Ex-Profi Brinkmann veröffentlicht Biografie "Bist du bekloppt, Ansgar?"

Düsseldorf · 20 Profijahre, 15 Vereine – er hatte beste Voraussetzungen für eine große Karriere. Ansgar Brinkmann wurde der "weiße Brasilianer" genannt, abseits des Platzes fiel er durch Fahrerflucht, Körperverletzung, Sachbeschädigung und Millionenpleite auf. Jetzt hat er ein Buch geschrieben.

 Jubelnd im Trikot von Dynamo Dresden: Ansgar Brinkmann.

Jubelnd im Trikot von Dynamo Dresden: Ansgar Brinkmann.

Foto: ddp, ddp

20 Profijahre, 15 Vereine — er hatte beste Voraussetzungen für eine große Karriere. Ansgar Brinkmann wurde der "weiße Brasilianer" genannt, abseits des Platzes fiel er durch Fahrerflucht, Körperverletzung, Sachbeschädigung und Millionenpleite auf. Jetzt hat er ein Buch geschrieben.

Benno Möhlmann blickte angemessen verstört drein. Als er gerade in die Kabine von Arminia Bielefeld gehen wollte, schlenderte Ansgar Brinkmann ihm ganz entspannt entgegen — mit einem Hund an der Leine. "Was macht der hier?", wollte der Trainer von seinem Mittelfeldspieler wissen. "Das ist mein Hund Gin. Zu Hause ist keiner. Der macht heute mit. Er kommt mit mir zusammen über rechts", antwortete Brinkmann trocken.

Ein paar Wochen später gastierte der Klub aus Ostwestfalen in Bochum. Brinkmann hatte morgens beim Frühstück keinen Bissen runterbekommen und erst kurz vor dem Spiel plötzlich Heißhunger verspürt. Er rannte zu einer Imbissbude in der Nähe und bestellte sich eine Portion Pommes mit Ketchup und Mayo. "Ich wollte die natürlich wegdrücken, bevor der Trainer in die Besprechung kam, aber ausgerechnet an diesem Tag erschien Benno ein paar Minuten früher, während ich noch dasaß mit den Pommes in der Hand", erzählt Brinkmann. "Klar ging das nicht. Benno fing seine Rede an und nach zwei Minuten, gerade als ich aufgegessen hatte, explodierte er: ,Bist du bekloppt, Ansgar? Was ist los mit dir?' Ich ließ mich nicht aus der Ruhe bringen und sagte: ,Trainer, das ist Benzin für das Spiel.'"

Ansgar Brinkmann hatte beste Voraussetzungen für eine große Karriere. Als Fußballer wurde er der "weiße Brasilianer" genannt. Er war einer dieser Straßenfußballer, ein Naturtalent, das bis spät in der Nacht mit seinen Kumpels aus dem Viertel auf dem Bolzplatz kickte. Mit 18 unterschrieb er den ersten Profivertrag beim VfL Osnabrück — es folgten im Lauf seiner Karriere 14 weitere Stationen. Nirgendwo blieb er länger als zwei Jahre, man könnte aber auch sagen: Immerhin blieb er fast überall zwei Jahre. Er hat Gegenspieler verzweifeln lassen, genauso wie Trainer. Wer ihn holte, musste wissen, worauf er sich einließ. Er beging Fahrerflucht, Körperverletzung, Sachbeschädigung und hatte eine Millionenpleite. Der ehemalige Bundestrainer Berti Vogts hat Ansgar Brinkmann mal gesagt: "Du müsstest 50 Länderspiele haben."

Für Deutschland hat er indes nie gespielt. Dafür leistete er sich dann doch ein paar Eskapaden zu viel. "Ich hatte Probleme mit Autoritäten und war nicht zu disziplinieren. Ein Freigeist. Ich hätte heute lieber 50 Länderspiele als 50 Anekdoten. Für die Trainer war die Arbeit nicht besonders einfach. Sie haben mich nur geduldet, weil ich immer das Wesentliche in den Vordergrund gestellt habe: den Verein", sagt der 39-Jährige. "Eine große Fresse allein reicht nicht. Ich war immer fit und der Erste beim Training."

Rolf Schafstall, sein Trainer beim VfL Osnabrück, adelte ihn: "Der Junge spielt wie ein weißer Brasilianer." Brinkmann war als Spieler genial, im echten Leben scheiterte er dagegen kläglich. Sein größter Gegner war er selbst. Und so hat er es nie zu einem der großen Klubs geschafft. Er spielte von der ersten bis zur vierten Liga: 390 Spiele, aber nur 59 in der Bundesliga. "Was heißt ,nur 59 Spiele'?", fragt er. "Die Bundesliga war mein Traum. Den hab ich mir erfüllt. Sicherlich hätten es noch ein paar Partien mehr sein können, das hat nicht hingehauen."

Brinkmann ließ sich während seiner Zeit als Profi nie etwas sagen und sprach das aus, was er gerade dachte. Gerade deshalb liebten ihn die Fans. Manchmal aber übertrieb es "Trinkmann", wie er aufgrund zahlreicher Vorfälle noch heute genannt wird. "Für einen ordentlichen Skandal benötigte ich meistens folgende Zutaten: zu viel Alkohol, Übermut, häufig gekennzeichnet durch einen freien Oberkörper, und in manchen Fällen ein Stirnband", schreibt Brinkmann in seiner Biografie. Damals, 1997, kickte er beim FC Gütersloh. "Wir tranken alles durcheinander, ,tödliche Mischung' nannten wir das. Ich sprintete mit nacktem Oberkörper los. Mein Ziel: die wartenden Taxis. Ich sprang auf das erste Auto, rutschte fast weg, konnte mich aber halten und sprintete weiter, über die Dächer von sieben, acht weiteren Taxis. Beim letzten angekommen, machte ich eine Rolle vorwärts und landete sicher auf der Straße. Der spektakulärste Sprint meiner Karriere. Ich drehte mich um und sah in die Gesichter finster dreinschauender Taxifahrer. ,Und? Was ist mit euch? Wollt ihr sterben?' rief ich vollkommen von Sinnen und zeigte meine Muskeln." Der "Spaß" kostete ihn 25 000 Mark.

"Der Weg, den ich gegangen bin, war nicht immer richtig", sagt Brinkmann, der vor vier Jahren seine Karriere beendete. "Aber das war immer ich! Das war mir wichtig." Nun plant er seinen neuen Lebensabschnitt. Brinkmann macht eine Ausbildung zum Fußballlehrer.

(RP)
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