Borussia Mönchengladbach Der nette Junge wird zum ganzen Kerl

Mönchengladbach · Mönchengladbachs Weltmeister Christoph Kramer trifft auf seinen künftigen Klub aus Leverkusen. Die Zeit bei Borussia hat den 24-Jährigen gleich mehrfach verändert. Er hat vier Entwicklungsstufen durchlaufen.

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Dass ein Verein einen Spieler an einen anderen Klub ausleiht, ist gängige Praxis in der Bundesliga. Dass sich dieser Spieler weiterentwickelt, ist erklärtes Ziel aller drei Parteien. Und dass die Öffentlichkeit dieser Entwicklung in Form einer veränderten Wahrnehmung des Spielers Rechnung trägt, ist eine logische Folge. Dass aber ein Spieler am Ende einer zweijährigen Ausleihe bereits seine vierte Entwicklungsstufe und ein ebenso oft verändertes Bild in der Außenwahrnehmung durchläuft, ist dann doch sehr ungewöhnlich. Wobei wir bei Christoph Kramer wären und der Geschichte seiner im Sommer endenden Phase als Leihspieler von Bayer Leverkusen bei Borussia Mönchengladbach.

Wie wohl kein zweiter deutscher Profi haben sich Rolle und Bild des jetzt 24-Jährigen in den vergangenen 24 Monaten immer wieder gewandelt. Am Samstag (15.30 Uhr) nun trifft der aktuelle Kramer, also der Christoph Kramer 4.0, in einer Art Endspiel um Tabellenplatz drei mit den Gladbachern auf seinen neuen, alten Arbeitgeber Bayer Leverkusen. Doch eine spezielle Note will der gebürtige Solinger in dieser Partie deswegen nicht ausmachen. "Für mich ist da jetzt gar nicht so eine krasse Brisanz drin. Ich würde sagen, wenn es anders wäre. Mein Ziel ist es natürlich, mit der Mannschaft, für die ich jetzt spiele, das Spiel zu gewinnen und so Platz drei so gut wie fest zu machen. Ich glaube auch nicht, dass irgendwer etwas anderes von mir denken würde", sagt Kramer.

Als er im Juli 2013 bei Borussia ankam, dachten die meisten überhaupt nichts über ihn, jedenfalls nichts Spezielles. Er kam als Zweitligaspieler des VfL Bochum, er wollte sich entwickeln, vom Besser-Macher Lucien Favre lernen und als geduldiger Lehrling in der Ersten Liga ankommen. Doch der Blondschopf lernte schneller, als er und andere es erwartet hatten, fand in Favre einen großen Förderer und avancierte vom Saisonstart weg zum Stammspieler. Seine Pferdelunge, seine weiten Wege auf dem Platz wurden zu seinem Markenzeichen. Die Geschichte von dem, der alle Erwartungen übertraf, gefiel Fußball-Deutschland. Und das Märchen nahm Fahrt auf: Kramer wurde im Sommer 2014 erst Nationalspieler, dann WM-Fahrer, dann Weltmeister, dann WM-Star. Der Hype wuchs und wuchs, und er veränderte Kramer ein drittes Mal.

Er war auf einmal omnipräsent in Medien und Öffentlichkeit. "2014 war ein so rasantes Jahr für alle Spieler des WM-Kaders, da ist das mediale Aufkommen unfassbar gewesen. Da haben wir ja auch zu Recht alles mitgenommen", sagt er heute. Aber irgendwann wuchs mit dem Hype auch die Kritik an ihm. Er äußerte sich unglücklich in Interviews, kokettierte mit Angeboten aus dem Ausland, reagierte auf Kritik von Borussia-Legende Berti Vogts unsouverän. Aus dem netten Jungen von nebenan war für viele ein hipper Jungstar geworden, dem der Rummel zu Kopf gestiegen war. Irgendwann riefen die Fans bei der Aufstellung auch kein "Fußballgott" mehr hinter seinem Namen.

Allein: Kramer gelang es, sich ein viertes Mal zu verändern. Es fing im Winter damit an, dass an seiner Rückkehr nach Leverkusen letzte Zweifel ausgeräumt wurden. Er räumte Fehler ein, gab sich geläutert. Wenn er heute immer noch den ein oder anderen kecken Spruch vor Journalisten tätigt, wirkt es nicht mehr gekünstelt, nicht mehr wie von einem, der auch ein "Bro'", ein "Homie" oder eine andere Form des in der Liga verbreiten coolen Typs Jungprofi sein will. Heute wirkt Kramer so, wie Kramer ist. Um die WM-Erfahrung reicher, aber wieder näher bei sich, bei seinem Naturell. Im Vergleich zu 2014 war "2015 so, als wenn man aus dem Urlaub kommt. Der Alltag holt dich schnell wieder ein. Dass der Rummel abnimmt, ist normal", sagt er.

In drei Spielen geht seine Zeit bei Borussia zu Ende. Den Umzug ("in den Großraum Düsseldorf") hat er schon erledigt. Er freut sich auf den Urlaub und dann auf den Neustart in Leverkusen. Für seinen Abschied aus Gladbach hat er einen ganz speziellen Wunsch: "Nach dem letzten Spiel gegen Augsburg würde ich mich freuen, wenn die 54.000 Zuschauer alle im Stadion bleiben, noch mal den Schal rausholen und 'Die Seele brennt' singen", sagt er.

(RP)
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