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Hoeneß attackiert die Medien Wenn Promis sich wie Opfer fühlen

Düsseldorf · Uli Hoeneß hat wegen Steuervergehen im Gefängnis gesessen. Er fühlt sich ungerecht behandelt und gibt der Öffentlichkeit die Schuld an seiner Strafe. Eine Haltung, die er mit anderen Prominenten teilt. Ein Grund: Der Verfolgungswahn entspricht einem Muster.

 Uli Hoeneß gibt der Öffentlichkeit die Schuld an seiner Strafe.

Uli Hoeneß gibt der Öffentlichkeit die Schuld an seiner Strafe.

Foto: dpa, geb axs

Die vornehme Gesellschaft war unter sich. 108 geladene Gäste hatten je 345 Euro bezahlt. Dafür durften sie sich in der Hofkellerei des Fürsten in der Liechtensteiner Hauptstadt Vaduz an einem Viergänge-Menü gütlich tun. Und zum Höhepunkt der Festlichkeit wurde ihnen Bayern Münchens Präsident Uli Hoeneß zu einer exklusiven Fragestunde präsentiert.

Hoeneß ließ sich nicht lange bitten, als er im Steuerparadies auf seine Haft wegen Steuerhinterziehung angesprochen wurde. 21 Monate einer ursprünglich auf dreieinhalb Jahre festgesetzten Strafe hat er abgesessen, rund 28 Millionen Euro hatte er hinterzogen. Er findet noch heute, dass die Buße überzogen war. "Ich bin der einzige Deutsche, der Selbstanzeige gemacht hat und trotzdem im Gefängnis war. Ein Freispruch wäre völlig normal gewesen. Aber in diesem Spiel habe ich klar gegen die Medien verloren", sagte er. Und er klagte über den Druck, der ihn veranlasst habe, das Strafmaß zu akzeptieren. "Täglich waren zehn bis zwölf Journalisten vor unserem Haus. Tag und Nacht. Das wollte ich meiner Familie nicht mehr zumuten. Wir hätten ja Revision am Bundesgerichtshof machen können. Das wäre vielleicht ein Jahr gegangen. Dann wäre es vielleicht wieder zurück ans Landgericht gegangen. So wäre ich vielleicht jetzt noch im Gefängnis", erklärte er.

Peter Graf, Alice Schwarzer und andere

Hoeneß ist nicht der erste Prominente, der sich in solchen Verfahren als Opfer fühlt. Auch Peter Graf, der Vater der Tennislegende Steffi Graf, war sicher, dass an ihm ein Exempel statuiert worden sei. Ein Gericht verurteilte ihn zu einer Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten, weil er dem Fiskus 6,3 Millionen Euro aus Werbeverträgen seiner Tochter vorenthalten hatte. Und die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer sah eine "bewusste Rufschädigung durch die Medien", als bekannt wurde, dass sie 200.000 Euro am Finanzamt vorbeigeschleust hatte.

Der Verfolgungswahn entspricht einem Muster. "Prominente haben meist einen besonderen Ehrgeiz und Geltungsdrang, sie arbeiten unendlich viel, um beklatscht zu werden, dafür ist ihre Fähigkeit zur Selbstkritik schwach ausgeprägt", sagt Borwin Bandelow, Professor für Psychologie in Göttingen und Autor eines Buchs über "Celebrities und das schwierige Glück, berühmt zu sein". Das narzisstische Persönlichkeitsbild, das Menschen dazu bringe, sich ihren Ruhm hart zu erarbeiten, sorge dafür, dass sie Kritik an ihrem Tun nicht zuließen und als Neid abtäten. "Narzisstische Persönlichkeiten haben keinen Leidensdruck. Sie sehen sich voll im Recht, selbst wenn Steuerbehörden ihnen das Gegenteil nachweisen", erklärt Bandelow. Die Öffentlichkeit erwarte aber gerade von Prominenten Ehrlichkeit und nach Verfehlungen zumindest Reue. Die Promis selbst hätten allerdings dank ihres Status öfter Dinge unter der Hand geregelt. Sie hielten das für angemessen, gerade weil sie für ihren Erfolg so viel gerackert hätten, und seien völlig konsterniert, wenn sie mit dem Gesetz in Konflikt gerieten und behandelt würden wie jeder andere.

Beides ist im Fall Hoeneß zu besichtigen. Als offenbar wurde, dass er bei Finanzgeschäften in der Schweiz jahrelang Steuern hinterzogen hatte, zeigte er öffentlich Reue. Aber er legte größten Wert darauf, dass an seine sozialen Verdienste erinnert wurde. "Ich bereue das, unendlich", sagte er in einem Interview mit der "Zeit", aber auch: "Ich habe verdammt viel Steuern gezahlt. 50 Millionen Euro Steuern mindestens. Ich habe weit mehr Geld gespendet, als ich hinterzogen habe. Ich bin ein sehr sozialer Mensch, das lasse ich mir nicht nehmen." Das war vor dem Beginn des Prozesses, und es war der Versuch, die Selbstwahrnehmung zum öffentlichen Bild zu machen - ebenfalls typisch für Menschen, die so vieles aus eigener Kraft geschafft haben. Die nun mit entschiedener Verwunderung erleben, wie sie die Gesellschaft in eine Ecke stellt, in der sie sich nicht einmal im Bewusstsein einer Schuld sehen.

Kein Grund für die Opferrolle

Auch das hat Hoeneß deutlich gemacht. "Ich fühlte mich auf die andere Seite der Gesellschaft katapultiert, ich gehöre nicht mehr dazu", erklärte er, "ich habe Riesenmist gebaut, aber ich bin kein schlechter Mensch." Er sieht sein Vergehen so, wie es der allgemeine Sprachgebrauch bezeichnet: als Sünde. Dafür kann er in einer von christlichen Grundsätzen geprägten Gesellschaft Vergebung erwarten - weil er Reue zeigt und weil er sein Leiden daran offenbart, auf die böse Seite gerückt zu werden. Er bekennt seine Sünde vor allen. Und es ist ihm sehr wichtig, auf keinen Fall als schlechter Mensch wahrgenommen zu werden. Das würde sein Lebenswerk in Misskredit bringen. Er hat, das will er sagen, die Rolle des Wohltäters für seine Fußballfreunde, für kleinere Vereine und für Menschen in Not nicht gespielt. Das war er selbst, der wahre Hoeneß. Dafür hat er große Anerkennung sogar bei seinen Gegnern erfahren. Er würde es nicht ertragen, wenn ihm jemand niedere Beweggründe unterstellte.

Deswegen hat er seine Selbstanzeige als weiteres Zeichen für moralische Integrität gesehen. Dass sie von seinen Steuerberatern zusammengeschustert wurde, als sie Wind von den Ermittlungen bekamen, hat er nicht kommentiert. Gericht und Finanzbehörden hielten die Selbstanzeige für unwirksam. Als die Staatsanwälte vor seinem Haus am Tegernsee standen, "begann die Hölle für mich", bekannte Hoeneß. Es war auch deshalb die Hölle, weil in seinem Selbstbild allenfalls der Sünder vorkommt, nicht aber "der Mann von der anderen Seite der Gesellschaft". Die Sorge, dort weiter verortet zu werden, haben ihm jedoch die Monate seit seiner Haftentlassung genommen. Der Fußball hat den Topfunktionär in Gnaden aufgenommen, sein Verein baute ihm gar goldene Brücken zurück ins Präsidentenamt. In der Opferrolle muss er sich nicht mehr sehen.

(RP)
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