Borussia Mönchengladbach Schuberts Runde und ein Hauch von Stranzl

Mönchengladbach · In den vergangenen Jahren hat die Borussia aus den letzten zwölf Saisonspielen 14 bis 29 Punkte geholt. Ähnlich groß ist der Rahmen des Erwartbaren auch diesmal. Der Sieg gegen Köln war ein wichtiges Signal.

Borussia Mönchengladbach in der André-Schubert-Tabelle Dritter am Ende
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Die Schubert-Tabelle

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Foto: afp, oa-iw

1. Zum ersten Mal ohne Dominguez Das Derby gegen Köln war das 31. Pflichtspiel der Saison, Borussias Torverhältnis in allen Wettbewerben steht nunmehr bei 60:55. Für viele Zu-Null-Spiele ist da kein Platz, nach dem 2:0 gegen den VfL Wolfsburg und dem 0:0 gegen den FC Ingolstadt war es erst das dritte in der Bundesliga. Ohne Alvaro Dominguez war Gladbach dieses Kunststück — so muss man die weiße Weste angesichts ihrer Seltenheit nennen — noch nicht gelungen. Sechs Ligaspiele machte der Spanier, in keinem kassierte die Borussia ein Gegentor aus dem Spiel heraus.

2. #BMGKOE geizt mit Toren Kein Wunder, dass die Null im Derby stand. Nachdem das Standard-Ergebnis ein paar Jahre lang — okay, nur anderthalb — zwischen 3:0 und 5:1 schwankte, brachten die letzten drei Duelle zwischen Gladbach und Köln nun allesamt einen 1:0-Sieg für die Heim-Mannschaft. Zuvor gab es noch ein 0:0 beim großen Wiedersehen im September 2014.

3. Der entscheidende Faktor Die Borussia dominierte die erste Hälfte so sehr, dass nachher seitens des FC vom "Freundschaftsspiel"-Modus die Rede war. 11:2 Torschüsse, 60 Prozent gewonnene Zweikämpfe und 85 Prozent Passgenauigkeit spiegelten sich lediglich im Ergebnis nicht ausreichend wider. Nach der Pause holte Köln in allen Statistiken auf, eine druckvolle Viertelstunde hätte den Ausgleich bringen müssen, der bei besserer Gladbacher Chancenverwertung vor der Pause ja nur ein Anschlusstreffer gewesen wäre. Ohne dass der Gegner allzu intensiv presste, sank die Passquote des Schubert-Teams auf 70 Prozent. Mit der Sicherheit des Spielaufbaus steht und fällt momentan das gesamte Konstrukt.

4. Auf Stranzl-Art Dass es trotzdem ein Happy End gab, passte gar nicht zum Flow der vergangenen Wochen. Aber die Borussen legten sich so sehr ins Zeug, dass Yann Sommer erleichtert sagte: "Heute habe ich endlich wieder die Leidenschaft gesehen, zu verteidigen." Bei den Favre-Schubert-Vergleichen wird oft außer Acht gelassen, dass der Strafraum auch unter dem Schweizer keine Tabuzone war. Martin Stranzl und Co. wehrten nur tapfer alles ab, was sich dem Tor näherte, und Sommer klärte den Rest auf der Linie. 15,4 Torschüsse ließen die Borussen in der Saison 2014/15 durchschnittlich zu, die zweitmeisten der Liga. Diese Saison sind es 14,6, die fünftmeisten. Gegen Köln war dieser resolute Einsatz mal wieder zu sehen. In den kommenden Wochen wird er unabdingbar sein.

5. Jetzt aber Wer sein Startelf-Debüt gegen den FC Bayern solide absolviert und obendrein 3:0 gewinnt, darf behaupten, in der Bundesliga angekommen zu sein. Allerdings hat der Zusatz "so richtig" bei Nico Elvedi seitdem auf sich warten lassen. Zum Rückrundenstart gegen Borussia Dortmund wirkte er überfordert, zudem schien es dem 19-Jährigen an der nötigen Grundschnelligkeit zu mangeln. Gegen Werder Bremen verdiente er sich seine Meriten immerhin mit einer starken Rettungsaktion gegen Claudio Pizarro. "So richtig" angekommen ist Elvedi nun mit dem Derby gegen den 1. FC Köln. Der junge Schweizer gewann vor den Augen seines Nationaltrainers Vladimir Petkovic 88 Prozent aller Zweikämpfe, leitete das 1:0 ein und blieb mit einem aussichtsreichen Schuss an Jonas Hectors Schulter hängen. Sieht ganz so aus, als werde dem neunten Bundesligaspiel schon gegen den FC Augsburg das zehnte folgen.

