Borussia Mönchengladbach Sie bleiben ungeschlagen

Mönchengladbach · Noch immer hat die Borussia keine Niederlage kassiert, jetzt kann sie sogar den Vereinsrekord angreifen. Das 0:0 gegen den FC Bayern gehörte zu den atemberaubenden Vertretern seiner Sorte.

Borussia Mönchengladbach gegen FC Bayern München - Einzelkritik
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Borussia - Bayern München: Einzelkritik

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1.) Faszination 0:0 Die USA haben im Sommer einen großen Schritt gemacht. Obwohl ihr Team in Brasilien bereits im Achtelfinale scheiterte, stand die WM-Euphorie der Begeisterung, mit der die Amerikaner den Superbowl, die World Series oder die NBA Finals verfolgen, in nichts nach. Trotzdem sollte Fabian Johnson zum nächsten Treffen mit der US-Nationalmannschaft eine DVD vom Spiel der Borussia gegen den FC Bayern mitnehmen. Das genaue Studium dieser 90 Minuten könnte helfen, die nächste Stufe der Erkenntnis zu erklimmen: Denn der Fußball ist nicht die großartigste Sportart, obwohl Spiele 0:0 enden können, sondern gerade aus diesem Grund. Damit tut man sich in den USA noch schwer. Klar, am Sonntag wäre ein 2:2 im Rahmen des Möglichen gewesen, Torchancen gab es auf beiden Seiten. Doch niemand hätte Gladbach und Bayern für Leistungen ohne große Fehler sowie ihre überragenden Torhüter feiern können. Gerade die Torlosigkeit dieses Spitzenspiels ist sein größtes Qualitätsmerkmal gewesen.

9. Spieltag: Elf des Tages
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2.) Nummer eins als Nummer zwei Yann Sommer hat also seit 329 Minuten nicht hinter sich greifen müssen, bis hierhin sein Bestwert im Borussia-Trikot. In jedem zweiten Spiel hält der Schweizer die Null, hat in der Bundesliga erst vier Tore kassiert (zwei vom Elfmeterpunkt) und hilft so immens, Gladbachs Status als Nummer zwei im Land zu manifestieren. Natürlich kommt Manuel Neuer in der Liga auf eine 658 Minuten währende weiße Weste und nur halb so viele Gegentore, aber die Nächstbesten sind in diesen Wertungen schon deutlich von der Borussia distanziert.

3.) Eine Frage des Kollektivs Lobeshymnen auf einzelne Spieler wirken jedoch fehl am Platz. Nachdem der Boulevard einst die "Fantastischen Vier" erfand und nach dem 4:1 gegen Schalke das "Traum-Trio" aus André Hahn, Max Kruse und Raffael feierte, müssen jetzt neue Alliterationen her. Lucien Favre kann auf ein beeindruckendes Kollektiv zurückgreifen. Immerhin änderte er die Limassol-Elf auf fünf Positionen und musste dazu auf den erkrankten Tony Jantschke verzichten. Der beim 5:0 überragende Ibrahima Traoré saß auf der Bank, was nach dreieinhalb Jahren Favre aber so sehr überraschte wie das Spielen der "Elf vom Niederrhein" vor dem Anpfiff. Angemessen wären inzwischen die "Atemberaubenden Achtzehn".

4.) Spiel ohne Aufbau Alvaro Dominguez war in manchen Spielen schon Mitglied im "Klub der Hunderter" — sowohl bei den Ballkontakten als auch bei den gespielten Pässen. Diese 90 Minuten am Sonntag lieferten nun die Erklärung, warum die DFL neuerdings "Ballbesitzphasen" zählen lässt. Von denen hatte Dominguez gerade einmal 42 gegen den Rekordmeister, er spielte nur 17 Pässe, von denen nur sieben ankamen. Trotzdem gehörte der Spanier zu den Besten bei der Borussia. In einem Spiel, das seitens des VfL nahezu ohne klassischen Aufbau stattfand, waren andere Qualitäten gefragt.

5.) "On fire!" Ebenso paradox ist es, dass die Borussia gerade einmal 27 Prozent Ballbesitz hatte und doch nie den Eindruck erweckte, verzweifelt den Mannschaftsbus vor dem eigenen Tor parken zu wollen. Ab und zu hallte dennoch ein "Raaauus!" von den Rängen, das die Favre-Elf zu mehr Angriffslust animieren sollte. "It's easy to give everything when Borussia-Park is on fire!", twitterte Oscar Wendt nach dem Spiel. Tatsächlich war die Stimmung die beste seit langem. Fans und Mannschaft kommunizierten geradezu. Raffael und Patrick Herrmann schütteten noch etwas Öl hinterher, indem sie die Nordkurve anpeitschten. Christoph Kramer erhielt Ovationen für einen Tritt gegen ein Mikrofon, als gebe es grundsätzlich etwas auszusetzen an Mikrofonen. Vielleicht war das 0:0 auch deshalb ein Top-Ergebnis, weil ein Tor der Borussia die Statik des Stadions arg auf die Probe gestellt hätte.

