Borussia Mönchengladbach 100 Tage André Hahn bei Borussia - eine Bilanz

Mönchengladbach · Seit Vertragsbeginn am 1. Juli hat er viel erlebt. Ein Gespräch über Lernprozesse, rheinische Mentalität und die Sehnsucht nach Wasser.

 Engagement: Hahn machte mit bei der RP-Aktion zu "Rock am Ring".

Engagement: Hahn machte mit bei der RP-Aktion zu "Rock am Ring".

Foto: Stefan Klüttermann

Enttäuschungen haben bisher Seltenheitswert im Dasein des Borussen André Hahn. Klar jubiliert er nicht, wenn er mal aus der Startelf rausrotiert. Wie in Paderborn oder jetzt gegen Mainz. Klar ärgert auch er sich über die Siege, die Borussia sträflich liegen ließ. Wie in Zürich oder jetzt gegen Mainz.

Aber in der persönlichen 100-Tage-Bilanz seit seinem Vertragsbeginn in Gladbach zum 1. Juli war die Nichtnominierung von Joachim Löw für die anstehenden Länderspiele im Prinzip der einzige Moll-Ton. "Ich habe ja nun auch schon ein paar gute Spiele für Borussia gemacht. Dadurch hatte ich mir schon ein bisschen erhofft, nominiert zu werden. Aber der Bundestrainer hat nunmal so entschieden", sagt Hahn.

Ansonsten müsste Hahn mühsam fischen, um ein Haar in der Suppe zu finden, wenn es um die Bilanz seiner Startphase am Niederrhein geht. Im Gegenteil: Viel besser hätte es aus seiner Sicht nicht laufen können. Als "sehr, sehr positiv" bewertet der 24-Jährige die zurückliegenden Wochen. "Ich wollte den nächsten Schritt gehen und mich bei einem größeren Verein durchsetzen. Ich wollte viel dazulernen, mich weiterentwickeln, in der Mannschaft integrieren und der Mannschaft weiterhelfen. Ich denke, das ist mir bislang alles gut geglückt", sagt er.

Er zeigte keine Anpassungsprobleme und adaptierte schon in weiten Teilen den Fußball-Stil, den Lucien Favre favorisiert. Und er schoss Tore. Fünf bereits, er traf bereits in allen drei Wettbewerben, viermal schoss er das 1:0. Er ist der bislang treffsicherste Borusse hinter Branimir Hrgota.

Gladbach - Mainz: Einzelkritik
15 Bilder

Gladbach - Mainz: Einzelkritik

15 Bilder

Doch der rosarote Start lässt Hahn nicht abheben. Nicht anders werden. Dazu erdet ihn sein persönlicher Werdegang noch immer viel zu sehr. Er weiß, wo er herkommt, und dass das eben keine Nachwuchsakademie ist, kein Leben als umworbenes Talent, kein vorgezeichneter Weg als Profi. "Ich bin zwar schon 24, aber ich spiele ja erst seit anderthalb Jahren Bundesliga", sagt er. Deswegen zeigt er sich weiter lernwillig und wissbegierig.

Deswegen reizte ihn die Zusammenarbeit mit Favre. "Ich habe im taktischen und technischen Bereich schon sehr gut zugelegt. Aber ich habe natürlich noch Luft nach oben. Ich möchte immer dazulernen, das weiß der Trainer auch. Deswegen bin ich den Schritt auch gegangen, weil er eben diesen Ruf hat", sagt Hahn. Und so arbeiten sie an Details. Am linken Fuß. An mehr Variabilität in den Offensivaktionen. An mehr Ruhe am Ball.

"Er achtet sehr auf die Feinheiten. Er nimmt einen Spieler oft zur Seite, erklärt uns etwas im Video oder an der Tafel. Es geht um einen Meter weiter da oder da, um die Bewegung oder die Bewegung", sagt Hahn.

Der Wechsel aus Augsburg nach Mönchengladbach war in vielerlei Hinsicht eine Umstellung. Sportlich ("Die Qualität im Kader ist natürlich größer"), von der Anziehungskraft des Vereins her ("Der ganze Verein, das Umfeld, mit den Fans, das ist hier schon der Wahnsinn") und natürlich auch in punkto Mentalität. Da traf der Cuxhavener Hahn nach dem pfälzischen (Koblenz), dem hessischen (Offenbach) und dem schwäbischen (Augsburg) nun auf den rheinischen Menschenschlag. Und der kann bekanntlich entwaffnend direkt sein. "Ich komme damit sehr gut klar. Ich weiß mich, zu wehren", sagt Hahn und schmunzelt. "Ich fühle mich hier sehr wohl. Wir haben uns sehr gut eingelebt. Deswegen bin ich auch sehr schnell hier angekommen." Aber egal, wo er ist, der Norddeutsche in ihm kommt immer wieder durch - und dessen Sehnsucht nach der Küste. Und wo kein Meer, da helfen Binnengewässer. "Da wir einen kleinen Hund haben, fahren wir auch oft an Seen, wo wir lange spazieren gehen, ein bisschen raus kommen, frische Luft schnappen. Ich bin immer gerne am Wasser", sagt Hahn.

Die zwei freien Tage, die Favre den Nicht-Nationalspielern momentan gewährt, nimmt Hahn gerne an. Denn auch an ihm sind die Strapazen der Englischen Wochen nicht spurlos vorübergegangen. "Nach einem Spiel wie in Zürich bin ich schon froh, abends ins Bett fallen zu können, aber zum nächsten Spiel will man einfach wieder fit sein. Da spielt der Kopf auch eine große Rolle, und ich denke, da bin ich sehr stabil", sagt Hahn. Und dieser Kopf sagt ihm, dass er es dem Bundestrainer weiterhin beweisen will, um nach der Premiere gegen Polen im Mai erneut eingeladen zu werden. "Wenn ich meine Leistung bringe, dann kann er irgendwann nicht mehr an mir vorbei", sagt er.

Seine ersten 100 Tage bei Borussia wähnen ihn da durchaus auf einem guten Weg.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort