Borussia Mönchengladbach Borussia braucht keine neuen Spieler

Mönchengladbach · Raffael steht vor der Rückkehr in den Kader von Borussia Mönchengladbach. Trotz vieler Verletzter sieht sich der Verein bestens aufgestellt.

Max Eberl: Seine Karriere in Gladbach, Leipzig und München
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Das ist Max Eberl

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Foto: dpa/Uwe Anspach

Irgendwann ist es eine selbsterfüllende Prophezeiung geworden. Lucien Favre hat seine mahnenden Worte, doch bitte Branimir Hrgota nicht zu vergessen, so häufig wiederholt, dass der schwedische Stürmer tatsächlich so schnell nicht in Vergessenheit geraten wird bei Borussia Mönchengladbach und seinen Fans. Vier Jahre lang hat Hrgota am Niederrhein gespielt. Seine Zeit dort war zwar nicht immer erquicklich. Da wäre zum Beispiel ein misslungener Panenka-Elfmeter an die Latte, der das Aus im DFB-Pokal beim damals noch drittklassigen SV Darmstadt besiegelte. Aber spätestens seit er in seinem ersten Bundesligaspiel von Beginn an drei Tore erzielt hatte, trug Hrgota ein besonderes Etikett.

Im Sommer ist er ablösefrei zu Eintracht Frankfurt gewechselt. Das war jedoch nur ein Grund, warum Borussias Verantwortliche seinen Namen nun mal wieder in den Mund genommen haben. Denn heute (20.30 Uhr) empfängt Gladbach die Frankfurter im Borussia-Park, und da Torjäger Alexander Meier die Reise verletzungsbedingt nicht antreten konnte, dürfte Hrgota von Beginn an gefragt sein.

Seine Vergangenheit war jedoch auch ein Platzhalter in einer Diskussion, die sich um Borussias Zukunft drehte, genau genommen um die Transferphase im kommenden Winter. In den vergangenen Wochen war die Verletztenliste auf neun Namen angewachsen. Die prominentesten Neueinträge hießen Raffael, Thorgan Hazard und Andreas Christensen, und obwohl Raffael nach einer Trainingseinheit mit der Mannschaft heute zumindest wieder eine Option für die Bank ist, poppte hier und da die Frage auf: Ist der vor der Saison hochgelobte Kader wirklich breit genug? "Ganz ehrlich? Keine Sekunde!", antwortete Sportdirektor Max Eberl auf die Frage, ob er zuletzt auch einmal daran gedacht habe. "Mal angenommen, wir hätten einen Christoph Kramer nicht geholt, sondern drei Spieler für je vier Millionen Euro Ablöse", lud Eberl zu einem Gedankenspiel ein. Dem Vernehmen nach hat Kramer 15 Millionen Euro gekostet. "Dann hätten wir alle Verletzungsfälle abgedeckt. Aber hätten wir die Qualität, um unseren Ansprüchen und denen da draußen gerecht zu werden?"

Die Erwartungshaltung rund um den Borussia-Park ist ein Dauerthema. Die Debatten um Verletzte, die Rotation, die Diskrepanz zwischen Heim und Auswärtsspielen, die Dreifachbelastung oder die Grundausrichtung der Mannschaft sind allesamt damit verwandt. Der Verein sei davon überzeugt, mit dem vorhandenen Personal alle Ziele - Einstelligkeit in der Liga mit Kontakt zu den internationalen Plätzen, Überwintern in beiden Pokalwettbewerben - erreichen zu können, versicherte Eberl. "Momentan sind wir offensiv etwas gerupft. Aber wen hätten wir denn noch holen sollen? Noch zwei, die auf der Tribüne sitzen, wenn alle gesund sind?", sagte er.

Das war der Punkt, an dem Branimir Hrgota wieder ins Spiel kam. Der hatte vergangene Saison nach dem Wechsel von Favre zu André Schubert kein Spiel mehr von Beginn an gemacht. Zuerst gab es nur zwei zentrale Positionen im Angriff, die durchweg Raffael und Lars Stindl bekleideten, zudem war Josip Drmic gesund. Als es im 3-4-3 plötzlich drei Positionen vorne gab, kam Thorgan Hazard groß raus. Und als im Frühjahr Raffael und Stindl jeweils ein paar Spiele verpassten, erwischte André Hahn seinen sagenhaften Lauf. "Branimir ist ein super Kicker, ich kann ihm gar nichts vorwerfen", sagte Trainer Schubert. "Ich habe die anderen einfach besser gesehen." Acht Winter-Transferperioden hat Eberl als Sportdirektor bei Borussia erlebt, nur viermal hat er personell nachgelegt: Zweimal steckte der Klub in akuter Abstiegsnot, und zweimal kamen je zwei Ergänzungsspieler, die sich gar nicht oder bislang nicht durchsetzten. Einer davon war Jonas Hofmann, mit einer Ablöse von acht Millionen Euro der teuerste Wintertransfer in Borussias Vereinsgeschichte. In knapp einem Jahr hat er fünf Spiele von Beginn an gemacht, zwei davon in der vergangenen Woche. Wer den Sinn der Verpflichtung nicht grundsätzlich bezweifeln will, der kann zumindest festhalten, dass es auch ein Indiz für gestiegene Ansprüche ist, wenn ein ehemaliger U21-Nationalspieler von Borussia Dortmund sich schwertut in Gladbach.

Früher waren es sportliche Talfahrten, die jungen Talenten ihre Möglichkeit eröffneten. Tony Jantschke, Patrick Herrmann und Marc-André ter Stegen feierten ihre Bundesliga-Debüts im Tabellenkeller. Ein Mo Dahoud wäre schon zwei Jahre früher so weit gewesen. Neben eigenen Verletzungen hatte er jedoch das Problem, dass an Nationalspielern wie Granit Xhaka, Christoph Kramer oder Havard Nordtveit kein Vorbeikommen war. Neuerdings sind es Verletzungssorgen, die den Nachwuchs auf die enorm gewachsene Bühne bei Borussia spülen. Nico Elvedi würde mit 20 Jahren nicht wie ein 25-Jähriger verteidigen, wenn vergangenes Jahr alle gesund gewesen wären. Am Dienstag im DFB-Pokal gegen den VfB Stuttgart war es nun sein Schweizer Landsmann Djibril Sow (19), der sein Profidebüt als Teenager gab.

Die personellen Sorgen dürften vergangene Woche ihren Höhepunkt erreicht haben. Schon Raffaels Rückkehr stimmt die Verantwortlichen gelassener, auch wenn Schubert einen Startelfeinsatz heute gegen Frankfurt so gut wie ausschloss. Zudem erlitten Raffael, Hazard, Traoré und Christensen jeweils Muskelverletzungen, die nicht so schwerwiegend sind wie die Serie der Knieverletzungen vor einem Jahr. Elf Punkte aus acht Spielen und der zehnte Platz haben bei Borussia ohnehin keine alarmierende Wirkung. Gegen Frankfurt sollen die zwei verlorenen Punkte aus dem Spiel gegen den Hamburger SV zurückgeholt werden. Sie sollten nur nicht Branimir Hrgota vergessen.

(RP)
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