Das Geschäftsmodell BVB Import/Export auf Aktien

Das Getöse um Ousmane Dembélé war groß. Nach seinem Wechsel zum FC Barcelona durfte sich Borussia Dortmund gleichsam als finanzieller und moralischer Gewinner wähnen. Dabei sollte das im Grunde alles so kommen.

Borussia Dortmund: Rekord-Abgänge
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Rekord-Abgänge von Borussia Dortmund

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Foto: dpa/Jan Woitas

Wer Jadon Sancho heißt, bei dem scheint der Beruf programmiert: Rockstar, Schauspieler — irgendwas mit Superstar. Sancho entschied sich für Fußball und hat es mit 17 Jahren längst weiter gebracht als die Allermeisten. In den inzwischen ja wieder durchaus verheißungsvollen U-Mannschaften des englischen Verbands hat Sancho beinahe so oft getroffen, wie er zum Einsatz kam. Das Profil eines Talents, dem alle Topklubs Europas längst eine Freundschaftsanfrage unterbreitet haben. Bereits vor seinem 15. Geburtstag warf er sich in die potenten Arme von Manchester City. Dort kommen gewiss auch Nachwuchskräfte finanziell über die Runden, doch Sancho wollte spielen und wird das künftig für Borussia Dortmund.

Dass ihm dieser Wechsel ausgesprochen wichtig war, legten ihm manche wohl etwas voreilig als Streik aus. Wäre ja auch eine höchst willkommene Pointe, um den vermeintlichen Sittenverfall im Fußball abermals zu entlarven. Ganz richtig ist das allerdings nicht, Sancho hat seinen sogenannten Scholarship-Vertrag aufgekündigt und fehlte in Manchester damit entschuldigt. Dennoch ließ sich Dortmund die Ablöse 7 Millionen Euro kosten, um sich weitere Scherereien zu ersparen.

Selbst ein Fehlkauf dieser Größenordnung würde an der Strobelallee niemandem ernsthaft Zahnschmerzen bereiten. Dass Sancho neben Soforthilfe Andrej Jarmolenko aus Kiew aber zumindest ein Teil der Antwort auf den knirschenden Abgang Dembélés ist, entspricht der Strategie der letzten Jahre. Borussia Dortmund funktioniert ohnehin nur als System, in dem Einzelne gedeihen können. Es ist kein Zufall, dass Peter Bosz wie zuvor schon Thomas Tuchel auffallend geräuschlos die Mannschaft übernimmt. Auch wenn der Kader ständigen Änderungen unterworfen ist, hat der BVB in den letzten Jahren derart viel Qualität gehortet, dass selbst ein Kronjuwel wie Dembélé im Kollektiv ersetzbar ist.

Um das zu gewährleisten, kombiniert der BVB zwei Erfolgsmodelle: Da wo nötig, ist Schwarz-Gelb mühelos in der Lage, zweistellige Millionensummen zu überweisen, um Qualität zu verpflichten, wie für Ömer Toprak, der bei Bayer Leverkusen als der Chef inneren Sicherheit in einer ambitionierten Abwehrreihe seine Tauglichkeit bewiesen hat. Auf der Website Transfermarkt.de deutet neben Topraks geschätztem Marktwert von 16 Millionen Euro jedoch ein roter Pfeil nach unten. Das ist wohl in keiner Symbolsprache ein gutes Zeichen. Denn bei aller Qualität, die der 28-Jährige mitbringt, ist sein Potenzial doch weitgehend ausgeschöpft.

Noch viel lieber setzt die Dortmunder Aktiengesellschaft daher auf "Rising Stars", Transfers die durchaus mit Risiko behaftet sind, aber eben auch fürstliche Rendite versprechen. Zuletzt Pierre-Emerick Aubameyang, Henrich Mchitarjan, Raphaël Guerreiro und natürlich Dembélé. Ein Transfer, der Borussia Dortmund in abermals neue Sphären vorstoßen lässt. So wie zuvor bereits Robert Lewandowski oder Ilkay Gündogan. Es waren keine fertigen Spieler, die die Erfolgsgeschichte des BVB in den 2000ern und 2010ern prägten, sondern jene, die erst an der Ruhrgebietsluft zu Superstars reiften. Zwar hat es auch die Konkurrenz auf dem überhitzten Transfermarkt inzwischen mehr denn auf diese Kategorie Spieler abgesehen, doch nur wenige haben in gleichem Maße Portemonnaie und Auge wie der BVB.

Was freilich nicht bedeutet, dass Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, Manager Michael Zorc oder auch der beinahe sagenumwobene Talentspäher Sven Mislintat allesamt unfehlbar wären. Doch selbst gescheiterte Experimente wie Milos Jojic, Adnan Januzaj oder nun möglicherweise Alexander Isak sind bei der Erfolgsqoute einkalkuliert. Von Emre Mor hatten sich alle mehr versprochen, am Ende hat Dortmund ihn trotzdem mit Gewinn an Celta Vigo verkauft.

Der achtmalige deutsche Meister hat sich eine Scharnierposition erarbeitet zwischen Europas Elite und den Klubs, für die auf absehbare Zeit die Vorrunde in der Champions League der größtmögliche Erfolg sein wird. Kein Ausbildungsklub wie der SC Freiburg, ein Ausverkaufsverein für die entrückten Scheichklubs und so am Ende ein raffinierter Profiteur des Brutalo-Kapitalismus, der dieser Tage viele am Fußball zweifeln lässt. Der Fall Dembélé ist trotz aller Stilfragen deshalb ein Idealfall für den BVB — er hat seinen Einkaufspreis von 15 Millionen binnen eines Jahres verzehnfacht.

Borussia Dortmund macht in Import/Export. Das gilt in manchen Kreisen als diskretes Etikett für mindestens windschiefe Geschäfte. Solcher Machenschaften ist der BVB nun gänzlich unverdächtig — im Gegenteil. Die Borussia Dortmund GmbH & Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien handelt völlig legal und vermutlich sogar legitim. Die Schwarz-Gelben machen schließlich nichts anderes als die meisten anderen, sie machen es nur besser.

(ako)
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