Frank Geideck "In 50 Jahren wird man auch über uns lachen"

Mönchengladbach · Borussias Co-Trainer Frank Geideck ist seit 2009 bei Borussia. Im Interview spricht er über seine Frankfurt-Bilanz, die sich immer wieder ändernden Ansätze im Fußball und ein bisschen Pathos.

Frank Geideck und die Cheftrainer
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Frank Geideck hat bei Borussias heutigem Gegner Eintracht Frankfurt eine gute Bilanz. Er hat als Gladbacher Co-Trainer nur eines von sieben Spielen dort verloren und fünf gewonnen. Darüber, über seine vier Chefs in Gladbach, sich ändernde Ansätze im Fußball, seine Zukunftsplanungen und ein T-Shirt mit Allan Simonsen darauf sprachen Karsten Kellermann und Jannik Sorgatz mit Geideck, der am Sonntag 50 wird.

Herr Geideck, Sie haben mit Borussia gegen Frankfurt eine gute Bilanz.

Geideck Das war mir nicht bewusst. Mit Bielefeld sind wir im Pokal-Halbfinale mal in Frankfurt ausgeschieden, daran kann ich mich auch erinnern. Aber auf solche Bilanzen gebe ich nichts. Es sind allein von Jahr zu Jahr andere Situationen.

Was man fast immer über die Eintracht sagen kann, insbesondere jetzt unter Trainer Niko Kovac: Sie ist ein unangenehmer Gegner.

Geideck Das gilt für viele Teams. Frankfurt spielt jedenfalls sehr kompakt in guten Phasen. Momentan haben sie in der Offensive ein paar Probleme, auch durch Verletzungen. In einem Testspiel in Würzburg haben sie zuletzt mit einer Viererkette gespielt. Es kann also sein, dass sie da umstellen.

Insgesamt ist die Entwicklung der Eintracht enorm.

Geideck Wenn ein neuer Trainer kommt und du sofort Erfolg hast, steigern sich die Überzeugung und die Selbstverständlichkeit. Sie haben den Klassenerhalt geschafft, und dann festigt sich so etwas.

So einen Effekt gab es in Gladbach häufiger zu bestaunen.

Geideck Als André Schubert kam, haben wir Augsburg in den ersten 20 Minuten praktisch überrannt und es stand 4:0. Das sind sicherlich Schlüsselmomente. Aber es geht auch anders, wenn man mal den Hamburger SV nimmt. Zu Beginn haben sie unter Markus Gisdol viele Spiele verloren und durch tiefergreifende Arbeit dann die Wende geschafft. Bei uns unter Dieter Hecking war es aber sicherlich auch so, dass schnell eine Dynamik des Erfolges entstanden ist.

War hier das 3:2 in Leverkusen nach 0:2-Rückstand der Wendepunkt?

Geideck So wie ich den Dieter kenne, bin ich mir sicher, dass alles auch auf einem sicheren Fundament stehen würde, wenn es dieses Spiel nicht gegeben hätte. Aber das beschleunigt das Ganze natürlich. Man geht mit Euphorie aus dem Spiel und glaubt sofort an das, was der Trainer vermittelt.

Kennen Sie eigentlich in jedem Stadion den schnellsten Weg von der Tribüne runter auf den Platz oder in die Kabine? Sie schauen sich die erste Halbzeit neuerdings von oben an.

Geideck Noch war ich ja seitdem nicht in jedem Stadion. Ich habe schon mitbekommen, dass das medial ein Thema war, aber man sollte das nicht zu hoch hängen. Wir haben das auf meinen Wunsch eingeführt, weil man von oben die eine oder andere Sache noch sieht, die eine Hilfestellung für die Halbzeitansprache sein kann. Aber es ist nur ein Mosaikstein, sonst könnte es ja jeder machen und es hätte Erfolg. Ich bin sowieso der Meinung, dass man solchen Dingen gegenüber - das mag ein komisches Wort in dem Zusammenhang sein - eine gewisse Demut aufbringen sollte.