Great team performance today!! Its easy to give everything when Borussia Park is on FIRE!! Support was fantastic!! #fohlenelf

6.) Großer Geiger Es ist viel geschrieben worden über die Aura, die Xabi Alonso auf dem Platz umgibt. Der Spanier spielt die erste Geige im Orchester des FC Bayern mit einer fast schon meditativen Gelassenheit. Selbst diejenigen, die im Fußball auf Rock 'n' Roll stehen, werden da zu Klassik-Fans — und empfinden doch etwas Schadenfreude, wenn der große Geiger einmal den Ton nicht trifft. Im Borussia-Park dauerte es 76 Minuten, bis Xabi Alonso sich sichtbar den ersten Fehler leistete. Aber er hat es eben geschafft, selbst dann Applaus einzuheimsen — wenn auch vom erleichterten Publikum des Gegners.

7.) Apropos Fehlerzählen 19 Patzer, die zu Gegentoren führten, haben die Statistiker in der Bundesliga-Karriere von Manuel Neuer gezählt. Vier davon leistete er sich gegen Gladbach. Doch diesmal weckte der 28-Jährige nur ganz kurz Erinnerungen an den verunglückten Abschlag im Januar 2012, den Marco Reus damals umgehend ins Tor beförderte. Ansonsten hielt Neuer, was zu halten war, und nach Angaben von André Hahn, der bei seiner Großchance innerlich bereits zum Jubeln abgedreht hatte, noch ein bisschen mehr. So war der Nationaltorwart unterm Strich bester Spieler bei den Münchnern — es gibt kaum größere Komplimente für einen Herausforderer des FC Bayern.

8.) Rekordwoche in Sicht Diesmal war die Stadionregie nicht so selbstbewusst. Erst nachdem das 0:0 in trockenen Tüchern war, lief der Wie-die-Faust-aufs-Auge-Song "So wie in alten Tagen" im Borussia-Park. Auch nach dem 15. Saisonspiel ohne Niederlage passt die Zeile "Wir bleiben ungeschlagen" zu dieser Serie, die am Mittwoch tatsächlich den Vereinsrekord herausfordert. Bleibt Gladbach auch bei Eintracht Frankfurt ungeschlagen, ist die Bestmarke aus dem Jahr 1970 eingestellt. Damals endete die Serie im Elfmeterschießen gegen den FC Everton, nach Fifa-Kriterien ist das zwar ein Unentschieden. Aber die Borussia könnte ja auf Nummer sicher gehen und zusätzlich noch mindestens einen Punkt gegen die TSG Hoffenheim am kommenden Sonntag holen.

9.) Überraschend dünnes Eis So oder so liefert Platz zwei mit 17 Punkten aus neun Spielen noch keinerlei Gründe, sich auszuruhen: Punktgleich mit dem Vierten, nur vier Punkte vor dem Siebten und nur sechs vor dem FC Schalke, der im bisherigen Saisonverlauf so gar nicht den Eindruck erweckt, sich in Schlagdistanz zu befinden. Die Drei-Punkte-Regel ist mehr denn je ein Freund derer, die etwas mit ihr anzufangen wissen.

Max Kruse scheitert nach Konter an Manuel Neuer
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Kruse scheitert nach Konter an Neuer

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10.) Gladbach lebt "100 Leute haben wir gefragt: Nennen Sie etwas, wodurch sich der 'Doppelpass' auf Sport1 auszeichnet." Eine Antwort wie "enorme Bayern-Lastigkeit" läge sicherlich weit vorne. Als Borussias Vizepräsident Hans Meyer am Sonntag vor dem Spitzenspiel in einem der Sessel saß, drehte sich die Sendung fast 100 Minuten lang um alles, nur nicht ums Spitzenspiel. Ausgerechnet Waldemar Hartmann war es, der eine Brücke zum VfL schlug, als es gerade um die Borussia aus Dortmund ging. Die leide auch unter den Abgängen Mario Götzes und Robert Lewandowskis, war sich die Runde einig. Hartmann warf ein: "Gladbach hat auch Marco Reus verloren und lebt noch." Und zu hören war nur die Stille im Kempinski-Hotel Airport München.

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