Borussia Mönchengladbach Hecking — das erste Quartal

Mönchengladbach · Seit genau drei Monaten ist Dieter Hecking heute Borussias Trainer. Er übernahm im Dezember 2016 eine "knifflige Aufgabe", wie er sagt. Eine Bilanz seiner ersten 15 Pflichtspiele.

Borussia Mönchengladbach: In der Tabelle unter Dieter Hecking Sechster
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Die Hecking-Tabelle

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Foto: dpa/Matthias Balk

Als Dieter Hecking am 22. Dezember als neuer Borussen-Trainer installiert wurde, übernahm er eine "knifflige Aufgabe". Elf Punkte betrug damals der Rückstand auf Platz sechs. Jetzt sind es nur noch fünf Zähler und nach unten ist der Abstand gewachsen. Zudem hat Hecking Borussia ins Achtelfinale der Europa League und ins Halbfinale des DFB-Pokals geführt. Er macht einen guten Job - doch es gibt auch noch Luft nach oben, wie unsere Plus-Minus-Analyse zeigt.

Ansprache (+) Dieter Hecking trifft den richtigen Ton. Er verwissenschaftlicht das Spiel nicht, seine Ansprache ist klar und strukturiert, sie kommt bei den Spielern an. "Er ist ein sehr erfahrener Trainer. Er hat immer einen guten Spruch auf Lager, fördert immer die gute Stimmung. Die Mischung aus Ruhe und das Pushen, mehr zu wollen, das macht ihn besonders aus. Und genau das hat er auch sofort auf uns übertragen", sagt Verteidiger Tony Jantschke. Heckings großes Plus: Er redet nicht die Gegner stark, sondern das eigene Team.

Auswärtsstärke (+) Als Anfang des Jahres die Einschätzungen erfolgten, wie schwierig Heckings Aufgabe in Gladbach nun sei, waren die eklatanten Auswärtsprobleme ein fetter Minuspunkt. Doch dann schaffte Borussia erst auf fremdem Platz die Wende in Leverkusen, erreichte in Fürth das Pokal-Viertelfinale, legte in Bremen in der Liga nach, fabrizierte Wundersames in Florenz, gewann in Ingolstadt und zog in Hamburg ins Pokal-Viertelfinale ein. Zwischenzeitlich erreichte die Serie Ausmaße, wie es sie zuletzt unter Hennes Weisweiler gegeben hatte. Den Borussen ist es unter Hecking quasi egal, wo sie antreten müssen - aus dem fetten Minus ist ein riesiges Plus geworden.

Standards (+) Lange Jahre waren Standardtore ein unbekanntes Etwas in Mönchengladbach. Allein die Verteidigung von Standards wurde zu Zeiten Lucien Favres perfektioniert. Offensivstandards verpufften fast immer folgenlos. Heckings Co-Trainer Dirk Bremser gilt indes als Spezialist auf diesem Gebiet. Das zahlt sich aus. Elf der 25 Tore, die Borussia in der bisherigen Amtszeit Heckings erzielte, resultierten aus Standards. Ein diesbezüglicher Peak war das Europa-League-Spiel in Florenz: Alle vier Treffer beim 4:2-Erfolg in der Toskana wurden per Standardsituation erzielt.

Mentalität (+) "Tolle Moral, toller Charakter" - so lobte Hecking sein Team nach dem 0:1 gegen die Bayern. Ungeachtet des bitteren "Borexit" in der Europa League behielten die Borussen gegen den Rekordmeister den Kopf oben und waren in der zweiten Halbzeit sogar das bessere Team, wie Bayern-Trainer Carlo Ancelotti überrascht konstatierte. Unter Hecking haben die Borussen gelernt, nicht aufzustecken. In Leverkusen und Florenz gab es grandiose Aufholjagden, als sie sogar nach 0:2-Rückständen siegten.

Laufbereitschaft (+) Gegen die Bayern erreichte die läuferische Überlegenheit neue Dimensionen: Am Ende hatte Borussia 8,2 Kilometer mehr auf dem Tacho. Allerdings war bei 120,4 Kilometern auch eine erhebliche Strecke dabei, auf der die Mannschaft sich festlief oder hinterlief. Generell ist das Pensum, das Gladbach seit der Winterpause abspult, aber bemerkenswert. Der Schnitt in der Liga liegt bei 118,8 Kilometern - also über dem absoluten Bestwert der Hinrunde, und das trotz der Dreifachbelastung.

Gewinner (+) Lars Stindl und Yann Sommer sind unter Dieter Hecking zu echten Führungspersönlichkeiten gereift - sie gehen mit starken Leistungen voran. Sommers Abwehrquote liegt bei 76 Prozent, Stindl erzielte acht Tore in elf Spielen. Beide sind die Borussen mit den besten Rückrunden-Noten (2,4/2,5). Jonas Hofmann ist der große Aufsteiger unter dem neuen Trainer, er wurde schon abgeschrieben, jetzt zählt er zum Stammpersonal. Auf Schalke schoss er sein erstes Gladbach-Tor. Tony Jantschke ist als routinierter Stabilisator eine feste Größe bei Hecking und Jannik Vestergaard ist richtig angekommen in Gladbach: Der 1,99 Meter lange Däne verpasste als einziger Feldspieler keine Minute.

