Schweizer als BVB-Trainer? Das haben Favre und Tuchel gemeinsam

Dortmund · Der ehemalige Mönchengladbacher Trainer Lucien Favre ist als neuer Coach bei Borussia Dortmund im Gespräch. Doch ähnlich wie Tuchel gilt der Schweizer als nicht ganz unkompliziert.

 Zwei, die sich mögen: Lucien Favre (li., damals Borussia Mönchengladbach) und Thomas Tuchel, Trainer von Borussia Dortmund, im Jahr 2015.

Zwei, die sich mögen: Lucien Favre (li., damals Borussia Mönchengladbach) und Thomas Tuchel, Trainer von Borussia Dortmund, im Jahr 2015.

Foto: dpa

Niemand kann behaupten, dass die Herren sich keine Mühe geben. Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hat in einem wohlgesetzten Interview einen tiefliegenden "Dissenz" mit Trainer Thomas Tuchel (43) ausdrücklich bestätigt. Tuchel legt größten Wert darauf, Zeitpunkt und Inhalt der öffentlichen Wortmeldung als unpassend zu bezeichnen. Und weil die Spieler des Fußball-Bundesligisten sich nicht gerade darum reißen, das großartige Innenverhältnis zum Fußballlehrer zu preisen, gibt es nur eine Schlussfolgerung: Tuchel steht trotz sehr passabler sportlicher Bilanz und trotz eines Vertrags bis 2019 vor dem Abschied aus Dortmund.

Der BVB sondiert längst den Markt. Favorit auf die Nachfolge Tuchels ist ein alter Bekannter aus der Bundesliga. Die "Bildzeitung" meldete bereits, dass sich die Dortmunder Führung mit Lucien Favre (59) einig über einen Einjahresvertrag sei. Dem Abschluss eines solchen Kontrakts steht allerdings noch im Wege, dass Favre zurzeit sehr erfolgreich für OGC Nizza arbeitet. Ziemlich überraschend hat der Schweizer mit dem französischen Klub vorzeitig die Champions League erreicht. Und zur Verblüffung der Experten gelang ihm dabei sogar das Kunststück, den vermeintlich untrainierbaren Mario Balotelli zu einer Art Mannschaftsspieler zu machen.

Auch deshalb wissen sie in Nizza, was sie an dem ehemaligen Chefcoach von Hertha BSC und Borussia Mönchengladbach haben. Die Klubspitze verweist darauf, dass Favre ebenfalls noch bis 2019 vertraglich gebunden ist. Und Nizzas Generaldirektor Julien Fournier beteuert: "Dortmund hat das Recht, an eine Verpflichtung Favres zu denken. Er hat aber nie den Wunsch geäußert, uns zu verlassen." Noch sei auch keine Anfrage aus Westfalen in Südfrankreich eingegangen.

Das kann aber sehr schnell geschehen, wenn sich der Trainer und die Dortmunder tatsächlich in ersten Gesprächen nähergekommen sein sollten, wie behauptet wird. Und der Verweis auf bestehende Verträge wird sich mit einigem finanziellen Aufwand gewiss diskret erledigen lassen.

Favre stand schon einmal beim BVB auf dem Zettel. Das ist erst zwei Jahre her. Damals jedoch entschied sich der Klub für Tuchel. Der hatte ebenso wie Favre den Ruf eines begabten Spielerentwicklers, und er hatte im Unterschied zum Schweizer gerade keinen Klub, sondern ein erholsames Sabbatjahr hinter sich. Favre hatte Borussia Mönchengladbach in einer rauschhaften Rückrunde in die Champions League geführt und schien bestens versorgt.

Ein paar Wochen nach Tuchels Einstand in Dortmund und nach fünf Niederlagen in Folge mit Gladbach (zum Auftakt eine in Dortmund) warf Favre den Job bei der niederrheinischen Borussia entnervt hin und zog sich zur Erholung in die Schweiz zurück.

In Gladbach verbuchten sie seinen Rücktritt zunächst in der Ablage "so isser". In den vier Jahren, die er am Niederrhein arbeitete, verkündete Favre alle paar Monate seine unmittelbar bevorstehende Demission. Meist reichte ein Telefongespräch mit Sportdirektor Max Eberl, ihn vom Weitermachen zu überzeugen. Im frühen Herbst 2015 nicht mehr. Der Schweizer verschwand von der Bundesliga-Bühne. Es gab kein böses Nachtreten, öffentlich wurde allenfalls das Bild eines eigenwilligen Fußballprofessors ein wenig präziser gezeichnet.

Auch Tuchel gilt als eigenwillig. Es hat ihm freilich noch keiner unterstellt, ein liebenswerter Kauz zu sein. Während er hart, ungeduldig, belehrend und beinahe bösartig ehrgeizig wahrgenommen wird, könnte Favre noch in jedem Film den zerstreuten Professor geben, dem niemand etwas übel nehmen kann.

Beide dürfen für sich eine gewisse Besessenheit für die Detailarbeit in Anspruch nehmen. Und beiden ist es stets gelungen, jeden einzelnen ihrer Spieler durch diese Detailarbeit besser zu machen.

Dafür kosten sie ihre Arbeitgeber nicht nur Gehalt, sondern auch Nerven. Dortmund hat sich offenbar vorgenommen, künftig die vergleichsweise erfreulichere Alternative zu wählen. Es wird eine spannende Frage, wer Favre ab August die Rücktrittsgedanken austreiben kann.

(pet)
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