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Borussia Mönchengladbach Als de Camargo für die Zeitenwende sorgte

Mönchengladbach · Mit seinem Last-Minute-Tor in der Relegation gegen Bochum hat Igor de Camargo ein Synonym für kollektive Ekstase erzeugt. Das Tor zum 1:0 ist vier Jahre später ein bedeutender Teil der Vereinsgeschichte von Borussia Mönchengladbach.

Relegation: De Camargo trifft nach 92:14 Minuten
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Relegation: De Camargo trifft nach 92:14 Minuten

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Mit seinem Last-Minute-Tor in der Relegation gegen Bochum hat Igor de Camargo ein Synonym für kollektive Ekstase erzeugt. Das Tor zum 1:0 ist vier Jahre später ein bedeutender Teil der Vereinsgeschichte von Borussia Mönchengladbach.

Die Champions-League-Hymne bündelt in diesen Tagen all die Vorfreude auf das, was ab September bevorsteht. Dreimal wird sie mindestens im Borussia-Park erklingen, dreimal 40 Sekunden musikalisches Hochgefühl. Die Hymne ist das Symbol der erfolgreichsten Zeit seit mindestens 30 Jahren, weil sie für eine Ebene steht, zu der die Borussia jahrzehntelang keinen Zugang hatte.

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Auch am 19. Mai 2011, vor genau vier Jahren, ertönen feierliche Klänge aus den Lautsprechern. 22 Spieler reihen sich vor der Haupttribüne auf, Kinder lassen eine riesige Plane mit Logo kreisen, elektronische Bandenwerbung ist am Spielfeldrand aufgebaut worden. Die DFL versteht es, Endzeitstimmung durch Endspielstimmung zu kaschieren, das muss man ihr lassen. An jenem Donnerstagabend duellieren sich Gladbach und Bochum im Hinspiel der Relegation, der Champions League des Ab- und Aufstiegskampfes.

Noch 92 Minuten, 14 Sekunden und eine Halbzeitpause werden vergehen, bis der Borussia-Park den größten Moment seiner jetzt schon elfjährigen Geschichte erlebt. In dieser Wertung bleibt der Premiere der Champions-League-Hymne am 21. August 2012 nur die Vizemeisterschaft. Und die wird, siehe oben, nicht unerheblich mythologisiert.

Der Hauptdarsteller des 19. Mai 2011 sitzt zu Beginn nur auf der Bank. Igor de Camargo hat nur eine Halbzeit in Wolfsburg, 90 Minuten gegen Hoffenheim und eine Viertelstunde in Hamburg gespielt, seit Lucien Favre Trainer in Mönchengladbach ist. Dennoch machen ihn zwei Szenen bereits jetzt zu einem entscheidenden Faktor, falls der Borussia die wundersame Rettung in der Relegation gelingen sollte.

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De Camargo sorgt indirekt für Frontzecks Entlassung

Ende Januar erzielt de Camargo das Siegtor in Frankfurt, ohne dass die Eintracht am Ende vor Gladbach gelandet wäre. Die zweite Szene ereignet sich zwei Wochen danach auf St. Pauli. De Camargo trifft erst ins Tor, dann die Stirn von Gegner Matthias Lehmann, der neue Maßstäbe in Sachen Theatralik setzt. De Camargo fliegt vom Platz, St. Pauli dreht das Spiel, Michael Frontzeck wird entlassen, Favre kommt, Gladbach holt 20 Punkte aus den verbleibenden zwölf Spielen und rettet sich noch auf Platz 16. Dieser Schnelldurchlauf mag die Dinge zuspitzen, vielleicht würde alles ohne de Camargos Platzverweis wenig später einen ähnlichen Verlauf nehmen. Doch vermutlich wäre es dann bereits zu spät. Immerhin spricht am 14. Februar, Favres erstem Arbeitstag, einiges dafür, dass der Schweizer einen geordneten Neuanfang in der 2. Bundesliga in Angriff nimmt.

Dass es nach 67 Minuten, als de Camargo eingewechselt wird, zwischen Gladbach und Bochum noch 0:0 steht, ist geradezu eine Farce. Die Borussia hatte ein paar Mal Glück, dass der Gegner nicht in Führung ging. Auf der anderen Seite macht Andreas Luthe im Gästetor bis dahin ein ganz starkes Spiel, das er in der Schlussphase dank zahlreicher Paraden auf die Stufe "Spiel des Lebens" hebt.

In der Erinnerung vieler fabrizieren die 54.000 Zuschauer über 90 Minuten plus Nachspielzeit die beste Atmosphäre, die Borussias inzwischen nicht mehr ganz so neues Stadion je erlebt hat. Dabei wechseln sich euphorische Anfeuerung und nervöses Schweigen immer wieder ab, die Zuversicht kämpft an gegen die Angst. In der letzten Viertelstunde scheint das Publikum jedoch eine stille Vereinbarung zu treffen, nach dem Motto: Wir vergessen jetzt all die grausamen Momente dieser Saison — zehn Monate ohne Heimsieg, fünf Monate auf Platz 18, ein 0:7 in Stuttgart — und bringen den Beton zum Vibrieren. Auf dass den Statikern im Stadion angst und bange werde!

Der große Moment beginnt mit einem Einwurf, die Nachspielzeit von zwei Minuten ist seit fünf Sekunden abgelaufen. Havard Nordtveit gibt noch einmal alles. Im Strafraum verlängert Bochums Christoph Dabrowski mit dem Kopf, Keeper Luthe zeigt gegen de Camargo seine letzte Glanzparade, Juan Arango schießt Mike Hanke vors Schienbein, von wo der Ball wieder zu de Camargo kommt. Und der fabriziert einen nie gesehen Hacken-Seitfallzieher im Stehen. Der Rest ist Geschichte.

Bei YouTube gibt es ein Video aus der Nordkurve, dessen Tonspur sich anhört, als würde vielen Menschen in diesem Moment etwas Schlimmes widerfahren — spitze Schreie, verzweifeltes Gebrüll. Dabei vermischen sich all die "Jaaaa!"-Rufe lediglich zu einem faszinierenden Akustik-Knäuel. Seit dem 19. Mai 2011 ist der Begriff "De-Camargo-Tor" ein zuverlässiger Gänsehaut-Verursacher und ein Synonym für pure Ekstase beim Stadionbesuch. Dieser Treffer vor genau vier Jahren markiert nicht weniger als eine Zeitenwende bei Borussia Mönchengladbach.

(rpo)
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