Remis als Lerneffekt? Abendschule Dortmund

Dortmund · Das 2:2 gegen Champions-League-Titelverteidiger Real Madrid offenbart Stärken und Korrekturbedarf bei Borussia Dortmunds Rasselbande.

Pierre-Emerick Aubameyang trifft nach Patzer von Keylor Navas
14 Bilder

Aubameyang trifft nach Patzer von Navas

14 Bilder

Es wird viel über Lerneffekte gesprochen in dieser Nacht von Dortmund. Festredner zum Thema ist Borussia Dortmunds Trainer Thomas Tuchel. "Wir haben viel gelernt", sagt er nach dem 2:2 im Champions-League-Gruppenspiel gegen Titelverteidiger Real Madrid, "viele Dinge waren gut, auch wenn wir nicht bei 100 Prozent waren. Das gehört zu einem Entwicklungsprozess dazu. Wir wollten das Spiel auch dazu nutzen, uns auf diesem Niveau auszuprobieren." Die Probe ging jedenfalls nicht völlig daneben. Dortmund spielte phasenweise sehr gut, bewies eine unerschütterliche Moral, als es zweimal in Rückstand geriet, hatte aber auch unübersehbare Konzentrationsmängel. "Das 2:2", sagt Tuchel zu Recht, "nehmen wir gern mit, weil wir zweimal zurückgekommen sind. Aber wir können es noch besser."

Das klingt ein bisschen unbescheiden nach einer Punkteteilung mit einem der Größten der Branche. Es unterstreicht aber nur zweierlei. Zum einen Tuchels Ehrgeiz, innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeit ein europäisches Spitzenteam zu formen. Und zweitens Tuchels Wissen darum, wie viel Potenzial in seinem Aufgebot steckt.

Das betrifft vor allem die Offensive, in der nicht nur die Teeanager Emre Mor (19), Christian Pulisic (18) und Ousmane Dembélé mächtig Eindruck hinterließen. Gegen Madrid bewies auch Mario Götze eine Stunde lang an der Seite des herausragenden Gonzalo Castro im offensiven Mittelfeld, dass er in dieser Position eine Klasse wirkungsvoller ist als bei Bayern München als Zweitbesetzung auf allen Offensiv-Arbeitsplätzen. "Wir haben in der ersten Halbzeit gut in unsere Räume gefunden", erklärt Tuchel im Jargon der Fußball-Wissenschaftler. Dortmund wurde in dieser Phase dem Titelträger sehr gefährlich, weil es sich zwischen die offensive und defensive Linie der Spanier kombinierte. Aber auch da fehlte gelegentlich die Klarheit im Pass in das letzte Drittel des Spielfelds.

Real Madrid betreibt weniger Aufwand

In dieser Hinsicht bot der prominente Gast schönen Anschauungsunterricht, sozusagen eine Abendschule für neugierige Nachwuchskräfte. Nach einem Ballverlust der Dortmunder in der Vorwärtsbewegung spielte Real in aller kühlen Gelassenheit des Champions die Führung heraus. Und als der BVB zum 1:1 ausgeglichen hatte, nutzte Real eine Standardsituation zum zweiten Treffer. In aller Ruhe flankte Cristiano Ronaldo nach einem kurz ausgeführten Eckstoß über die staunend versammelte Dortmunder Abwehr hinweg an den sogenannten langen, den hinteren Pfosten. Den traf der freistehende Karim Benzema im ersten Versuch, den Nachschuss brachte der Kollege Raphael Varane mühelos über die Linie. Der Aufwand für dieses 2:1 war entschieden geringer als jener, den die Dortmunder Rasselbande bei ihren immerhin unermüdlichen Versuchen betrieb. "Da gab es dann auch zu viele einfache Ballverluste", bemängelt der Trainer.

Aber so kalt wie Real müssen seine Jungs erst noch werden. Selbst Benzema, Ronaldo, Gareth Bale oder Toni Kroos haben früher mal Fehler gemacht, die ihnen heute nicht mehr unterlaufen. So weit sind die Dortmunder noch nicht, aber Tuchel ist sehr zuversichtlich, dass er eine Mannschaft mit großer Zukunft betreut. Sie wird allerdings nicht nur lernen müssen, wie sie mit der Kraft haushält, sondern sie hat offensichtliche Defizite im Abwehrspiel. Die Innenverteidigung lässt sich durch Positionswechsel leicht aus der Ordnung bringen. Und nicht immer werden die Räume für den Gegner im Mittelfeld schnell genug geschlossen. Das wiederum ist notwendig, weil die Außenverteidiger des BVB schon traditionell weit nach vorn geschoben werden - weil sie hoch stehen, wie Tuchel und andere Experten das ausdrücken würden.

Doch auch das lernen die noch. Ganz bestimmt.

(pet)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort