Borussia Mönchengladbach "Ben Hur" vergessen, Kruse lieben lernen

Mönchengladbach · Wann wird's mal wieder richtig Sommerpause? Borussias Fans haben nach drei bewegten Spielzeiten momentan scheinbar wenig zu tun. Unser Autor findet, dass es dennoch genug Beschäftigungsmöglichkeiten gibt.

Fußballprofi in der Bundesliga: Das ist Max Kruse
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Das ist Max Kruse

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Foto: dpa/Andreas Gora

Vor ein paar Jahren hatte der "Fußball-Manager" für den PC Hochkonjunktur. Der User arbeitet bei einem ausgewählten Verein virtuell als Trainer, Sportdirektor, Finanz- und Marketingchef zugleich. Klubs wie der KFC Uerdingen haben innerhalb dieses Computerspiels schon echte Dynastien aufgebaut — mit 13 Meistertiteln in 21 Jahren.

Wer dabei nicht akribisch Laufwege mit seiner Mannschaft einstudieren will, findet die intensivste Beschäftigung in den virtuellen Transferperioden. In eine Suchmaske werden wichtige Kriterien wie die Stärke des gesuchten Spielers, seine Position, sein Talent sowie die Ligen eingegeben, aus denen er kommen darf — und natürlich sein Preis.

Es gab Zeiten bei Borussia Mönchengladbach, als Fans ihrem Sportdirektor nachsagten, auf ähnliche Weise nach Neuzugängen zu fahnden. Der Mann hieß damals Peter Pander — und die Zeiten sind vorbei, aber erschreckenderweise gar nicht so lange her. Gladbachs aktuellem Chefeinkäufer, Max Eberl, wird solche Willkür auf dem Transfermarkt nicht nachgesagt.

Stürmer auf Videokassette

In den 90ern war die Videokassette der Vorläufer des Managerspiels. So fand der australische Torjäger Damian Mori einst den Weg an den Bökelberg. "Das Video mit seinen Toren war länger als 'Ben Hur'", versuchte Borussias Trainer Bernd Krauss damals verzweifelt, eine Lanze für Mori zu brechen. Der spielte und lief nur selten, "kaum länger als 'Ben Hur'", wie das Magazin "Rund" in der Liste der elf größten Fehleinkäufe feststellte.

Heute ist das oberflächliche Videostudium — nur bestehend aus Highlights des Transferkandidaten — allein den Fans überlassen (zumindest hoffen die, dass es so ist). Es findet bei YouTube statt. Die Spielerdateien der Scouting-Abteilungen sind sorgfältiger geführt als früher die Akten beim Kreiswehrersatzamt. Eher entging da ein junger Mann der Musterung, als dass ein Talent heutzutage nicht auf dem Radar der großen Klubs erscheint. Und dennoch versucht es der Fan immer wieder, mitunter erfolgreich. Meist leitet er die inoffiziellen Transfergespräche ein mit dem Satz: "Der wär' doch einer für Gladbach!"

Zwei Wochen nach Ende der Bundesliga-Saison und drei Wochen vor dem Trainingsauftakt ist das die einzige echte Aufgabe: Zum achten Mal die Kader der deutschen Profivereine durchgehen, die niederländische und belgische Torschützenliste auswendig lernen — und im Freundeskreis mal nachhorchen, ob jemand die aktuelle Version vom "Fußball-Manager" hat. Dabei findet man in manchen Jahren beispielsweise einen 19-Jährigen namens Marco Reus. Der hat in der Saison 2008/2009 27 Spiele für Rot Weiss Ahlen in der 2. Bundesliga gemacht, vier Tore geschossen, drei vorbereitet und dafür im Schnitt die Note 3,72 bekommen. Man wird weiterscrollen.

Ansonsten gilt es lediglich dafür zu sorgen, dass das Konto gedeckt ist, wenn in den nächsten Tagen die Dauerkarten abgebucht werden. Andere Borussen fanden an den vergangenen zwei Wochen ihre Bestimmung darin, Jupp Heynckes exzessiv die Daumen zu drücken und dabei zu vergessen, welchen Verein der Ur-Mönchengladbacher trainiert. Zudem wird mit großer Wahrscheinlichkeit in ein paar Tagen der Spekulations-Zirkus zur Vorstellung laden, wenn es um das Design der neuen Kappa-Trikots geht. Am 23. Juni — einen Tag vor dem Trainingsauftakt und genau 40 Jahre nach dem Pokalsieg 1973 — werden die Dinger vorgestellt.

Bereits im Februar habe ich das "Der wär' doch einer für Gladbach!"-Spiel mit meinem besten Kumpel durchgezogen. Dabei stand der VfL in unseren Köpfen kurz vor einer kompletten Übernahme des SC Freiburg. Tolle Mannschaft! Ganz oben auf dem Wunschzettel: Max Kruse. Dann erzielte der auch noch beide Treffer beim Freiburger Sieg gegen Borussia am Osterwochenende. Am vorletzten Spieltag entschied er das Spiel seiner Mannschaft in Fürth. Damit verlegte Kruse seine eigenen sowie die Gladbacher Europaträume vorerst auf die PS3. Vergangenen Mittwoch debütierte er gegen Ecuador für den DFB, machte dort auf sich aufmerksam. Und zum gefühlt ersten Mal tat es keinem Borussia-Fan in irgendeiner Weise weh.

U21-EM und zwei Offensivkräfte

Ab Donnerstag stehen dann gleich fünf Gladbacher international im Fokus. Patrick Herrmann, Peniel Mlapa, Tony Jantschke, Havard Nordtveit und Luuk de Jong treten bei der U21-EM an. Kein deutscher Verein hat in Israel mehr Spieler am Start. Sogar den SC Freiburg schlägt Borussia ausnahmsweise.

Ansonsten ist es bislang eine Sommerpause, deren Betonung ganz schwer auf "Pause" liegt. Vergangenes Jahr musste der großartige Erfolg mit Platz vier erst noch in den Köpfen ankommen. Gleichzeitig hielten alle die Setzliste der Uefa im Auge, um mögliche Gegner in den Champions-League-Play-offs zu sondieren. 2011 hielt die Verwunderung und der Stolz über das Relegationswunder bis zur neuen Saison an — eine Sommerpause im Schwebezustand.

Jetzt gilt es vor allem, die letzten Transferfragen zu klären. Max Eberl hätte die Planungen gerne am 24. Juni abgeschlossen, wenn es wieder los geht. "Auf der Suche sind wir noch nach ein, zwei Offensivkräften, um unsere Schnelligkeit, Kreativität und Torgefahr noch weiter zu erhöhen", hat Eberl gesagt. Puh, das lässt sich so aber in keine Suchmaske eingeben

(can/csi)
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