Heimreise von Gleis 3 und setzte sich damit sensationell an die Tabellenspitze der Bundesliga — punktgleich mit dem FC Bayern. In München steigt damit heute Abend (20 Uhr/Live-Ticker) das Spitzenspiel des 5. Spieltags. Der vielleicht beste Klub der Welt empfängt den Verein aus der Fußballprovinz. Mehr David gegen Goliath geht nicht. Egal ob Etat, Marktwert der Mannschaft, Mitgliederzahlen, Fanclubs oder Facebook-Fans: Die Zahlen des FC Bayern übersteigen die des SC Paderborn um ein Vielfaches. In Robert Lewandowski ist Bayerns wertvollster Spieler (50 Millionen Euro) sogar mehr als doppelt so viel wert wie der gesamte Paderborner Kader. Paderborns wertvollster Spieler, Rafael Lopez, der kurz vor der Wechselperiode vom FC Getafe verpflichtet wurde, liegt bei vergleichsweise albernen 2,5 Millionen Euro. Nicht umsonst unterstreicht Paderborns Trainer Andre Breitenreiter gebetsmühlenartig, wann immer er aktuell gefragt wird (und das ist ziemlich oft der Fall), dass seine Mannschaft doch mit Abstand "der krasseste Außenseiter der Bundesliga" sei.

Die acht Punkte, die nun schon auf dem Konto des Tabellenführers prangen, hatte man den als ersten Absteiger gehandelten Paderbornern vielleicht am Ende der Saison zugetraut, nicht aber nach vier Spieltagen. Und auch die 255 Euro, die die günstigste Dauerkarte im Stehbereich der Benteler Arena kostet, legen nahe, dass man zumindest das eine Bundesliga-Jahr möglichst profitabel gestalten will - die Ticketpreise sind die teuersten der ganzen Liga. Es ist die einzige Kategorie, in der der SC Paderborn noch vor den Bayern liegt, die mit 140 Euro nur knapp mehr als die Hälfte verlangen.

Manuel Neuers Libero-Ausflug endet mit Gelb
8 Bilder

Neuers Libero-Ausflug endet mit Gelb

8 Bilder

Als Philipp Lahm nach dem Spiel gegen den Hamburger SV am Samstag (0:0) von einem Reporter gefragt wurde, wie viel Respekt man dem aufmüpfigen Aufsteiger denn entgegenbringen müsse, antwortete dieser mit einer Art Unterton, wie man das als Bayern-Spieler vor einem Spiel gegen den SC Paderborn eben zu tun hat. Alles andere als ein klarer Heimsieg wäre wohl eine noch faustdickere Überraschung als die Ein-Spieltag-Tabellenführung des Aufsteigers. Zumal sich die Bayern zur gerade angefangenen Wiesn-Saison traditionell besonders überzeugend präsentieren.

In Paderborn bleiben sie ohnehin bescheiden. "Wir sammeln Punkte für den Klassenerhalt, nicht mehr, nicht weniger", sagt Trainer Breitenreiter und frohlockt für seine Verhältnisse, wenn er Sätze sagt wie: "Die Jungs zeigen Woche für Woche, dass sie konkurrenzfähig sind und dass wir unseren begeisternden Fußball der letzten Saison auch in der 1. Liga durchsetzen können."

Er weiß, dass die Bedingungen in Paderborn teilweise noch nicht der neuen Spielklasse entsprechen. Dem Bau eines Trainingszentrums wurde so erst jüngst zugestimmt. "Die Spieler nehmen die Rahmenbedingungen in Paderborn an, wie sie sind", erklärt Breitenreiter. Das hat aber auch Vorteile: Nach dem 3:0-Sieg beim Hamburger SV machte der Paderborner Mannschaftsbus auf der Rückfahrt bei einer Fastfood-Kette Halt. Warum auch nicht?

Noch sind sie in der Bundesliga unbezwungen. So erlaubte sich Breitenreiter auch zu Recht eine kleine Spitze gegenüber der Konkurrenz: "Die Gegner werden sich noch akribischer auf uns vorbereiten müssen, damit sie die Spiele positiver gestalten können."

Er hätte auch sagen können: "Macht euch ruhig weiter lustig." Breitenreiter weiß: Ändern würde es sowieso nichts. Für die Paderborner steht heute Abend erst einmal das Spiel des Jahres in der Allianz Arena an. Dort heißt es: staunen - und vielleicht erneut überraschen.

Der Autor wuchs 30 Kilometer östlich von Paderborn, im noch tieferen Ostwestfalen, auf und studierte in der zweiten ostwestfälischen Metropole neben Paderborn: Bielefeld.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort