Borussia Mönchengladbach Eberl: "Christoph Kramer hat seine Chance genutzt"

Mönchengladbach · Borussias Sportdirektor Max Eberl spricht über die Weltmeisterschaft in Brasilien, die Gladbacher Spieler bei der WM und wichtige Spielertypen.

 Gladbachs Manager Max Eberl glaubt an Christoph Kramers WM-Chance.

Gladbachs Manager Max Eberl glaubt an Christoph Kramers WM-Chance.

Foto: afp, pst ej

Herr Eberl, der Borussia-Park wird am Sonntag Schauplatz des letzten wirklichen WM-Tests für die deutsche Mannschaft sein, wenn Kamerun der Gegner ist. Wie gespannt sind Sie darauf, welches deutsche Team hier aufläuft?

Eberl Aus deutscher Sicht hoffe ich erst mal, dass alle angeschlagenen Spieler einigermaßen in Form kommen. Es ist für alle Beteiligten schade, dass man mehr darüber redet, wer alles verletzt ist, als darüber, wer spielen könnte und wie das Team aussieht. Gerade in der Zentrale gibt es doch einige Fragezeichen. Das könnte eine Chance für unseren Christoph Kramer sein. Es ist zwar nicht davon auszugehen, dass er als Führungsspieler dafür sorgen wird, dass wir Weltmeister werden. Aber er kann doch ein wichtiger Part sein in dem ganzen System. Für den deutschen Fußball wäre es aber wichtig, dass Spieler wie Schweinsteiger oder Khedira, die in den vergangenen Turnieren gute Leistungen gebracht haben, gesund werden. Und vielleicht entsteht aus der in Anführungsstrichen negativen Startsituation ein besonderer Zusammenhalt nach dem Motto: Wir werden es allen zeigen.

Sie haben Christoph Kramer angesprochen. Dass er jetzt im Trainingslager für die WM ist und aus Gladbacher Sicht nicht, wie von vielen erwartet, Marc-André ter Stegen oder Max Kruse, ist etwas überraschend.

Eberl Es ist natürlich ein bisschen der Situation geschuldet. Chris hat eine tolle Entwicklung gehabt in der vergangenen Saison und das ist dem Bundestrainer nicht verborgen geblieben. Gerade in der Defensive und im defensiven Mittelfeld haben wir in Deutschland nun mal nicht das Riesenangebot. Christoph hat seine Chance genutzt. Das macht uns natürlich stolz, weil es wieder ein Spieler von uns ist, wie zuvor Marco Reus oder Roman Neustädter, der bei uns Nationalspieler geworden ist. Das zeigt, dass wir da doch ein gutes Gespür und ein gutes Auge haben.

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Borussia ist überhaupt gut vertreten bei der Weltmeisterschaft in Brasilien. Fabian Johnson, der nächste Saison kommt, steht im US-Aufgebot, Granit Xhaka und Yann Sommer gehören zum Team der Schweiz, dazu kommt Kramer. Wie wichtig ist es für die Spieler, so ein Turnier zu erleben?

Eberl Für jeden Spieler gibt es nicht viel Größeres, als eine WM zu spielen. Es ist eine Riesenerfahrung, die uns dann in Zukunft hoffentlich auch helfen wird.

Sie werden also kein Spiel der Deutschen, der Schweiz und der USA verpassen?

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Eberl Die Spiele der Deutschen sowieso nicht. Aber ich freue mich wie jeder auf die ganze Weltmeisterschaft und werde so viel wie möglich schauen. Aber natürlich werden die Spiele, bei denen unsere Jungs dabei sind, besonders in meinem Fokus stehen.

Schauen Sie die WM mehr als Fan oder als Sportdirektor mit dem Blick: Das könnte einer für uns sein...

Eberl Beides. Man kennt die Spieler natürlich, die bei der WM dabei sein werden. Es gibt vielleicht zehn Prozent Exoten - aber wenn die auffallen, sind gleich auch die großen Klubs dran. Wir versuchen, unsere Hausaufgaben vorher zu machen. Das ist uns in der Vergangenheit gut gelungen, denke ich. Es ist ja auch jetzt so, wenn auch noch nicht alles in trockenen Tüchern ist.

Ist Borussia eher ein Klub, der bei den U21-Turnieren schaut?

Eberl Wir schauen viel bei Jugendländerspielen. Wir kennen die Nationalmannschaft ab U15, wo die ersten Länderspiele ausgetragen werden und versuchen, uns da schon einen Überblick zu verschaffen. Es ist schon so, das U17-, U19- und U21-Europameisterschaften für uns sehr interessant sind. Aber wenn man das Beispiel Thiago Alcantara nimmt, der für 25 Millionen von Barcelona zu Bayern gewechselt ist, sieht man, dass schon da die Größenordnungen für uns nicht realistisch sind. Wir versuchen Nationen wie Norwegen, Schweden, Belgien, Holland oder die Schweiz sehr gut zu kennen, weil es da immer wieder interessante Spieler gibt.

Ihr Trainer Lucien Favre sagt, dass es in seinen Augen keinen klaren Favoriten bei der WM gibt. Sehen Sie das auch so?

Eberl Ich habe mit Lucien natürlich schon sehr, sehr viel über die WM gesprochen und diskutiert. Wir sind uns relativ einig, dass es dieses Mal schwer ist, einen klaren Favoriten herauszukristallisieren. Brasilen als Heimteam gehört natürlich zu dem Kreis, Spanien automatisch auch, Holland ebenso. Deutschland gehört ebenfalls zum weiteren Kreis der Kandidaten, auch wenn die Stimmung gerade etwas gegen uns spricht. Auch die südamerikanischen Teams darf man nicht vergessen. Argentinien und Uruguay kennen wir, wir haben gesehen, wie stark Chile gegen uns gespielt hat. Das sind schon eine ganze Menge Mannschaften - und aus diesem Kreis wird der Weltmeister gekürt werden. Aber es ist schwer, eine Nation herauszunehmen.

Wird es eher eine WM der Superstars wie Cristiano Ronaldo oder eher ein Turnier der Mannschaften?

Eberl Ich glaube, es wird keine WM der Superstars, sondern eine WM der Mannschaften. Das hat ja auch das Champions-League-Finale zwischen Atletico und Real gezeigt. Atletico lebt sowieso von der mannschaftlichen Geschlossenheit. Aber auch Real hat das Finale aufgrund des Teams gewonnen. Nicht Cristiano Ronaldo hat die Hauptrolle gespielt, sondern beispielsweise ein Ramos, der Real mit seinem Kopfball im Spiel gehalten hat. Oder ein di Maria mit seiner Vorlage. Natürlich sind auch das Superstars, aber nicht so augenscheinlich. Das zeigt, dass auch bei Real das Teamgefüge dazu beigetragen hat, dass es Champions-League-Sieger geworden ist. Ich denke, auch bei der WM wird die mannschaftliche Geschlossenheit, natürlich auch mit den herausragenden Momenten Einzelner, entscheidend sein. Wenn sich alles auf einen Spieler fokussiert, fährt er oft enttäuscht nach Hause.

Kommen Kämpfertypen wie Ramos wieder in Mode?

Eberl Ich habe das ja vor einem Jahr schon angesprochen. Wenn ich Ramos nehme, oder Pepe und Puyol, der dem FC Barcelona sehr fehlt, dann sind das alles Spielertypen, die einem Team guttun. Es geht aber um die Mischung. Mit zehn dieser Spieler wird man nichts gewinnen, aber auch nicht mit zehn Technikern. Aber gerade wenn es klemmt, spielt Robustheit schon eine Rolle.

Fehlen dem deutschen Team die robusten Typen?

Eberl Ein Stückweit schon. Aber das gilt für den gesamten deutschen Fußball, da kann ich auch unser Leistungszentrum nicht ausnehmen. Ich hoffe, dass wir diese Erkenntnis umsetzen können, dass auch Spieler gefördert werden, die nicht nur brillieren können, sondern auch kämpfen. Das muss in der Talentförderung definitiv eine Rolle spielen.

Erwarten sie Innovationen? Oder gibt es, wie Lucien Favre sagt, nur Variationen bekannter Sachen?

Eberl Ich habe durch Lucien Favre gelernt, dass es im Grunde alles schon mal gegeben hat. Wenn er von Brasilien 1970 erzählt, das auch schon mit einer Art Dreierkette gespielt hat, aber auf 4-2-3-1 umbauen konnte, zeigt das, dass ganz neue Dinge schwer zu finden sein werden. In den vergangenen Jahren war die Entwicklung der Viererkette nachhaltig, jetzt gibt es neue Tendenzen mit hoch stehenden Außenverteidigern und einem zentralen Mittelfeldspieler, der sich im Aufbau zwischen die Innenverteidiger zurückfallen lässt - auch das wird es schon gegeben haben, aber das ist eine Entwicklung, die man vielleicht bei der WM beobachten kann. Chile hat zudem gezeigt, wie aggressiv man spielen kann mit sehr hoch stehenden Außenverteidigern. Aber am langen Ende entscheiden dann oft doch ganz traditionelle Dinge die Spiele - das hat auch das Champions-League-Finale gezeigt.

Wird Lucien Favre neue Ideen von der WM mitbringen?

Eberl Natürlich wird er Eindrücke gewinnen, die dann in seine Arbeit einfließen. Aber man schaut auch als Verein, um gewisse Tendenzen mitzubekommen. Und wenn dann neue Entwicklungen da sind, muss man entsprechend Anpassungen in der eigenen Jugendarbeit vornehmen - ohne natürlich den eigenen Stil zu vergessen.

Ihr Tipp für das Finale?

eberl Ich denke, dass zwei südamerikanische Mannschaften im Finale stehen werden.

(RP)
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