Borussia Mönchengladbach Borussia: Erfolg nur mit 100 Prozent

Fussball · Alle, auch Führungsspieler wie Juan Arango, müssen wieder an die Grenze gehen, sonst funktioniert Favres Team nicht.

 Abgang nach 64 Minuten: Juan Arango wurde bei Borussias 1:3 in Hannover schon früh ausgewechselt.

Abgang nach 64 Minuten: Juan Arango wurde bei Borussias 1:3 in Hannover schon früh ausgewechselt.

Foto: Dieter Wiechmann

Nach 64 Minuten hatte Juan Arango Feierabend. Trainer Lucien Favre wechselte bei Borussias 1:3 in Hannover so früh wie selten — und dann auch noch den fußballerischen Feingeist aus. Arango war sichtlich unerfreut darüber, missmutig ging er vom Platz. Doch er hatte sich diese Auswechslung "verdient". Zu wenig kam vom "Zauberfuß" in diesem Spiel, in dem er stark begonnen hatte, dann aber abgetaucht war. So war vermutlich auch er gemeint, als Max Eberl, Borussias Sportdirektor, sagte: "Es ist nicht jeder wie in der Hinrunde an seine Grenzen gegangen. Da muss sich jeder hinterfragen, ob er alles für den Sieg getan hat." In der vergangenen Saison, als Borussia 3:2 in Hannover siegte, hatte Arango den Erfolg mit einem Freistoßtor möglich gemacht. Auch jetzt versuchte er sich mit einem solchen Standard — doch seinen Schuss fing Hannovers Torhüter Ron-Robert Zieler problemlos ab. Danach kam immer weniger von Arango, am Ende wirkte er gar lustlos.

Die Statistik belegt das: 47 Ballkontakte hatte Arango in Hannover, das ist zu wenig, um einem Spiel Impulse zu geben. Die 7,5 Kilometer, die er zurücklegte, waren die schwächste Laufleistung aller Feldspieler (für die er allerdings auch nur 64 Minuten Zeit hatte). Für einen Mann, der sich um die Fortsetzung seines Vertrages bewirbt, ist das dürftig. Vielleicht ist es auch Frust, weil er ahnt, dass seine Zeit in Gladbach abläuft. Borussia sucht jedenfalls kreative Außenbahnspieler für die neue Saison.

Max Eberls Kritik hat aber nicht nur Arango gegolten. Einige andere Leistungsträger waren ebenfalls nicht ausreichend präsent in Hannover. So war es schon gegen die Bayern. Gegen die verkaufte sich Borussia zwar redlich, doch fehlte insgesamt die nötige Aggressivität, um dem Branchenführer wirklich weh zu tun. Ähnlich war es nun auch in Hannover, vor allem nach der Pause. "So wie in der zweiten Halbzeit dürfen wir nicht auftreten", gestand Flügelstürmer Patrick Herrmann.

"Ich bin überzeugt, dass die Jungs wollten. Aber die letzte Bereitschaft, die in der Schlussphase zu sehen war, war lange Zeit nicht da. Hätten wir von Anfang an mehr Biss gezeigt, wäre sicherlich ein positiveres Ergebnis möglich gewesen", merkte gestern Vize-Präsident Rainer Bonhof auf Borussias Internetseite an. "Das Spiel hat gezeigt, dass wir kein Spiel mit 95 Prozent gewinnen können", sagte Bonhof.

Die fehlenden fünf Prozent waren es dann wohl, die Borussia trotz statistischer Überlegenheit verlieren ließen. Das Geschehen in Hannover war ein Lehrstück dafür, dass viel Ballbesitz (65 Prozent), gute Zweikampfwerte (56 Prozent) und eine hohe Passgenauigkeit (90 Prozent) nicht zwangsläufig den Sieg bringen. Es kommt auf die entscheidenden Situationen an — und darauf, in diesen das Richtige zu tun. Hannover tat das, Gladbach nicht. Die Ballzirkulation war zu statisch, es fehlten Geschwindigkeit und die Genauigkeit im Pass- und Laufspiel. "Wir hatten so viele Ballverluste. Das habe ich selten gesehen", stellte Lucien Favre fest. Was beim 0:2 gegen die Bayern noch als Übermacht des Gegners interpretiert werden konnte, war nun als Mangelerscheinung zu definieren.

Borussias Problem: Die Gegner haben sich auf ihr Spiel eingestellt. Hannover machte den eigenen Strafraum oft zur Gladbach-freien Zone durch gutes Verschieben der beiden defensiven Viererketten und viel Laufarbeit aller Spieler. Gladbach kam selten in die sogenannte Tiefe und bis auf die Schlussphase "zu wenig in den torgefährlichen Raum" (Eberl). Damit zeigte Hannover dem Rest der Liga, wie Gladbach zu besiegen ist.

Leverkusen wird am Freitag nicht viel anders spielen: Tief stehen und kontern. Borussia braucht neue Ideen im Detail — eigentlich ist das ein Spezialgebiet von Lucien Favre. In Hannover war zu sehen, wie es gehen kann: In der Schlussphase wurde mehr über die Flügel gespielt, nach einer Flanke von Amin Younes traf Peniel Mlapa per Kopf. Doch auch neue Ideen fruchten nur, wenn alle auf dem Platz über 90 Minuten 100 Prozent geben. "Wenn wir die abrufen, werden wir wieder punkten", sagte Rainer Bonhof.

(RP)
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