Erst 666 Minuten bei Borussia im Einsatz Das Rätsel Vincenzo Grifo

Mönchengladbach · Vincenzo Grifo hat bisher kaum Einsatzzeit bekommen. Was ist los mit ihm?, fragen Experten und Fans. Offensichtlich ist der 24-Jährige noch nicht richtig bei Borussia und Trainer Dieter Hecking angekommen. Auf ein Tor wartet er noch.

Vincenzo Grifo: Nach nur einem Jahr weg von Borussia Mönchengladbach
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Das ist Vincenzo Grifo

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Foto: Imago (Archiv)

Vincenzo Grifo hatte seinen Schal weit nach oben gezogen. Daher waren nur seine Augen zu erkennen, als er nach dem 2:2 der Borussen gegen Bremen vom Spielfeld in Richtung Kabine stapfte. Seine Mimik war also weitgehend verborgen, als er die Mixed-Zone passierte, in der die anwesenden Berichterstatter auf Gesprächspartner warteten. Grifo wurde keiner, denn er hatte die 90 Minuten gegen die Norddeutschen komplett auf der Ersatzbank zugebracht. Dass er wenig zufrieden war mit dieser Tatsache, wäre ihm wohl ins Gesicht geschrieben gewesen. Daher war es vielleicht aus diplomatischer Sicht ganz hilfreich, dass er einen blickdichten Schal bei sich hatte.

Dass er die ersten sechs Saisonspiele verletzungsbedingt verpasst hat, macht seine persönliche Bilanz nur ansatzweise besser. 25 Spieltage sind vergangen, und Grifo hatte bisher 14 Einsätze bei Borussia. 666 Minuten kommen zusammen inklusive der 14, die er im Pokalspiel gegen Leverkusen dabei war. Dass die dreifache Sechs die Satans-Zahl ist, ist ein wenig symbolisch, schließlich ist es für Grifo bisher eine Saison, die nicht eben himmlisch verläuft. Nur achtmal war er Startelf-Teilnehmer, ansonsten ist er ein Pendler zwischen Bühne und Bank.

Für einen, der zuvor beim SC Freiburg fast immer spielte und in zwei Spielzeiten 23 Tore und 27 Vorlagen produzierte, ist das ernüchternd. Er ist gekommen als Topeinkauf für die Offensive, sechs Millionen Euro zahlte Gladbach, dank einer Ausstiegsklausel war er ein Schnäppchen. "Mit seinen Qualitäten wird er uns in der Offensive noch flexibler machen", formulierte Sportdirektor Max Eberl die Erwartungen. Als Standardschütze und Flankengeber sollte sich Grifo einbringen, aber auch als Dribbler, Ideenspender und natürlich Tormacher.

Doch erfüllen konnte der 24-Jährige die Erwartungen bisher nicht. Zwar gab es einen beachtlichen Erstling gegen Hannover, als er, gerade eingewechselt, den entscheidenden Elfmeter herausholte, es war der erste von vier Assists. Seinen schönsten Tag als Gladbacher hatte er beim 3:1-Sieg bei 1899 Hoffenheim am 28. Oktober. Da zog er groß auf, schoss und dribbelte nach Herzenslust, bereitete die Tore von Matthias Ginter und Thorgan Hazard vor und hatte einmal Pech, als sein Freistoß von Oliver Baumann an die Querlatte gelenkt wurde. Dreimal traf er insgesamt das Aluminium im ersten Saisonteil, aber nicht einmal ins Tor. Es war nicht seine Hinrunde.

"2018 kommt das Glück zurück", sagte er zum Start ins neue Jahr. Privat wird es so sein, schließlich haben er und seine Verlobte die Hochzeit längst geplant. Beruflich jedoch wartet er immer noch auf die für ihn günstigeren Umstände. Was ist los mit Grifo?, fragen Experten und Fans. Er ist noch nicht richtig angekommen bei Borussia und bei Trainer Dieter Hecking. Jedenfalls nicht nachhaltig. Dass einer wie Grifo, ein Künstler, eher das volle Vertrauen braucht, um sich richtig entfalten zu können, und vielleicht mal eine Reihe von Spielen am Stück, ist zumindest als These erlaubt.

Gegen Leipzig war er überraschend beim Anpfiff dabei und machte einen guten Job. Damit verdiente er sich den nächsten Einsatz gegen Stuttgart, spielte da aber nicht gut und musste nach 45 Minuten raus. Es hätte an diesem Tag, an dem die Gladbacher alle kein gutes Spiel machten, auch andere treffen können. Dass es Grifo war, der in der Kabine blieb, war sogar etwas überraschend. Doch es war wieder ein Bruch, seither spielte Grifo von 270 Minuten nur noch eine.

Sicherlich, er ist nicht der erste, der beim neuen Klub Anlaufschwierigkeiten hat. Und noch gibt es neun Spiele, die Grifos erster Saison in Gladbach (sein Vertrag läuft bis 2021) eine neue Richtung geben können. Auf den Flügeln ist immer ein bisschen Bewegung in der Aufstellung möglich. Hazard ist zwar gesetzt, doch die anderen haben nicht derart überzeugt, dass ein personeller Wechsel undenkbar erscheint. Zuletzt haperte es zudem bei Borussias Standards, Grifos Paradedisziplin. Und gute Ideen eines Instinktspielers können immer helfen.

Möglich, dass Grifo am Samstag in Leverkusen mal wieder eine Option für die Startelf ist. Jeder Einsatz, den er bekommt, macht auch etwas Historisches wahrscheinlicher, das noch aussteht: Das erste Pflichtspieltor eines Italieners für Gladbach. Wenn das fällt, würde er seine Freude, seine Erleichterung ganz sicher nicht hinter einem Schal verbergen.

(kk)
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