Besuch im Trainingslager in der Schweiz Bei Dortmund sind alle im gelben Trikot

Bad · Zum fünften Mal hintereinander bereitet sich Bundesligist Borussia Dortmund im Schweizer Kurort auf die Saison vor. Ein paar hundert Fans sind bei jedem Training dabei – viel mehr, als den VfL Wolfsburg unlängst begleiteten und angeblich bequem in ein "VW-Büsli" passten.

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Zum fünften Mal hintereinander bereitet sich Bundesligist Borussia Dortmund im Schweizer Kurort auf die Saison vor. Ein paar hundert Fans sind bei jedem Training dabei — viel mehr, als den VfL Wolfsburg unlängst begleiteten und angeblich bequem in ein "VW-Büsli" passten.

Fußballer sind immer furchtbar fokussiert. Das haben ihnen die Trainer beigebracht, vor allem die gut Gebildeten unter ihnen. Deshalb denken Fußballer an den Erfolg, und wenn man sie etwas fragt, dann sagen sie: "Ich bin total fokussiert." Von morgens bis abends. Dazu schauen sie immer konzentriert — besonders dann, wenn der Trainer zuschaut.

Dabei gibt es doch so viel anderes zu sehen. Zum Beispiel für die Spieler von Borussia Dortmund. Sie wohnen zurzeit in ihrem Trainingslager im Schweizer Kurort Bad Ragaz. Das Lager hat natürlich fließend kaltes und heißes Wasser, und auf Strohballen muss auch niemand schlafen. Es liegt in einem Luxushotel. Dieses Hotel wiederum ist gerade Mittelpunkt einer über den ganzen Ort verteilten Skulpturenausstellung. Es gibt viel Modernes, und selbst der Mittelfeldspieler Shinji Kagawa könnte Arbeiten aus seiner japanischen Heimat bestaunen. Tut er aber nicht, dafür — siehe oben — ist er zu fokussiert.

Das durch seine schiere Größe bedeutungsvollste Monument ist allerdings auch ihm nicht entgangen. Auf einem Felsen über dem Tal steht eine Christus-Statue, die nicht ganz zufällig dem Vorbild auf dem Corcovado in Rio de Janeiro sehr ähnlich ist. Sie ist immerhin elf Meter hoch und wiegt 2,5 Tonnen (der echte Christus ist 30 Meter hoch und wiegt 1145 Tonnen). Ein Helikopter hat den Nachbau herangeflogen, der zur WM im vergangenen Jahr noch in Zürich stand. So hat jetzt auch Marco Reus, der die Weltmeisterschaft verletzt verpasste, täglich einen kleinen Blick auf Brasilien.

Nächstes Jahr soll alles besser werden

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Vielleicht tut es ein bisschen weh, wenn er während der Fahrt zum Trainingsgelände auf den Berg schaut. Vielleicht hilft es, noch fokussierter zu sein. Das verrät er nicht. Auf jeden Fall soll dieses nächste Jahr viel besser werden als das vergangene, in dem Reus mit dem BVB so weit hinter allen Erwartungen zurückgeblieben ist.

Die Zuneigung der Fans ist davon unbeeindruckt. Ein paar hundert Dortmunder Fußballfreunde sind bei jedem Training dabei, die Spieler laufen durch ein Spalier von Smartphones, die Selfie-Sammlungen wachsen von Tag zu Tag. Und wenn gerade mal kein Spieler zu sehen ist, fotografieren sich die Fans gegenseitig.

Damit vertreiben sie sich die Zeit, während drinnen im Luxuslager Gonzalo Castro den Journalisten erzählt, wie er seine ersten Dortmunder Wochen nach dem Wechsel aus Leverkusen erlebt hat. Niemand wundert sich, dass er "alles sehr positiv" findet. Laute Forderungen nach einem Stammplatz erhebt er nicht, obwohl er ein ausdrücklicher Wunschspieler des neuen Trainers Thomas Tuchel ist. Dessen freundliche Art mache "alles leichter", sagt Castro. Er ist eben ein gut erzogener Junge und außerdem ganz sicher "unheimlich fokussiert".

Wenn ihre Stars nicht trainieren, sondern ihre kostbaren Körper in der Abgeschiedenheit des eigenen Zimmers pflegen, machen die Fans den Kurort schwarz-gelb. Eine Fahne hängt über dem "Schützengarten Thömsns" (schreibt sich wirklich so), am Bahnhof ruft einer mit einem Frühstücksbier "nur der BVB", und im Park zeigen sich junge Familien am Beispiel ihrer bestens eingekleideten Zweijährigen die neueste Borussia-Dortmund-Mode für die nachwachsende Generation. Die Schweizer Passanten lächeln dazu milde.

Ihre Gemeinde ist nicht eben traurig über die zusätzlichen Sommergäste. Allein das Dortmunder Gastspiel erhöht die Einwohnerzahl innerhalb einer Woche von 5300 auf sicher 5900. Ein wenig schadenfroh behauptet ein Schweizer, die Fans der Wolfsburger, die vor ein paar Wochen hier waren, hätten bequem in ein "VW-Büsli gepasst". Das ist nicht mehr nachzuprüfen. Sicher aber ist: Weil die Dortmunder zum fünften Mal in Folge hier die Sommer-Vorbereitung verbringen, gehören sie fest zum Programm - wie das "Spritzahüslifest", das schon zum sechsten Mal veranstaltet wird und für das der örtliche Schreibwarenladen auf einem Plakat wirbt.

Borussia Dortmund hat ohnehin eine gewisse Schweiz-Affinität. Das ist ein Erbe des ehemaligen Trainers Ottmar Hitzfeld, der so etwas wie ein Wahlschweizer ist. Zu seiner Amtszeit logierte das Team meist am Vierwaldstättersee. Gelegentlich bekam es Besuch vom inzwischen verstorbenen Timo Konietzka, der das erste Bundesligator geschossen hat, sein halbes Leben in der Schweiz verbrachte und Anekdötchen aus den ganz alten BVB- Zeiten erzählte. Die Spieler störte das schon in den späten Neunziger Jahren nicht sehr. Denn auch sie waren "unheimlich fokussiert".

Nur das Wort kannten sie noch nicht.

(RP)
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