Berti Vogts im Interview "Max Eberl wird eine gute Entscheidung treffen"

Mönchengladbach · Der Ur-Borusse spricht über den Zustand Borussias, die Trennung von Trainer André Schubert und die Maßnahmen für die nähere Zukunft.

Das ist Berti Vogts
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Herr Vogts, was ist los mit Borussia? Vor einem Jahr um diese Zeit war sie Vierter, nun ist sie im Abstiegskampf.

Vogts Es sind viele Dinge schief gelaufen in den vergangenen Monaten. Damals, als Borussia da oben mitspielte, hat das Team von der Arbeit Lucien Favres gelebt. Warum man die Art und Weise des Fußballs, die man vor eineinhalb Jahren gespielt hat, nicht mehr spielt, weiß ich nicht. Aber es gibt auch Gründe, zufrieden zu sein. Wir sind in der Europa League dabei und noch im Pokal vertreten. Ich drücke Borussia die Daumen, dass wir das Glück haben, ins Pokalfinale zu kommen. In der Bundesliga muss man sich erst mal wieder stabilisieren.

André Schubert wird Borussia nicht mehr dorthin führen können, seine Zeit als Cheftrainer ist zu Ende. Ist es richtig, den Trainer zu wechseln?

Vogts Dazu äußere ich mich nicht, es ist Sache des Vereins. Ich finde aber den Ansatz von Max Eberl gut, jetzt alles auf den Prüfstand zu stellen. Das ist in solch einer Situation wichtig.

Brauchen die Spieler den neuen Impuls an der Linie?

Vogts Ich habe das Spiel gegen Wolfsburg gesehen, da wurde deutlich, dass die Spieler total verunsichert sind. Da tut es ganz gut, dass jetzt eine Pause ist. Danach muss man dann mit voller Kraft die Veränderungen angehen.

Ist Dieter Hecking, dessen Name genannt wird, der Richtige dafür?

Vogts Die Entscheidung, wer Trainer wird, ist Sache des Vereins. Max Eberl wird eine gute Entscheidung treffen, da bin ich mir sicher.

Was muss der neue Trainer ändern?

Vogts Eklatant ist in meinen Augen vor allem die Auswärtsschwäche. Warum das Team auswärts nicht so auftritt wie zu Hause, verstehe ich nicht. Borussia war immer eine auswärtsstarke Mannschaft wegen des Konterspiels. Man muss wieder mit einem anderen Selbstvertrauen auswärts antreten. Damit können die Borussen ja gleich im ersten Spiel des Jahres in Darmstadt anfangen und gewinnen.

Warum blieb der Erfolg unter Schubert aus?

Vogts Er hat den Spielern viele Freiheiten gegeben, was zu dem Zeitpunkt sicher auch richtig war. Aber man muss auch wissen, dass die Spieler einen Trainer und seine Arbeit immer ganz genau beobachten und schauen, was es ihnen bringt. Da haben die Spieler ihn herausgelockt, vielleicht fehlte dann die ganz klare Linie. Man kann ja Systeme mal wechseln. Aber innerhalb von 90 Minuten drei Systeme zu spielen, das überfordert die Spieler dann doch, das können nur Weltklasseleute. Für Borussia wäre es ratsam, sich wieder auf ein System festzulegen und zu sagen: Das ist unser Weg. Die Spieler müssen ganz genau wissen, was sie auf dem Rasen zu tun haben.

Es war seine erste Stadion in der Bundesliga. War das Unerfahrenheit?

Vogts Das denke ich nicht. Er hat außerdem genug Leute im Vorstand, die ihn beraten haben, Rainer Bonhof und Hans Meyer. Und natürlich Sportdirektor Max Eberl.

Borussia sagt, es fehlen Führungsspieler. Ist das eine falsche Kaderplanung - oder stellt sich das erst heraus, wenn es Probleme gibt?

Vogts Es ist ja immer die Frage: Was ist ein Führungsspieler? Der, der nach einem Spiel Kommentare abgibt, oder der, der während der 90 Minuten auf dem Platz zeigt, wie wichtig er ist. Wenn man im Zweikampfverhalten, im Passspiel, in der Organisation Zeichen setzt, dann ist man ein Führungsspieler.

Wie kommt man an solche Spieler? Müssen sie in die Rolle reinwachsen?

Vogts Man muss hineinwachsen. Man kann nicht irgendeinen Führungsspieler kaufen und sagen: Er ist Führungsspieler. Er muss sich selbst dahinarbeiten. Ich glaube nicht, dass Günter Netzer mit 18 schon ein Führungsspieler war. Auch er hat sich durch seine überragenden Leistungen als Führungsspieler qualifiziert. Es war damals immer das Ziel: Die Spieler mussten während der 90 Minuten zeigen, dass sie mehr wollten, als einfach nur mitspielen.

Ist dafür auch der Trainer mitverantwortlich oder ist es Sache der Spieler?

Vogts Beides. Einerseits muss man dem Spieler die Freiheit geben, sich zu entwickeln. Aber man kann nicht nur darauf warten. Man muss auch darauf einwirken und den Spielern Vertrauen geben.

Borussia will Führungsspieler holen im Winter.

Vogts Leicht ist es nicht, so einen zu finden. Es zeigt sich jetzt, wie sehr ein Granit Xhaka fehlt, sein Abgang wurde vielleicht etwas unterschätzt. Er ist ein Riesentyp und kann die Atmosphäre auf dem Spielfeld beeinflussen. Man kann solche Typen finden, aber sie haben ihren Preis.

Vor der Saison hieß es, Borussia haben den breitesten Kader der letzten Jahre ...

Vogts ... mit Verlaub, das ist auch eine Sache der Medien. Da wurde der beste Borussen-Kader aller Zeiten ausgerufen. Daraus entstehen Erwartungen bei den Fans. Und darum kippt auch die Stimmung schneller, wenn es nicht läuft. Aber ich habe vor der Saison selbst gesagt, Borussia haben gut eingekauft. Dabei bleibe ich. Es sind oft auch Nuancen, die entscheiden.

Wie gut ist Borussia wirklich?

Vogts Das Team hat eine Klasse, um unter den ersten Acht dabei zu sein. Die müssen sie abrufen. Die Spieler dürfen das aber auch nicht nur abwälzen auf den Trainer. Der Trainer gibt Voraussetzungen, die ich als Spieler umsetzen muss. Und dafür bin ich verantwortlich als Spieler.

(RP)
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