Stabilität (+) 15 Spiele, 16 Gegentore - ein Schnitt von etwa einem pro Spiel ist ein Richtwert für eine stabile Defensive. Sechsmal kassierte Borussia unter Hecking zwei Treffer, aber nur zwei dieser Partien gingen verloren. Knapp verlaufen die meisten, vorbei scheint die Zeit, in der Gladbach plötzlich zusammenbricht. Hamburg in der Liga und Schalke in der Europa League waren Ausnahmen, die allerdings sehr glimpflich ausfielen im Vergleich zu anderen Auftritten in der Hinrunde. Die großen Garanten sind Torwart Sommer und Andreas Christensen (77 Prozent gewonnene Zweikämpfe).

Heimschwäche (-) Nur sechs ihrer 15 Pflichtspiele Spiele bestritt Borussia unter Dieter Hecking daheim. Offenbar ist das eigene "Wohnzimmer" daher keine absolute Wohlfühlzone mehr. Denn die Hälfte der Heimspiele ging verloren: 0:1 gegen Florenz, 1:2 gegen Leipzig, 0:1 gegen die Bayern. Die Quote ist steigerungsfähig. Zunächst aber spielt Borussia zwei der nächsten drei Spiele in der Fremde. Das nächste Heimspiel ist gegen Hertha BSC. Im Vorjahr gab es gegen die "alte Dame" ein 5:0. Die Heimbilanz muss sich in der Restsaison steigern, wenn Hecking mit seinem Team "etwas Besonderes" (Oscar Wendt) erreichen will. Fünf der letzten zehn feststehenden Pflichtspiele finden im Borussia-Park statt.

Verletzungen (-) Wendt und Vestergaard sind echte Raritäten. In keinem der bislang 41 Pflichtspiele mussten sie verletzt aussetzen. Das kann auch Ersatztorwart Tobias Sippel behaupten, doch dessen Belastung besteht während der Partie vor allem aus exzessivem Anpeitschen und Mitjubeln. Der Rest hat mindestens einmal gefehlt, wobei es bei kaum einem dabei geblieben ist. Hammerhart war die vergangene Woche, als sich nacheinander Lars Stindl, Fabian Johnson, Christoph Kramer und Mo Dahoud abmeldeten (drei davon mit Muskelproblemen). In der Länderspielpause soll es personell bergauf gehen. Bleibt die Ausfallquote auf einem derart hohen Niveau, wird es schwierig, die Europa-Chance noch wahrzunehmen.

Abhängigkeit (-) Dass Borussia auf den ersten 18 bis 20 Kaderplätzen so gut besetzt ist wie seit Jahrzehnten nicht, haben auch die sportlichen Probleme dieser Saison nicht widerlegt. Es ist wie beim Mannschaftszeitfahren im Radsport, wo die Zeit des Fünftbesten in die Wertung eingeht. Kompliziert wurde es für Gladbach nämlich immer dann, wenn die absoluten Topleute wie Stindl, Raffael, Hazard oder Christensen ausfielen. Weitere Spieler dieser Qualität sind für Borussia nicht zu bezahlen. So ist Hecking in der Endphase der Saison darauf angewiesen, dass diese Profis gesund sind. Das 36-Tore-Trio Stindl, Raffael und Hazard hat seit Anfang Februar nicht mehr gemeinsam auf dem Platz gestanden.

Verlierer (-) Nico Schulz hat im Trainingslager Anfang Januar eine klare Ansage gemacht. "So kann es für mich nicht weitergehen", sagte der Linksfuß, der zuerst lange verletzt gewesen war und dann unter André Schubert kaum eine Rolle gespielt hatte. Doch jetzt ist Schulz fit, der Trainer heißt Hecking - und dennoch kommt der 23-Jährige auf gerade einmal elf Einsatzminuten nach der Winterpause. Julian Korb, sozusagen sein Pendant auf der rechten Seite, durfte auch nur 13 Minuten spielen. Beide scheinen keine Perspektive zu haben, während der dritte Verlierer des ersten Heckings-Quartals noch hoffen darf: Timothée Kolodziejczak (98 Minuten) hat als einziger Winterzugang den Eingewöhnungs-Bonus.

Ausblick Hecking hat mit 1,78 Punkten im Schnitt den Maßstab hoch angesetzt. Ihn stört das nicht, "ich schaue immer nach oben". Der Trainer hat klare Ziele: "Wir wollen uns die Teams, die hinter uns stehen. von der Pelle halten, dazu versuchen, denen, die vor uns stehen auf die Pelle zu rücken, und das Pokalfinale bleibt unser großes Ziel."

(RP)
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