6. Rare Worte Mo Dahoud hat die Teenager-Riege am 1. Januar verlassen, 20 vollendete Lebensjahre taugen aber nicht als Erklärung für diesen reifen Auftritt im Derby. Das Tor in der neunten Minute, zielstrebig mit dem Außenrist erzielt, war nur die frühe Krönung seiner Leistung. Insgesamt dreimal schoss Dahoud aufs Tor, drei Torschüsse bereitete er vor. Außerdem gewann er 14 von 16 Zweikämpfen, brachte 91 Prozent seiner Zuspiele zum Mann und lief 12,7 Kilometer — bis zu einer Auswechslung in der Nachspielzeit einen Kilometer mehr als jeder andere Spieler auf dem Platz. Und er sprach im kleinen Kreis in der Mixed Zone ein paar Sätze, unter anderem diesen: "Das ist auf jeden Fall einer meiner schönsten Tage als Borusse." An den sportlichen Teil dieses Dahoud-Tages hat man sich fast schon gewöhnt.

7. 14 bis 29 André Schubert hat sie alle einmal durch: 17 Spiele, elf Siege, zwei Unentschieden, vier Niederlagen, 35 Punkte, 41:26 Tore. Es ist eine Bilanz auf Champions-League-Niveau. Dem VfL Wolfsburg und dem VfB Stuttgart reichte sie 2009 und 2007 sogar zur Meisterschaft. Wie Schuberts Wirken am Ende der Saison gedeutet wird, ist nach zwei Dritteln der Spielzeit vollkommen offen. Schließlich legte die Borussia vergangenes Jahr zu diesem Zeitpunkt erst richtig los und holte noch 29 Punkte aus den letzten zwölf Spielen. 2011/12 kamen nach dem 22. Spieltag nur noch 14 dazu. Auch diesmal ist das Spektrum der Erwartungen breit.

8. Am Potenzial orientieren Acht Mannschaften machen momentan sechs Europapokal-Plätze unter sich aus. Je nach Verlauf des DFB-Pokal-Halbfinales werden es sieben, nur ein Team bliebe auf der Strecke. Derzeit kristallisiert sich weder heraus, wer am Ende leer ausgehen wird, noch gibt es einen richtigen Favoriten auf den dritten Platz. Immerhin hat Hertha BSC noch kein Rückrundenspiel gewonnen, ist den Champions-League-Rang aber immer noch nicht los. Der VfL Wolfsburg empfängt als schwächstes Glied der Perlenkette nun den FC Bayern, die Konkurrenz könnte den "Wölfen" vorerst enteilen. Unterm Strich sollte es wenigstens ein Platz in der Europa-League-Qualifikation werden für die Borussia — aus dem nüchternen Grund, dass sie ohne Zweifel das Potenzial dafür hat.

9. Stindl muss aussetzen Am nächsten Sonntag ist die Borussia beim FC Augsburg zu Gast, schon wieder so eine 90-minütige Unwägbarkeit. Keines der vier Bundesligaspiele bei den Schwaben hat Gladbach gewonnen. Augsburg wiederum spielt vorher in der Europa League beim FC Liverpool, womit noch lange nicht klar ist, ob der VfL auf einen müden, auf einen euphorisierten Gegner oder auf beides trifft. Sicher ist nur, dass Lars Stindl sich die Reise sparen kann. Er hat gegen Köln die fünfte Gelbe Karte gesehen.

10. Eine Frage der Diplomatie Ein genaues Stimmungsbarometer zur Stimmung wird sich nicht erheben lassen. Unstrittig ist, dass die Gladbacher Ultras schwiegen, keine Fahnen schwenkten und somit für ein merkwürdiges Bild in der Nordkurve sorgten. Denn der Rest, allein in der Nordkurve sind das rund 15.000 Zuschauer, verhielt sich wie immer und wirkte zeitweise besonders motiviert. "Authentischer" war ein Wort, das nachher häufig fiel in Bezug auf die Stimmung. Manch einer bemängelte, dass die Lautstärke immer wieder abebbte und die Vielfalt der Gesänge zu wünschen übrig ließ. Diplomatisch könnte man sich mindestens darauf einigen, dass die Stimmung nicht schlechter war als sonst. Bei den Maßstäben, wie man das feststellt, wird ein Konsens sowieso unerreichbar sein, weil es immer auch Geschmackssache ist.

Borussias Sportdirektor Max Eberl: "Ich fand es schön, dass doch viele Menschen diesen Boykott nicht ganz so beigetreten...

(jaso)
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