Borussia Mönchengladbach Alltags-Seriosität erlaubt Europa-Vorfreude

Meinung | Mönchengladbach · Es ist zuweilen verblüffend, wie Fußballmannschaften ticken. Als Lucien Favre ging und André Schubert kam, war es gerade die von Schubert ausgerufene, schier grenzlose Freiheit, die den Borussen Kreativität und Spielfreude zurückgab. Plötzlich wurden die vormaligen Verlierer zu Seriensiegern.

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Foto: dpa, crj

Doch Schuberts Laissez-faire-Ansatz wurde mit der Zeit zum Problem, weil die Grenzenlosigkeit zur Strukturlosigkeit wurde. Plötzlich brauchten die Borussen wieder einen Trainer, der ihnen genau sagt, was zu tun ist. So einer ist Dieter Hecking. "Mit ihm hat Max Eberl genau den Richtigen geholt", lobte nun Vorstandsmitglied Hans Meyer die Personal-Entscheidung des Managers. Richtig ist vor allem der Erfolg, und den hat Hecking zurückgebracht nach Gladbach.

Dass Erfolg bei Borussia in der Gegenwart immer auch den Vergleich mit dem Schaffen von Lucien Favre aushalten muss, dürfte einen erfahrenen Mann wie Dieter Hecking nicht wirklich stören. Er hat sicherlich auch recht bewusst Mechanismen reaktiviert, die Favre installierte - ganz einfach, weil sich das Team damit wohlfühlt. Die Viererkette als Stabilitätsmodell, der Zweierangriff mit der hängenden Spitze, schnelle Flügel - Heckings persönlicher Ansatz spiegelt sich in der 4-4-2-Borussia sowieso. Der Trainer hat schnell eine klare Struktur geschaffen.

Damit ist die Basis für die englischen Wochen da. Und wenn eine Basis da ist, verbunden mit Selbstvertrauen, dann kann das Team auch modifiziert werden, wie in Bremen. Hecking weiß, welche Möglichkeiten der Kader bietet, und er wird sie in den kommenden Wochen nutzen. Offenbar wird, dass sein Draht zu den Spielern ein guter ist. Thorgan Hazard, Torschütze in Bremen, gab an, der Trainer habe ihm gesagt, er müsse vor dem Tor effektiver arbeiten - und, voila, er tat es in Bremen: Sein erster Torschuss brachte das Siegtor. Das Gefühl, eine Defensive zu haben, die die Null halten kann, das Gefühl, dass ein Tor reichen kann im Zweifel, das haben die Gladbacher aus Bremen nebenbei mitgebracht. Auch das ist bekannt aus der Erinnerung und sollte noch mehr Selbstvertrauen geben.

Das nehmen die Borussen mit in den Dreiklang mit den Spielen gegen Florenz in der Europa League und der Partie gegen Leipzig in der Bundesliga. Weil sie in der Liga jetzt erfolgreich sind, dürfen sich die Borussen ohne Einschränkung auf den Europapokal freuen. Sie haben im Alltag ihren Job vorbildlich gemacht, haben in der Liga aufgeholt und sind plötzlich näher dran an Europa (sieben Punkte) als an der Abstiegszone (zehn Punkte). Zudem haben sie sich im Pokal keine Blöße gegeben. Wer so seriös arbeitet, darf genießerisch an den Festakt Europapokal herangehen. Aber: Borussia darf kein bisschen Seriosität verlieren. Denn am Ende ist es nur der Erfolg, der den richtigen vom falschen Ansatz für ein Team unterscheidet. So tickt der Fußball nun mal.

(RP)
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