Wie meinen Sie das?

Geideck Es gibt immer Leute, die meinen, etwas zu 100 Prozent zu wissen. In den 70ern zum Beispiel sollten die Spieler während oder unmittelbar nach der Belastung nichts trinken. Das wird damals aufgrund der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse gemacht worden sein, aber heute sieht man das etwas differenzierter. In 50 Jahren werden die Leute über bestimmte Sachen lachen, von denen wir überzeugt sind.

Werden die Leute in 50 Jahren auf einen Pokalsieg von Borussia im Jahr 2017 zurückblicken? Vermutlich wollen Sie nicht ein zweites Halbfinale gegen Frankfurt verlieren.

Geideck Das wäre gegen 1860 München oder jeden anderen Gegner genauso bitter, zu Frankfurt habe ich keinen besonderen Bezug. Ich war noch nie im Finale und alle, die da waren, schwärmen von der Atmosphäre. Da würde ich gerne hin - egal, wie der Gegner im Halbfinale heißt.

Michael Frontzeck, Lucien Favre, André Schubert und nun Dieter Hecking - wie sehr unterscheidet sich die Arbeit mit den verschiedenen Trainern?

Geideck Da will ich natürlich keine Wertung vornehmen. Ich habe mal gelesen, dass die durchschnittliche Aufenthaltsdauer eines Bundesligatrainers 13 Monate sind. Es geht immer mehr dazu über, den kompletten Stab mitzunehmen. Deshalb freue ich mich sehr, dass ich immer noch bei Gladbach bin. Ich mag den Verein einfach, und die Arbeit macht mir sehr viel Spaß. Ich denke aber, dass das auf Gegenseitigkeit beruht. Die verschiedenen Trainer zu vergleichen, ergibt nicht so viel Sinn, weil es immer andere Situationen waren.

Inwiefern?

Geideck Als ich mit Michael Frontzeck kam, war Gladbach gerade dem Abstieg entronnen. Wir hatten ein erfolgreiches erstes Jahr, weil wir in keiner Phase richtige Abstiegssorgen hatten. Dann hatten wir ein schlechtes halbes Jahr und Lucien Favre ist gekommen. Dieses Gefühl mitzunehmen aus den beiden Relegationsspielen, diese befreiende Explosion, das hat sicherlich den ganzen Verein eine Zeit lang getragen. Vielleicht tut es das in gewisser Weise auch immer noch. Man merkt das an den Emotionen, wenn man mit den Leuten spricht, die dabei waren.

Ärgert es Sie, dass die Zeit mit Frontzeck in der Nachbetrachtung so negativ gesehen wird? Die Mannschaft, die Lucien Favre nach Europa geführt hat, wurde da schon aufgebaut.

Geideck Das ist wie in einem Spiel über 90 Minuten. 70 Minuten spielst du sehr gut, am Ende 20 schlecht - und der letzte Eindruck bleibt haften. Sicherlich ist das oft ungerecht, aber so ist das halt. Ich kann für mich nur sagen, dass ich hier in Gladbach bislang mit tollen Trainern zusammengearbeitet habe und ich das für mich auch richtig einordnen kann. Klar, mit Lucien Favre war es am längsten und sehr erfolgreich. Ich sage auch gerne, dass er meinen Blick auf den Fußball noch einmal erweitert hat. Natürlich darf man differenzieren zwischen den Trainern, mit denen ich seit 2009 hier zusammengearbeitet habe. Aber sie haben alle ihren Teil dazu beigetragen, dass Gladbach jetzt so dasteht: Michael hat die Segel gesetzt, Lucien hat das Schiff stabilisiert und ins richtige Fahrwasser gelenkt - und teilweise auf Speedboot-Geschwindigkeit beschleunigt. André hat die erfolgreiche Arbeit weitergeführt, und Dieter tut das jetzt. Und über die gesamte Zeit ist Max Eberl der Hauptverantwortliche für die positive Entwicklung Borussias. Mal sehen, wohin die Reise noch geht.

