Borussia Mönchengladbach 1965 — Die Geburt der Fohlen-Elf

Mönchengladbach · Vor 50 Jahren steigt Borussia mit einem blutjungen Team in die Bundesliga auf.

Zuschauer bilden Spalier für Borussias Champions-League-Helden
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Gewiss, eine Art Platzsturm gab es schon am 26. Juni 1965 am Bökelberg. Schließlich gab es damals noch keine Zäune, die das Publikum davon hätte abhalten können, auf das Spielfeld zu laufen. Doch ansonsten fiel der Jubel ungewöhnlich reserviert aus - gar nicht dem Anlass entsprechend. Borussia Mönchengladbach hatte gerade mit einem 1:1 gegen Wormatia Worms den Aufstieg in die Bundesliga perfekt gemacht, doch sowohl die Spieler als auch die Fans waren vielmehr erleichtert, als dass sie auf dem Rasen zu großen Begeisterungsstürmen fähig gewesen wären. "Die Hauptsache ist, wir haben es geschafft. Ich bin froh, dass wir alles hinter uns haben", sagte Trainer Hennes Weisweiler nach dem letzten Spiel einer aufregenden Saison, in der die Fohlen-Elf geboren wurde.

Am vorigen Samstag vor 50 Jahren sicherte sich Borussia mit einem 5:2-Heimsieg gegen Rot-Weiss Essen den Meistertitel der Regionalliga West. Es war nicht der einzige Spitzenplatz, den Gladbach in jener Spielzeit belegte. Borussia stellte mit 92 Treffern in 34 Spielen den besten Angriff der Liga, war das beste Hinrunden-, das beste Rückrunden- und das beste Auswärtsteam. Und dabei trainierte Weisweiler mit einem Durchschnittsalter von 20,5 Jahren die jüngste Mannschaft im deutschen Lizenzfußball.

Vor der Saison 1964/65 hatte der kurz zuvor erst verpflichtete Weisweiler einen Umbruch im Kader vornehmen müssen. Leistungsträger wie Karl-Heinz Mülhausen oder Torjäger Uli Kohn verließen den Verein, dafür kamen Werner Waddey (18) und Bernd Rupp (21). Zudem war nun Jupp Heynckes (19) spielberechtigt. Gemeinsam mit Günter Netzer (19) und Herbert Laumen (20) bildeten sie eine arg unerfahrene Offensivreihe, die aber sogleich durchstartete.

7:3 am 3. Spieltag gegen Westfalia Herne, 10:1 am 5. Spieltag beim STV Horst-Emscher - Borussia eroberte mit ihrem erfrischenden, ungezügelten Angriffsfußball umgehend die Herzen der Fans. Und RP-Sportredakteur W. A. Hurtmanns prägte den Begriff Fohlen für Weisweilers junge Wilde, die letztlich souverän Regionalliga-Meister wurden. Bundesliga-Aufsteiger waren sie damit aber noch nicht, nun wartete auf die Gladbacher noch eine Aufstiegsrunde mit Wormatia Worms, Holstein Kiel und dem SSV Reutlingen, aus der Aufstiegsfavorit Borussia als Sieger hervorgehen musste.

Und Gladbach machte sogleich da weiter, wo es in der Liga aufgehört hatte, und siegte in Worms 5:1. "Das ist das Innentrio für die Nationalelf", schwärmte Wormatias Trainer Nandor Lengyel über die Gladbacher Sturmreihe mit Netzer, Rupp und Heynckes. Das 1:0 in letzter Minute gegen Kiel sicherte jedoch mit Egon Milder ein Abwehrspieler. Es folgten ein 1:1 und ein 7:0 gegen Reutlingen, so dass Borussia dem Aufstieg schon ganz nahe war. Doch in Kiel verpasste Weisweilers Team trotz zweimaliger Führung den noch fehlenden Punkt, mit dem 2:4 war klar, dass die Entscheidung am letzten Spieltag im Heimspiel gegen Worms fallen musste.

Der mit Zusatztribünen auf ein Fassungsvermögen von 35 000 Zuschauern ausgebaute Bökelberg war ausverkauft, als die Borussen unentwegt das Wormser Tor bestürmten. Doch Wormatia-Torwart Slavko Stojanovic entpuppte sich zunächst als unüberwindbare Hürde. Und als der Ex-Gladbacher Dieter Bedürftig in der 61. Minute aus kurzer Distanz zum 0:1 einschoss, begann das große Zittern auf den steilen Rängen. Doch nur acht Minuten später erlöste Günter Netzer mit einem Schuss aus 20 Metern die Fans, sein 1:1 genügte, um den Traum wahr werden zu lassen. Borussia stieg in die noch junge Bundesliga auf und schrieb damit das erste Kapitel eines Fußball-Märchens, das sie bis an Europas Spitze führen sollte.

(togr)
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