Nach Lucien Favres Rücktritt gab es das Gerücht, Sie könnten zumindest übergangsweise übernehmen. War das ein Thema?

Geideck An mich ist das nicht herangetragen worden. So wie es dann gelaufen ist, war es doch klasse. Ich habe dazu eine sehr pragmatische Einstellung.

Ihr Vertrag läuft im Sommer 2018 aus. Gab es schon Gespräche?

Geideck Nein, noch nicht. Ich will mich nicht auf zu viele Fußballfloskeln zurückziehen. Aber es geht so schnell. Ein Vertrag steht für den Willen beider Parteien, über die Dauer des Vertrages zusammenzuarbeiten. Und es ist sehr schön, wenn das kongruent läuft. Ich schaue nicht so sehr in die Zukunft. Als Spieler hatte ich Verträge über ein oder zwei Jahre, ich mache das jetzt 23 Jahre als Co-Trainer mit Verträgen, die über zwei, vielleicht drei Jahre gehen. Man wird in dieses System reinsozialisiert.

Sie hatten bislang drei Vereine: Arminia Bielefeld, den VfR Wellensiek und Borussia Mönchengladbach.

Geideck Ich bin 200 Meter Luftlinie von der Bielefelder Alm aufgewachsen. Zum fünften Geburtstag habe ich die Mitgliedschaft bei der Arminia geschenkt bekommen. Vier Jahre war ich beim VfR Wellensiek - A-Jugend, Kreisliga, Bezirksliga. Der Platz war direkt an der Uni, wo ich studiert habe. Alles in einem Drei-Kilometer-Umkreis.

Der Wechsel nach Mönchengladbach war rein geografisch also ein großer Schritt.

Geideck Ich habe immer gesagt, dass ich die Welt zu mir geholt habe, weil ich Spieler aus sehr vielen Nationen hatte: unterschiedliche afrikanische Länder, Du-Ri Cha aus Südkorea, Ali Daei und Karim Bagheri aus dem Iran, Australier, Kolumbianer, Brasilianer. Ich will nicht sagen, dass ich mich den ganzen Tag mit den Kulturen beschäftige, aber mal nachzufragen, um etwas kennenzulernen, macht mir sehr viel Spaß am Fußball.

Sie mischen im Training auch gerne noch mal mit.

Geideck Wenn wir eine ungerade Anzahl sind und es die passende Spielform ist, durchaus. Bei elf gegen elf auf dem großen Feld wird es schwierig, und ich würde nicht wollen, dass die gegnerische Mannschaft meinetwegen gewinnt. (lacht) Ich habe selbst sehr früh aufgehört mit 27 und werde 50, da zollt man dem Alter manchmal Tribut.

Aber der Ehrgeiz ist noch sehr groß.

Geideck Es macht einfach sehr viel Spaß. Auch da kommt wieder eine Floskel: Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht. Ich habe mit fünf Jahren angefangen, habe Sport studiert, habe nebenbei sieben Jahre als Therapeut in einem Reha-Zentrum gearbeitet. Bei allem, was ich gemacht habe im Leben, war Sport dabei, angefangen als Kind auf dem Bolzplatz.

Welches Trikot haben Sie früher auf dem Bolzplatz getragen?

Geideck Kein richtiges, aber ich hatte so ein bedrucktes T-Shirt - eigentlich ist mir das fast schon zu viel Pathos - mit einem Bild von Allan Simonsen. Ich bin 1967 geboren, da waren die 70er natürlich die Zeit, in der ich mit dem Fußball sozialisiert wurde. Von Rainer Bonhof habe ich auch ein Erdgas-Trikot von damals. Aber beim Fußballspielen habe ich das nicht getragen.

(RP)
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